Leitsatz
Erbringt der Schuldner eine inkongruente Deckung im zweiten oder dritten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist auch die in inkongruenter Weise befriedigte Forderung bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung objektiv zahlungsunfähig war.
Gesetze: § 17 Abs 2 S 2 InsO, § 131 Abs 1 Nr 2 InsO
Instanzenzug: Az: I-12 U 57/21vorgehend Az: 10 O 142/19
Tatbestand
1Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der F. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Er verlangt von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr von zwei Zahlungen in Höhe von insgesamt 129.475,40 €, welche diese infolge einer Kontopfändung in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag erlangt hat.
2Mit Versäumnisurteil vom verurteilte das Landgericht Köln die Schuldnerin zur Zahlung von 126.858,38 € nebst Zinsen an die Beklagte. Auf der Grundlage des vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteils beantragte die Beklagte unter dem einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen Ansprüchen der Schuldnerin gegen deren Bank. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde der Bank am zugestellt. Zahlungen aufgrund der Pfändung erfolgten zunächst nicht, weil das gepfändete Konto keine entsprechende Deckung aufwies. Erst am 3. und kam es zu den angefochtenen beiden Zahlungen der Bank, nachdem ab dem Gutschriften auf dem Konto eingegangen waren.
3Der Kläger behauptet, dass es in den für die Beurteilung der Anfechtbarkeit maßgeblichen Zeitpunkten neben den durch das Versäumnisurteil vom titulierten Forderungen weitere fällige und ernsthaft eingeforderte Verbindlichkeiten gegeben habe, zu deren Begleichung die Schuldnerin aus Mangel an liquiden Mitteln nicht in der Lage gewesen sei. Insbesondere sei die Schuldnerin zur Zahlung von Gewerbesteuer in Höhe von rund 150.000 € verpflichtet gewesen. Daneben hätten Körperschaft- und Umsatzsteuerschulden in Höhe von gut 300.000 € bestanden. Außerdem habe die Schuldnerin ihrem Steuerberater 14.629,53 € geschuldet, der Firma H. aus einem Werkvertrag 10.710 € sowie der V. -Berufsgenossenschaft Beiträge in Höhe von 3.431,80 €. Die Steuerverbindlichkeiten und die sonstigen Forderungen seien bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr beglichen worden.
4Das Landgericht hat die streitgegenständlichen Anfechtungsansprüche auf der Grundlage von § 143 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO für begründet gehalten. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
Gründe
5Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
6Das Berufungsgericht hat sich nicht davon überzeugen können, dass die Schuldnerin in den für die Anfechtbarkeit maßgeblichen Zeitpunkten zahlungsunfähig gewesen ist. Die streitgegenständlichen Zahlungen seien deshalb nicht nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar.
7Die Annahme einer Zahlungseinstellung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO, welche die Vermutung für die Zahlungsunfähigkeit begründe, lasse sich insbesondere nicht auf die vom Kläger behaupteten Gewerbesteuerverbindlichkeiten stützen. Der Kläger habe nicht schlüssig dargelegt, dass die Gewerbesteuerforderungen fällig und ernsthaft eingefordert gewesen seien. Er habe weder entsprechende Steuerbescheide vorgelegt noch eine Aussetzung der Vollziehung etwaig fälliger Forderungen, die nach den Unterlagen vorgelegen haben könnte, nachvollziehbar ausgeschlossen. Sein zuletzt gehaltener Vortrag, dass die Aussetzung der Vollziehung erst Ende März 2015 erfolgt sei, sei neu und nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Behauptung sei auch ersichtlich ins Blaue hinein erfolgt.
8Der Kläger habe auch nicht hinreichend dargelegt, dass die Körperschaft- und Umsatzsteuerverbindlichkeiten in den maßgeblichen Zeitpunkten fällig gewesen seien. Zur Darlegung der Fälligkeit genüge insbesondere nicht die Forderungsaufstellung des Finanzamts, die dessen korrigierter Forderungsanmeldung beigefügt gewesen sei.
