Unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten bei der Vergütung - Mehrflugdienststundenvergütung - Klageerweiterung in der Revision - Bestimmtheit einer Bezugnahmeklausel
Gesetze: § 4 Abs 1 TzBfG, § 3 Abs 1 TVG, § 4 Abs 1 TVG, § 4 Abs 5 TVG, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 139 Abs 2 ZPO, § 293 ZPO, § 559 ZPO
Instanzenzug: Az: 12 Ca 13601/18 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 6 Sa 370/19 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über Mehrflugdienststundenvergütung für die Zeit vom bis zum , hilfsweise über die Feststellung, dass kein Teilzeitarbeitsverhältnis besteht, sowie über die rentenfähige Vergütung des Klägers für den Zeitraum vom bis zum .
2Der Kläger ist bei der Beklagten, die ein Luftfahrtunternehmen betreibt, seit 2001 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom („Arbeitsvertrag Cockpit 2001“) als Flugzeugführer, zuletzt im Rang eines Ersten Offiziers, beschäftigt.
3In diesem Arbeitsvertrag heißt es ua.:
4Seit dem arbeitet der Kläger aufgrund einer als „Unbefristeter Teilzeitarbeitsvertrag Cockpit“ bezeichneten Vereinbarung vom in Teilzeit mit einer auf 90 % der Vollarbeitszeit verringerten Arbeitszeit.
5Dort ist ua. geregelt:
6Die Teilzeitarbeit leistete der Kläger im Streitzeitraum auf der Grundlage eines in einer Betriebsvereinbarung geregelten Modells, nach dem er 37 zusätzliche freie Tage im Jahr erhält. Seine Grundvergütung, die zu zahlenden Zulagen sowie der Urlaub wurden um jeweils 10 % reduziert.
7Zwischen der Beklagten und der Vereinigung Cockpit e.V. wurden ua. folgende Vereinbarungen geschlossen:
8Mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) schloss die Beklagte den Tarifvertrag Betriebliche Altersversorgung für die Mitarbeiter der Lufthansa CityLine GmbH vom (TV BAV).
9Nach den Bestimmungen des VTV Nr. 6 und des EP Jump erhalten Beschäftigte eine über die Grundvergütung hinausgehende Mehrflugdienststundenvergütung, wenn eine bestimmte Zahl von Flugdienststunden im Monat geleistet und damit die Grenzen für die erhöhte Vergütung überschritten wurden. Abweichende Regelungen für Teilzeitbeschäftigte finden sich dort nicht. Entsprechend erhalten Teilzeitbeschäftigte wie der Kläger eine erhöhte Mehrflugdienststundenvergütung erst, wenn die Flugdienstzeit die für Vollzeitbeschäftigte geltenden Auslösegrenzen überschreitet. Mit Blick auf die betriebliche Altersversorgung bleiben nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV BAV sonstige Zulagen und Zuschläge bei der Ermittlung des rentenfähigen Einkommens unberücksichtigt. Nach Abschn. III Nr. 7 erster Spiegelstrich Satz 3 EP Jump ist die Senior First Officer (SFO)-Zulage im Rahmen der CLH-Betriebsrente versorgungsfähig.
