Suchen
BGH Beschluss v. - 5 StR 406/24

Instanzenzug: LG Berlin I Az: 526 KLs 4/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwölf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet er sich mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts). Insbesondere hat auch der Schuldspruch hinsichtlich des Qualifikationstatbestands des § 308 Abs. 2 Alt. 2 StGB (Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen) Bestand.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts veranstaltete der Angeklagte zum Jahreswechsel 2021/2022 bei einer privaten Silvesterfeier ein Feuerwerk. Dabei kamen unter anderem Kugelbomben mit einer Nettoexplosivstoffmasse von je etwas mehr als 1.000 g zum Einsatz. Die für sie vorgesehene Zerlegungshöhe betrug 175 m, der erforderliche Schutzabstand 140 m. Für den Angeklagten, der über keine sprengstoffrechtliche Erlaubnis verfügt, waren diese in Deutschland nicht legal zu erwerben; er ließ sie sich aus Polen liefern. Da ihm nur ein professionelles Abschussrohr beigegeben worden war, behalf er sich im Übrigen mit aus Kunststoff gefertigten Abwasserrohren. Diese standen lose in einer selbst gebauten Abschusskiste, wo sie nur durch Führungslöcher und eine 30 cm hohe Schicht aus festgestampftem Sand stabilisiert wurden.

3Der Angeklagte wusste, dass die Abschussrohre gasdicht sein müssen, damit die Kugelbomben durch ihre Treibladungen auf die vorgesehene Explosionshöhe gebracht werden können. Ihm war bewusst, dass die von ihm gewählte Konstruktion dies möglicherweise nicht gewährleisten würde mit der Folge, dass eine Bombe vor ihrer Explosion auf den Boden zurückfällt. Ebenso realisierte er, dass der Abstand der Zuschauer, die von ihm zum Feuerwerk eingeladen worden waren, von nur etwa 15 bis 20 m bis zur Abschussvorrichtung den nötigen Schutzabstand eklatant unterschritt. Ihm war daher klar, dass im Fall einer bodennahen Explosion eine Verletzung von Zuschauern nur noch vom Zufall abhängen würde. Der Eintritt einer derart konkreten Gefahr war ihm zwar unerwünscht, jedoch fand er sich mit der Möglichkeit ab, um das Feuerwerk wie gewünscht durchführen zu können. Zugleich vertraute er darauf, dass es nicht tatsächlich zu Verletzungen kommen werde.

4Als der Angeklagte während des Feuerwerks nacheinander die Treibladungen der Kugelbomben zündete, geriet hierdurch die Abschusskiste in Bewegung, wodurch der Sand in der Kiste verrutschte und die Gasdichtigkeit der Abschussrohre verloren ging. Die nächste Bombe explodierte deshalb nahe des Bodens. Spätestens dies führte zum Umkippen der Abschusskiste, so dass die Abschussrohre auf die Zuschauer wiesen. Es zündete noch eine weitere Kugelbombe, die hinter ihnen landete und explodierte. Die Druckwelle und herumfliegende Teile führten bei zwölf Personen zu teils erheblichen Verletzungen.

52. Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch auch hinsichtlich der Verurteilung nach § 308 Abs. 2 Alt. 2 StGB. Indem der Angeklagte durch die Sprengstoffexplosion zwölf Menschen verletzte, hat er eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen im Sinne dieses Qualifikationstatbestands verursacht.

6Der im Gesetz an verschiedenen Stellen verwendete unbestimmte Rechtsbegriff einer „großen Zahl von Menschen“ bedarf einer tatbestandsspezifischen Auslegung (, BGHSt 44, 175). Für die Strafvorschrift des § 308 Abs. 2 Alt. 2 StGB ist dabei maßgeblich, dass für die Qualifikation des Absatz 2 im Vergleich zu dem in Absatz 1 geregelten Grundtatbestand keine erhöhten Anforderungen an die Sprengstoffexplosion als solche gestellt werden, etwa mit Blick auf deren Umfang oder die Qualität des Tatorts. Die Qualifikation, deren Strafrahmen sich gegenüber dem Grundtatbestand überdies nur in der um ein Jahr höheren Mindeststrafdrohung unterscheidet, erfasst daher auch solche Sprengstoffexplosionen, bei denen schon ihrer Art nach kaum mit der Gefährdung unübersehbar großer Menschengruppen zu rechnen ist. Zudem unterliegt innerhalb des Qualifikationstatbestands die Alternative der Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen der gleichen Strafandrohung wie die Alternative der „schweren Gesundheitsschädigung“ eines Menschen, so dass von einem vergleichbaren Unrechtsgehalt auszugehen ist.

7Für die in der Rechtsprechung bereits aufgetretenen Fälle hat der Bundesgerichtshof auf dieser Basis entschieden, dass das Merkmal der Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen im Sinne des § 308 Abs. 2 Alt. 2 StGB bei einer Verletzung von 21 Personen jedenfalls erfüllt ist (, NStZ 2022, 485). Für den in ein identisches Normgefüge integrierten (vgl. BGH aaO) Tatbestand der besonders schweren Brandstiftung in § 306b Abs. 1 Alt. 2 StGB wurden bereits 14 verletzte Personen als ausreichend angesehen (, BGHSt 44, 175). Der Senat sieht keinen Anlass, die im vorliegenden Fall erreichte Zahl von zwölf Personen für die Annahme einer „großen Zahl von Menschen“ als zu gering zu erachten. Dies geht konform mit Stimmen im Schrifttum, die die genannten Qualifikationen ab einer Mindestzahl von zehn Personen als erfüllt betrachten (zu § 308 Abs. 2 Alt. 2 StGB: LK/Valerius, StGB, 13. Aufl., § 308 Rn. 19; zu § 306b Abs. 1 Alt. 2 StGB: SK/Wolters, StGB, 10. Aufl., § 306b Rn. 4 mwN; LK/Valerius aaO § 306b Rn. 8 mwN; Geppert Jura 1998, 597, 603; Rengier Strafrecht BT/2, 25. Aufl., § 40 Rn. 64; vgl. zudem Schönke/Schröder/Heine/Bosch, StGB, 30. Aufl., Vor § 306 Rn. 13a).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:051124B5STR406.24.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-84848