9Auch die vom Kläger behaupteten sonstigen Forderungen des Steuerberaters, der Firma H. und der V. -Berufsgenossenschaft könnten eine Zahlungseinstellung nicht begründen. Die Beklagte habe zu Recht darauf hingewiesen, dass am noch eine Zahlung in Höhe von 80.000 € auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin eingegangen sei, woraus die sonstigen Forderungen hätten erfüllt werden können. Darüber hinaus habe die Beklagte geltend gemacht, dass es sich bei den sonstigen Forderungen um im Hinblick auf die Größe des Betriebs der Schuldnerin untergeordnete Verbindlichkeiten gehandelt habe, ohne dass der Kläger dem substantiiert entgegengetreten sei.
10Schließlich folge aus der durch Versäumnisurteil vom titulierten eigenen Forderung der Beklagten und deren zwangsweiser Durchsetzung kein eigenständiges Indiz für die Zahlungseinstellung. Anderenfalls wäre bei Zwangsvollstreckungen innerhalb von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag immer von einer Anfechtbarkeit nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO auszugehen.
II.
11Das hält rechtlicher Prüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Eine Anfechtbarkeit nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO lässt sich mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht ausschließen.
121. Die Beklagte hat durch die Zahlungen eine inkongruente Deckung erlangt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine während des Anfechtungszeitraums von drei Monaten der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherheit oder Befriedigung als inkongruent anzusehen (, BGHZ 167, 11 Rn. 9; vom - IX ZR 209/11, WM 2014, 324 Rn. 37, insoweit in BGHZ 199, 344 nicht abgedruckt; vom - IX ZR 80/20, NZI 2021, 327 Rn. 23).
13Die Zahlungen der Bank an die Beklagte erfolgten am 3. und und damit im dritten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom . Sie erfolgten aufgrund der von der Beklagten ausgebrachten Pfändung. Die Beklagte hat damit durch die Zahlungen innerhalb des Anfechtungszeitraums der Deckungsanfechtung im Wege der Zwangsvollstreckung Befriedigung erlangt.
142. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Zahlungsunfähigkeit verneint, ist rechtsfehlerhaft. Ob die Schuldnerin in den Zeitpunkten der Zahlungen vom 3. und zahlungsunfähig war, kann aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.
15a) Zahlungsunfähig ist, wer nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die Zahlungsunfähigkeit kann durch Aufstellung eines Liquiditätsstatus nachgewiesen werden. Die Aufstellung eines solchen ist entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (vgl. , BGHZ 230, 28 Rn. 14; st.Rspr.).
16b) Entscheidend für die Feststellung der Zahlungseinstellung ist die am Beweismaß des § 286 ZPO zu messende, in umfassender und widerspruchsfreier Würdigung des Prozessstoffs zu gewinnende Überzeugung, der Schuldner könne aus Mangel an liquiden Zahlungsmitteln nicht zahlen. Eine besonders aussagekräftige Grundlage für diese Überzeugung ist die eigene Erklärung des Schuldners. Erklärt der Schuldner, eine fällige und nicht nur unbeträchtliche Verbindlichkeit binnen drei Wochen nicht - und zwar auch nicht nur ratenweise - begleichen zu können, wird in aller Regel von einer Zahlungseinstellung des Schuldners im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung auszugehen sein. Dies gilt erst recht, wenn der Schuldner darüber hinaus ausdrücklich erklärt zahlungsunfähig zu sein. Fehlt es an einer (ausdrücklichen) Erklärung des Schuldners, müssen die für eine Zahlungseinstellung sprechenden Umstände ein der Erklärung entsprechendes Gewicht erreichen. Zahlungsverzögerungen allein, auch wenn sie wiederholt auftreten, reichen dafür häufig nicht. Es müssen dann Umstände hinzutreten, die mit hinreichender Gewissheit dafürsprechen, dass die Zahlungsverzögerung auf fehlender Liquidität des Schuldners beruht (, BGHZ 230, 28 Rn. 41; vom - IX ZR 148/19, ZInsO 2022, 762 Rn. 22).