10Der Kläger hat gemeint, die genannten Tarifverträge fänden auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung. Er hat die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch auf die erhöhte Vergütung bereits dann, wenn er die entsprechend seinem Teilzeitfaktor abgesenkten Auslösegrenzen überschreite. Die Bestimmungen, die identische Auslösegrenzen für Voll- und Teilzeit enthielten, verstießen gegen das Verbot, Teilzeitbeschäftigte im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten schlechter zu behandeln. Für die unterschiedliche Behandlung bestehe kein sachlicher Grund. Mit der Mehrflugdienststundenvergütung hätten die Tarifvertragsparteien nicht bezweckt, besondere Belastungen auszugleichen. Sie hätten vielmehr das Ziel verfolgt, den individuellen Freizeitbereich der Arbeitnehmer zu schützen. Jedenfalls seien die Anforderungen, die an den Belastungsausgleich als sachlichen Grund gestellt werden, nicht erfüllt. Mit Blick auf die von ihm geleisteten Flugdienststunden, die im Umfang denen Vollzeitbeschäftigter gleichkämen, könne er hilfsweise die Feststellung verlangen, dass zwischen ihm und der Beklagten kein Teilzeitarbeitsverhältnis vereinbart sei. Für die Berechnung der Jahresrentenbausteine seien die tatsächlich erbrachten Flugstunden zu berücksichtigen. Da er im Streitzeitraum im Wesentlichen dieselbe Zahl an Flugstunden erbracht habe wie in Vollzeit tätige Flugzeugführende, könne der pro-rata-temporis-Grundsatz nicht zur Anwendung kommen. Erstmals in der Revision hat er behauptet, er sei seit dem Jahr 2012 Mitglied der Vereinigung Cockpit e.V., so dass die von der Beklagten mit dieser abgeschlossenen Tarifverträge in seinem Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifbindung gelten würden.
11Der Kläger hat zuletzt beantragt,
12Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Ansicht seien die Bestimmungen zur Mehrflugdienststundenvergütung wirksam. Für die unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten bestehe ein sachlicher Grund. Die Mehrflugdienststundenvergütung diene dazu, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Sie bestehe erst, wenn die Auslösegrenzen überschritten seien. Mit dem Kläger sei wirksam ein Teilzeitarbeitsverhältnis vereinbart worden. Als rentenfähiges Einkommen sei nach den tarifvertraglichen Bestimmungen nur die entsprechend dem Teilzeitfaktor ermäßigte Grundvergütung zu werten.
13Das Arbeitsgericht hat der Klage im Hinblick auf die Mehrflugdienststundenvergütung stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom (- 10 AZR 185/20 (A) - BAGE 173, 10) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen nach der Auslegung von Unionsrecht vorgelegt. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom (- C-660/20 - [Lufthansa CityLine]) geantwortet.
Gründe
14Die Revision ist, soweit zulässig, begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Dies führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen kann der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden. Daher ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
15I. Die Revision ist zulässig, soweit der Kläger seine Ansprüche auf die Tarifanwendung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme stützt. Sie ist unzulässig, soweit er die Ansprüche in der Revisionsinstanz erstmals auch aus der Tarifgeltung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit herleitet.
161. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger klargestellt, dass er die geltend gemachten Ansprüche in erster Linie auf die Tarifanwendung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme stützt und nachrangig, für die Zeit ab 2012, auf die Tarifgeltung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit.
172. Indem der Kläger die Ansprüche in der Revisionsinstanz erstmals auch auf die Tarifgeltung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gestützt hat, hat er die Klage unzulässig erweitert.
18a) Nach § 559 Abs. 1 ZPO ist eine Klageänderung in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Deshalb können im Revisionsverfahren neue prozessuale Ansprüche in der Regel nicht zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch hinsichtlich der Anträge der Parteien die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht. Aus prozessökonomischen Gründen hat das Bundesarbeitsgericht hiervon Ausnahmen in Fällen zugelassen, in denen sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden (st. Rspr., zB - Rn. 11 mwN; - 10 AZR 696/19 - Rn. 26 mwN, BAGE 176, 160).
19b) Der Kläger hat die Klage auf einen neuen Streitgegenstand gestützt, soweit er die geltend gemachten Ansprüche nunmehr für einen Teil des Streitzeitraums auch aus der Tarifgeltung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit herleitet.
20aa) Unter Zugrundelegung des für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs (vgl. dazu die st. Rspr., zB - Rn. 13 mwN; - 8 AZR 253/20 - Rn. 22 mwN) handelt es sich bei der Tarifanwendung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme einerseits und der Tarifgeltung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit andererseits nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts prozessual um unterschiedliche Streitgegenstände (vgl. zB - Rn. 19; - 4 AZR 517/15 - Rn. 74 mwN, BAGE 158, 54; - 4 AZR 457/09 - Rn. 15 mwN).