17Die zusätzlich erforderlichen Umstände können darin zu sehen sein, dass der Schuldner Forderungen solcher Gläubiger nicht begleicht, auf deren (weitere) Leistungserbringung er zur Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebs angewiesen ist. Ferner kann Mahn- und/oder Vollstreckungsdruck des Gläubigers der Zahlungsverzögerung größeres Gewicht verleihen. Ein schematisches Vorgehen verbietet sich auch hier. Maßgebend ist, dass die zusätzlichen Umstände im konkreten Einzelfall ein Gewicht erreichen, das der Erklärung des Schuldners entspricht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können (, BGHZ 230, 28 Rn. 42; vom - IX ZR 148/19, ZInsO 2022, 762 Rn. 23).
18Ein deutliches Indiz für die Zahlungseinstellung in diesem Sinne stellt es auch dar, wenn im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten erheblichen Umfangs bestanden haben, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind (, ZInsO 2022, 1498 Rn. 41 mwN). Eine andere Frage ist, ob und unter welchen Voraussetzungen solche Verbindlichkeiten nach Art, (Gesamt-)Höhe, Anzahl und Bedeutung den Schluss zulassen, dass der Schuldner bereits zum Zeitpunkt der Rechtshandlung erkannt oder billigend in Kauf genommen hat, sie nicht mehr vollständig befriedigen zu können (vgl. aaO). Darum geht es hier nicht. Der Anfechtungstatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO stellt allein auf die objektiv eingetretene Zahlungsunfähigkeit ab.
19c) Die nach den vorstehenden Grundsätzen erforderliche umfassende Würdigung des Prozessstoffs hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Es hat weder die mit Versäumnisurteil vom titulierte Forderung in Höhe von 126.858,38 € nebst Zinsen in seine Betrachtung einbezogen, die mit der streitbefangenen Zwangsvollstreckung durchgesetzt wurde. Noch hat es die sonstigen Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber ihrem Steuerberater, der Firma H. und der V. -Berufsgenossenschaft gewürdigt, die fällig gewesen und bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sein sollen. Die dafür jeweils gegebene Begründung ist rechtsfehlerhaft.
20aa) Es trifft nicht zu, dass aus der durch Versäumnisurteil vom titulierten eigenen Forderung der Beklagten und deren zwangsweiser Durchsetzung kein eigenständiges Indiz für die Zahlungseinstellung folgt.
21(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Begriff der Zahlungsunfähigkeit im Insolvenzrecht einheitlich zu verstehen (vgl. , WM 2006, 1631 Rn. 6; Urteil vom - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 18). Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit in § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO stimmt daher mit § 17 InsO überein. Nichts anderes gilt für die Herleitung der Zahlungsunfähigkeit über die gesetzliche Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO. Dass aus dem (zögerlichen) Zahlungsverhalten des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern Schlüsse auf die Zahlungseinstellung gezogen werden können, gilt daher auch im Rahmen des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Dass es sich um das Zahlungsverhalten gegenüber dem späteren Anfechtungsgegner handelt, hindert dessen Berücksichtigung nicht.
22(2) Soweit das Berufungsgericht annimmt, im Falle einer Zwangsvollstreckung könne die zwangsweise durchgesetzte Forderung nicht als Indiz für eine Zahlungseinstellung herangezogen werden, weil andernfalls durch Zwangsvollstreckung erlangte Deckungen stets nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar wären, ist dies rechtsfehlerhaft. § 131 InsO sieht eine gegenüber § 130 InsO verschärfte Anfechtbarkeit vor, weil der Gläubiger, der eine ihm nicht (mehr) zustehende Leistung erhält, weniger schutzwürdig ist, als ein Gläubiger, dem eine kongruente Deckung gewährt wird (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 158). Deshalb sind inkongruente Deckungshandlungen nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ohne weiteres anfechtbar, wenn sie im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag erfolgt sind. § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO fordert für den Zeitraum des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag zusätzlich die objektive Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Diese kann, wie bei allen anderen Anfechtungstatbeständen auch, über die Zahlungseinstellung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO und insoweit aus dem Zahlungsverhalten des Schuldners gegenüber dem späteren Anfechtungsgegner erschlossen werden.
23Das Zahlungsverhalten des Schuldners gegenüber dem späteren Anfechtungsgegner ist nicht selten der einzige Anknüpfungspunkt für die Prüfung von Anfechtungstatbeständen, welche die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraussetzen (vgl. , BGHZ 230, 28 Rn. 44). Das gilt insbesondere auch für den Anfechtungstatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO, den das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus hätte erwägen müssen. Richtigerweise ist das Zahlungsverhalten des Schuldners gegenüber dem späteren Anfechtungsgegner in gleicher Weise bei der Prüfung des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die in inkongruenter Weise befriedigte Forderung selbst. Sonst würde das Ziel einer gegenüber § 130 InsO verschärften Anfechtbarkeit (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 158) verfehlt.
24bb) Auch die Begründung, mit welcher das Berufungsgericht die sonstigen Verbindlichkeiten unberücksichtigt gelassen hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
25(1) Eine Zahlungseinstellung anhand von Verbindlichkeiten, die im maßgeblichen Zeitpunkt fällig waren und bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, wird nicht durch einen zwischenzeitlichen Liquiditätszufluss infrage gestellt, der ausgereicht hätte, um die Verbindlichkeiten zu erfüllen. Das Berufungsgericht durfte die sonstigen Verbindlichkeiten folglich nicht wegen des Zahlungseingangs vom in Höhe von 80.000 € auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin unberücksichtigt lassen. Der Umstand, dass die Verbindlichkeiten trotz des Zahlungseingangs fortbestanden und bis zur Eröffnung nicht mehr beglichen wurden, spricht nicht gegen, sondern gerade für die eingetretene Zahlungseinstellung. Ersichtlich reichte der Zahlungseingang nicht aus, um auch die sonstigen Verbindlichkeiten zu erfüllen.
26Da die sonstigen Verbindlichkeiten fortbestanden, kann aus dem Zahlungseingang auch nicht auf eine allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen (vgl. , ZInsO 2022, 762 Rn. 17 mwN) geschlossen werden. Umstände, welche die Fortdauervermutung in Frage stellen könnten, sind ebenfalls nicht gegeben.
27(2) Entgegen dem Berufungsgericht kann nicht davon ausgegangen werden, dass die sonstigen Verbindlichkeiten nicht (nachweislich) erheblichen Umfangs im Sinne der Rechtsprechung zur Feststellung der Zahlungseinstellung aufgrund bis zur Verfahrenseröffnung nicht befriedigter Forderungen waren (vgl. , ZInsO 2022, 1498 Rn. 41 mwN). Erforderlich für eine Zahlungseinstellung ist die Gesamtschau der darauf hindeutenden Beweisanzeichen (vgl. , ZIP 2011, 1416 Rn. 13 ff; vom - IX ZR 40/10, WM 2012, 998 Rn. 15). Dafür kommt es nicht allein auf die bloße Höhe der Verbindlichkeiten an. Sie kann ausschlaggebend sein, muss es aber nicht. Von Bedeutung sind etwa auch die bereits im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung eingetretene Zeitdauer des Rückstands, die Art der Verbindlichkeiten und die Bedeutung der vom Forderungsgläubiger geschuldeten Gegenleistung für den Geschäftsbetrieb des Schuldners. Für eine Zahlungseinstellung spricht es insbesondere, wenn nicht nur ein einzelner Gläubiger nicht mehr befriedigt worden ist, sondern eine Mehrzahl.