21bb) In den Tatsacheninstanzen hat der Kläger - der den Streitgegenstand bestimmt ( - Rn. 24; - 4 AZR 456/14 - Rn. 20 mwN) - keinen Vortrag zu seiner Tarifgebundenheit gehalten und Ansprüche aufgrund der Tarifgeltung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit nicht zur Entscheidung gestellt. Das Landesarbeitsgericht hat dementsprechend keine Feststellungen zu einer Tarifgebundenheit der Parteien getroffen und ausschließlich über Ansprüche auf der Grundlage einer Tarifanwendung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme entschieden. Indem der Kläger die Ansprüche in der Revisionsinstanz auch mit der Tarifgeltung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit begründet, hat er einen neuen Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt.
22c) Die Voraussetzungen, unter denen der Senat ausnahmsweise über diesen neu eingeführten Streitgegenstand entscheiden könnte, sind nicht erfüllt. Bei der Tarifgebundenheit des Klägers handelt es sich nicht um übereinstimmenden Vortrag beider Parteien. Zudem liegt kein Umstand vor, der erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz eingetreten ist (vgl. hierzu - Rn. 12 mwN, BAGE 168, 238). Darüber hinaus würde der neue Streitgegenstand ein geändertes materiell-rechtliches Prüfprogramm bedingen. Der Inhalt der ggf. unmittelbar und zwingend geltenden Tarifverträge wäre auf der Grundlage der Erklärung des Klägers in der zweiten mündlichen Verhandlung vor dem Senat nunmehr erstmals nach § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln (vgl. dazu zB - Rn. 44 mwN).
23II. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie begründet. Mit der gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Es fehlt bereits an konkreten Feststellungen, welche Tarifverträge in welcher Fassung auf das Arbeitsverhältnis des Klägers auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Streitzeitraum Anwendung fanden. Die nicht weiter begründete Annahme des Landesarbeitsgerichts, bestimmte - auf Arbeitnehmerseite von unterschiedlichen Tarifvertragsparteien abgeschlossene - Tarifverträge seien auf das Arbeitsverhältnis anwendbar, ist nicht durch hinreichende Tatsachenfeststellungen gedeckt. Damit ist unklar, welche tariflichen Bestimmungen unter Beachtung der Entscheidung des Gerichtshofs vom (- C-660/20 - [Lufthansa CityLine]) überhaupt am Maßstab des § 4 Abs. 1 TzBfG zu prüfen sind. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht.
241. Die vom Kläger verfolgten Ansprüche auf eine Mehrflugdienststundenvergütung auf der Grundlage von Auslösegrenzen, die entsprechend seinem Teilzeitfaktor abgesenkt sind, setzen im Ausgangspunkt ebenso wie die Ansprüche auf eine abweichende Berechnung der Jahresrentenbausteine zunächst voraus, dass entsprechende Tarifverträge, die eine Mehrflugdienststundenvergütung sowie eine betriebliche Altersversorgung regeln, auf das Arbeitsverhältnis im Streitzeitraum Anwendung fanden. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Klägers, auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifverträge, die „nur“ vertraglich in Bezug genommen worden sind, konkret zu bezeichnen und deren Inhalt vorzutragen. § 293 ZPO findet insoweit - anders als bei normativ geltenden Tarifverträgen - keine Anwendung ( - Rn. 44; - 4 AZR 123/18 - Rn. 35, BAGE 164, 345). Allerdings ist ein richterlicher Hinweis auf noch fehlenden Sachvortrag (§ 139 Abs. 2 ZPO) in den Tatsacheninstanzen nicht erfolgt.
252. Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen lässt sich nicht klären, ob die vom Kläger und vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Tarifverträge in den zur Akte gereichten Fassungen auf der Grundlage der Bezugnahmeklausel in § 5 Buchst. b des Teilzeitarbeitsvertrags vom iVm. § 2 des Arbeitsvertrags vom im Streitzeitraum zur Anwendung kamen. Soweit das Landesarbeitsgericht in seinem Tatbestand bestimmte Tarifverträge - ohne nähere Bezeichnung nach Tarifvertragspartei und Fassung - auflistet und ausführt, dass diese auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden, handelt es sich um keine nach § 559 ZPO bindende Feststellung. Dem steht schon entgegen, dass das Landesarbeitsgericht tatbestandlich die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien ebenfalls in Bezug nimmt. Die dort enthaltenen Verweisungsklauseln legen aber das Bezugsobjekt nicht eindeutig fest. Da die Beklagte ausweislich des festgestellten Sachverhalts mit mindestens zwei Gewerkschaften Tarifverträge geschlossen hat, ist unklar, welche tarifliche Normen arbeitsvertraglich im Streitzeitraum zur Anwendung kamen.
26a) Bei dem Arbeits- und dem Teilzeitarbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um Formulararbeitsverträge, die nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen sind (vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen zB - Rn. 21). Da die Auslegung von AGB der uneingeschränkten Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, kann dieses bei unterbliebener Auslegung durch das Berufungsgericht die Auslegung selbst vornehmen ( - Rn. 26 mwN, BAGE 165, 205).
27b) Die Regelungen in § 5 Buchst. b des Teilzeitarbeitsvertrags vom iVm. § 2 des Arbeitsvertrags vom sind dahingehend auszulegen, dass auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge Anwendung finden sollen, an die die Arbeitgeberin - ggf. auch im Stadium der Nachwirkung - normativ gebunden ist.
28aa) Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom ergeben sich die Rechte und Pflichten des Klägers ua. aus „den Tarifverträgen … der LUFTHANSA CITYLINE in ihrer jeweils geltenden Fassung“. Diese arbeitsvertragliche Regelung wird ohne inhaltliche Änderung durch § 5 Buchst. b des Teilzeitarbeitsvertrags vom bestätigt, wonach im Übrigen „der … bestehende Arbeitsvertrag“ sowie „Tarifverträge … in ihrer jeweils geltenden Fassung“ unberührt bleiben sollen. Eine Vereinbarung dieses Inhalts ist dahin zu verstehen, dass die für die Arbeitgeberin jeweils geltenden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollen. Nach § 4 Abs. 1 TVG „gelten“ die Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den nach § 3 Abs. 1 TVG beiderseits Tarifgebundenen. Sie „gelten“ gemäß § 4 Abs. 5 TVG auch nach ihrem Ablauf weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Die Bezugnahmeregelung ist sowohl zeitdynamisch als auch hinsichtlich der anzuwendenden Tarifverträge inhaltsdynamisch ausgestaltet. Sie erfasst auch die Tarifverträge, an die die Arbeitgeberin (zukünftig) gebunden sein wird (vgl. zu einer ähnlichen Klausel - Rn. 23 mwN, BAGE 174, 382; - 4 AZR 230/20 - Rn. 52 ff.).
29bb) Es liegt nahe, dass bei Abschluss der arbeitsvertraglichen Regelungen im Unternehmen der Beklagten von unterschiedlichen Gewerkschaften abgeschlossene Tarifwerke - ggf. auch im Stadium der Nachwirkung - galten. Dies ergibt sich jedenfalls aus den vom Kläger vorgelegten Tarifverträgen, die von der Arbeitgeberin teilweise mit der DAG, teilweise mit der Vereinigung Cockpit e.V. abgeschlossen wurden. Feststellungen dazu fehlen aber.