28Die danach auch hier notwendige umfassende Würdigung des Prozessstoffs hat das Berufungsgericht unterlassen. Es hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass es bei den sonstigen Verbindlichkeiten um solche aus verschiedenen Bereichen der geschäftlichen Tätigkeit der Schuldnerin (Erhalt der notwendigen Steuerberatung, Erfüllung der Forderung aus einem Werkvertrag, Bezahlung von Beiträgen an die Berufsgenossenschaft) handelte. Insbesondere die (laufende) Steuerberatung war von erheblicher Bedeutung für die Geschäftstätigkeit der Schuldnerin. Die entsprechenden Verbindlichkeiten waren auch bereits über einen längeren Zeitraum von mehreren Monaten nach und nach aufgelaufen.
29cc) Keinen rechtlichen Bedenken begegnet es, dass der Vortrag des Klägers zur Fälligkeit und zum Einfordern der auf eine Betriebsprüfung zurückgehenden Steuerforderungen (Gewerbesteuer sowie Körperschaft- und Umsatzsteuer) vom Berufungsgericht als nicht ausreichend oder nicht mehr berücksichtigungsfähig angesehen worden ist. Die insoweit von der Revision geltend gemachten Verfahrensmängel hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 564 ZPO abgesehen.
30Daraus, dass die Steuerforderungen zur Insolvenztabelle festgestellt sind, folgt nicht, dass sie bereits zu den maßgeblichen Zeitpunkten der angefochtenen Rechtshandlungen fällig und ernsthaft eingefordert waren. Ohne Erfolg beruft sich die Revision auf § 178 Abs. 3 InsO. Es streiten gute Gründe dafür, dass sich die Rechtskraftwirkungen des § 178 Abs. 3 InsO auf das Insolvenzverfahren beschränken (vgl. , ZIP 2023, 705 Rn. 33 mwN). Jedenfalls folgt aus § 178 Abs. 3 InsO - unabhängig von der Frage, ob die Wirkungen die materielle Forderung betreffen - nichts für den Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderungen.
III.
31Die angefochtene Entscheidung erweist sich nicht im Ergebnis als richtig. Aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Zahlungen vom 3. und die (übrigen) Gläubiger der Schuldnerin gemäß § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt haben.
321. An einer Gläubigerbenachteiligung würde es allerdings fehlen, wenn die Beklagte das Pfändungspfandrecht, auf dessen Grundlage die angefochtenen Drittschuldnerzahlungen erfolgt sind, insolvenzfest erlangt hätte (vgl. , BGHZ 157, 350, 353; vom - IX ZR 107/22, ZInsO 2024, 683 Rn. 14).
332. Vor diesem Hintergrund haben die angefochtenen Zahlungen dann eine Gläubigerbenachteiligung bewirkt, wenn das Pfändungspfandrecht der Beklagten seinerseits nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar ist.
34a) Das Pfändungspfandrecht stellt eine inkongruente Sicherung dar. Zwar ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Bank als Drittschuldnerin bereits am und damit außerhalb des Anfechtungszeitraums von drei Monaten der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) zugestellt worden. Die angefochtenen Zahlungen beruhten jedoch auf Zahlungseingängen auf dem gepfändeten Konto ab dem . Insoweit traten die Wirkungen der ausgebrachten Pfändung erst im dritten Monat vor dem Eröffnungsantrag ein und handelte es sich bei dem Pfändungspfandrecht um eine inkongruente Sicherung (vgl. , BGHZ 157, 350, 353 f; vom - IX ZR 135/03, NZI 2004, 316, 318).
35b) Das Pfändungspfandrecht führte auch zu einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO, weil es für die Beklagte zulasten der Gläubigergesamtheit eine abgesonderte Befriedigung ermöglichte.
IV.
36Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Schoppmeyer Schultz Selbmann
Harms Kunnes
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:090125UIXZR41.23.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-83811