30(1) War dies der Fall, hätten die Arbeitsvertragsparteien mit der von ihnen vereinbarten Bezugnahmeregelung Tarifwerke von unterschiedlichen Gewerkschaften in Bezug genommen. Anhaltspunkte dafür, die Verweisung sei auf das Tarifwerk einer bestimmten Gewerkschaft oder nicht auf die Tarifwerke als ganze, sondern auf einzelne Tarifverträge gerichtet, so dass es im Einzelfall auch zur Anwendung von Tarifverträgen verschiedener Gewerkschaften kommen könnte, bestehen nicht. Dem letztgenannten Verständnis würde auch der Zweck der Verweisungsklausel widersprechen. Bei einer umfassenden Bezugnahme auf ein Tarifwerk sollen alle einzelnen, typischerweise aufeinander bezogenen und einander ergänzenden Tarifverträge Anwendung finden, um eine Gesamtregelung der arbeitsvertraglichen Bedingungen sicherzustellen. Dies wäre bei einer Kombination aus einzelnen Tarifverträgen unterschiedlicher Tarifvertragsparteien nicht ohne Weiteres gewährleistet ( - Rn. 24 mwN, BAGE 174, 382).
31(2) Abweichendes ergäbe sich auch dann nicht, wenn der Vortrag der Beklagten zuträfe, dass diese bei Abschluss des Arbeitsvertrags mit dem Kläger im Jahr 2001 für das Cockpitpersonal nur noch mit der Vereinigung Cockpit e.V. tarifiert hat. Sie kann trotzdem noch an mit der DAG abgeschlossene Tarifverträge, in die die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di als deren Rechtsnachfolgerin als Tarifvertragspartei eingetreten ist (vgl. - Rn. 49, BAGE 123, 213), gebunden gewesen sein. Anhaltspunkte für ein engeres Verständnis finden sich in den vertraglichen Regelungen jedenfalls nicht.
32(3) Der Auslegung als umfassende Bezugnahme steht ebenso wenig entgegen, dass nach § 2 des Teilzeitarbeitsvertrags vom die tarifvertraglichen Auslösegrenzen „gemäß … VTV Cockpit“ für alle Teilzeitmodelle unverändert bleiben sollen. Insoweit handelt es sich um eine Klarstellung, dass der pro-rata-temporis-Grundsatz hinsichtlich der Auslösegrenzen keine Anwendung finden soll. Eine Beschränkung der Reichweite der Bezugnahme auf lediglich einen Tarifvertrag oder auf das Tarifwerk einer Tarifvertragspartei kann darin unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen nicht gesehen werden.
33c) War die Beklagte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an Tarifverträge mit verschiedenen Gewerkschaften gebunden, führt dies nicht dazu, dass die gesamte Bezugnahmeklausel unwirksam ist.
34aa) Eine Bezugnahmeklausel kommt als vertragliche Regelung dann wirksam zustande, wenn das Bezugnahmeobjekt eindeutig bestimmbar ist. Bei dem Bestimmtheitserfordernis einer Vertragsklausel handelt es sich um eine (ungeschriebene) Wirksamkeitsvoraussetzung des Vertragsrechts. Ein Vertrag, dessen Inhalt von den Parteien - ggf. nach Auslegung - nicht bestimmt (oder bestimmbar) genug vereinbart wurde, ist unwirksam. Nicht erforderlich ist insoweit, dass bereits bei Vertragsabschluss absehbar ist, welchen zukünftigen Inhalt die in Bezug genommenen Tarifregelungen haben werden. Ausreichend ist vielmehr, dass diese im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Anwendung bestimmbar sind ( - Rn. 26 mwN, BAGE 174, 382).
35bb) Die in Bezug genommenen tariflichen Regelungen sind eindeutig bestimmbar, solange ausschließlich inhaltlich gleichlautende Tarifverträge geschlossen wurden ( - Rn. 25, 27 mwN, BAGE 174, 382). Ob und ggf. wie lange das der Fall war, kann der Senat auf der Grundlage des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts nicht entscheiden. Der Kläger hat jedenfalls mit dem TV BAV und dem EP Jump zwei Vereinbarungen vorgelegt, die inhaltlich voneinander abweichen. Beide Tarifwerke gelten (auch) für das Cockpitpersonal. Weiterer Vortrag zum damaligen Tarifstand im Bereich der Vergütungs- und Manteltarifverträge fehlt.
36cc) Eine Kollisionsregel für den Fall, dass mit verschiedenen Gewerkschaften Tarifwerke unterschiedlichen Inhalts abgeschlossen werden, ist den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien weder ausdrücklich noch konkludent zu entnehmen (vgl. hierzu - Rn. 29 ff., BAGE 174, 382). Dabei kann dahinstehen, ob die fehlende Kollisionsregel dazu führt, dass die Klauseln intransparent iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind. Da sich der Kläger auf die Anwendbarkeit der Tarifverträge und damit auf die Bezugnahmeregelungen beruft, macht er deren Wirksamkeit geltend (vgl. hierzu - Rn. 40, aaO).
37dd) Die aufgrund des Fehlens einer Kollisionsregelung möglicherweise entstandene Lücke kann auch nicht im Weg einer ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden (zu den Voraussetzungen - Rn. 42 ff., BAGE 174, 382). Es ist schon fraglich, ob überhaupt eine planwidrige Regelungslücke gegeben wäre. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien in der Revisionsinstanz schloss die Beklagte bereits im Jahr 1999 - und damit vor Abschluss des Arbeitsvertrags mit dem Kläger im Jahr 2001 - Tarifverträge mit der Vereinigung Cockpit e.V. Dies spräche entscheidend gegen eine nachträglich eingetretene Lückenhaftigkeit der Bezugnahmeregelungen. Jedenfalls aber lässt sich ein hypothetischer Wille der Parteien, wie sie eine nachträglich eingetretene Lücke schließen wollten, nicht erkennen (vgl. hierzu - Rn. 45 ff., aaO).
38ee) Mangels einer Kollisionsregel wäre danach das Bezugnahmeobjekt der Verweisungsklausel ab dem Zeitpunkt nicht mehr bestimmbar, ab dem im Unternehmen Tarifwerke mit unterschiedlichem Inhalt galten. Das führte insoweit zur Teilunwirksamkeit der Klausel und damit zum Wegfall der vereinbarten Dynamik. Damit wären auf das Arbeitsverhältnis die zuletzt einheitlich vereinbarten tarifvertraglichen Regelungen statisch anwendbar (vgl. hierzu ausführlich - Rn. 54 ff., BAGE 174, 382).
39III. Das Landesarbeitsgericht wird den Parteien Gelegenheit zu geben haben, zu den im Streitzeitraum nach den obigen Grundsätzen im Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträgen vorzutragen, wobei die Darlegungslast insoweit zunächst beim Kläger liegt (Rn. 24). Steht fest, welche Tarifnormen insoweit Anwendung fanden und enthielten diese Regelungen zu einer Mehrflugdienststundenvergütung mit festen, auch für Teilzeitkräfte maßgeblichen Auslösegrenzen, werden diese unter Beachtung des Urteils des Gerichtshofs vom (- C-660/20 - [Lufthansa CityLine]) und der dortigen Hinweise am Maßstab des § 4 Abs. 1 TzBfG zu prüfen sein, nachdem die Parteien auch insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme hatten (Klageantrag zu 1.). Dabei werden die Parteien darauf hingewiesen, dass dem Landesarbeitsgericht die Schriftsätze aus dem Revisionsverfahren und dem Vorabentscheidungsverfahren nicht vorliegen. Von weiteren Hinweisen - insbesondere auch zu den Klageanträgen zu 3. bis 5. - sieht der Senat im Hinblick auf die ungeklärte Tariflage ab.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:041224.U.10AZR185.20.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-83659