BGH Beschluss v. - VIa ZR 388/24

Instanzenzug: Az: 8 U 3892/22vorgehend LG Passau Az: 4 O 1068/21

Gründe

I.

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem von ihm erworbenen Wohnmobil Knauss K250/3 R22 in Anspruch. Das Basisfahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten 2,3-Liter-Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet. Der Kläger hat zuletzt in erster Linie den Ersatz des Kaufpreises nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie den Ersatz der Kosten für Ausbauten und zur Finanzierung des Kaufpreises nebst Verzugszinsen, die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Prozesszinsen sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt. Hilfsweise hat er den Ersatz von 15 % des Kaufpreises verlangt.

2Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Gegen den ihm am zugestellten Zurückweisungsbeschluss hat der Kläger am Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Auf seinen Antrag ist die Frist zur Begründung des Rechtsmittels bis zum verlängert worden. Mit am signiertem und beim Bundesgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom hat der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde begründet. Er hat mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz vom die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragt.

3entsprechend § 552 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO

52. Nach dem Vorbringen des Klägers kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auf einem ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines drittinstanzlichen Prozessbevollmächtigten beruht.

6a) Der Kläger hat zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs vorgebracht, sein Prozessbevollmächtigter habe den Schriftsatz zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde rechtzeitig fertiggestellt und sei zur Einreichung des Schriftsatzes per beA am Tag des Fristablaufs imstande gewesen. Auch sei der Ablauf der Rechtsmittelfrist in dessen elektronischem Fristenkalender ordnungsgemäß notiert und noch nicht als erledigt gekennzeichnet gewesen. Die seit drei Jahren mit der elektronischen Fristenkontrolle betraute und diese seither zuverlässig erledigende Kanzleimitarbeiterin sei angewiesen, zu Beginn und am Ende eines jeden Arbeitstags zu ermitteln, ob an diesem Tag eine Frist ablaufe, und in diesem Fall bei dem Prozessbevollmächtigten nachzufragen, was mit der Fristsache geschehen solle. Sie habe die offene Frist und den Fristablauf am bei ihren jeweiligen Blicken in den Fristenkalender jedoch nicht bemerkt. Der Fehler sei erst am Folgetag aufgefallen.

7b) Mit diesem Vortrag kann der Kläger ein Verschulden seines drittinstanzlichen Prozessbevollmächtigten nicht ausräumen. Danach ist nicht ausgeschlossen, dass die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auf einer unzureichenden anwaltlichen Weisung zur Durchführung einer wirksamen Ausgangskontrolle beruht.

8aa) Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und fristgerecht beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen. Zu diesem Zweck hat er seine Ausgangskontrolle so zu organisieren, dass sie einen gestuften Schutz gegen Fristversäumungen bietet (, NJW 2015, 253 Rn. 8 f.; Beschluss vom - IV ZB 30/23, MDR 2024, 1198 Rn. 11).

9 67/23, juris Rn. 15; Beschluss vom - IV ZB 30/23, MDR 2024, 1198 Rn. 12).

10bb) Der Kläger hat weder vorgebracht noch glaubhaft gemacht, dass sein drittinstanzlicher Prozessbevollmächtigter die organisatorischen Abläufe in seiner Kanzlei so organisiert hat, dass eine den vorgenannten Anforderungen genügende Ausgangskontrolle auf der zweiten Stufe stattfindet. Weder seinem Vortrag noch der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der zuständigen Kanzleimitarbeiterin lässt sich entnehmen, dass nach anwaltlicher Weisung abends eine Ausgangskontrolle in der Form stattzufinden hat, dass - über die Überprüfung des Fristenkalenders hinaus - eigenständig und abschließend zu kontrollieren ist, ob ein fristgebundener Schriftsatz tatsächlich gefertigt sowie abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden ist. Bei einer solchen selbstständigen und abschließenden Ausgangskontrolle wäre nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei ansonsten weisungsgemäßem Verhalten der Kanzleimitarbeiterin (vgl. , juris Rn. 19; Beschluss vom - IV ZB 30/23, MDR 2024, 1198 Rn. 15) die offene Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde sowie die fehlende Unterzeichnung und Absendung der gefertigten Beschwerdebegründung aufgefallen (vgl. , juris Rn. 8 f.; Beschluss vom , aaO, Rn. 13 und 15).

11cc) Eines Hinweises gegenüber dem Kläger auf seinen fehlenden Vortrag zur anwaltlichen Anordnung eines allabendlichen Abgleichs des Postausgangs mit dem Fristenkalender bedarf es nicht. Da die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle stellt, einem Rechtsanwalt auch ohne richterlichen Hinweis bekannt sein müssen, erlaubt der Umstand, dass sich der Kläger zu einem solchen Abgleich nicht geäußert hat, ohne weiteres den Schluss darauf, dass eine einsprechende organisatorische Maßnahme gefehlt hat (vgl. , MDR 2024, 1198 Rn. 14; Beschluss vom - III ZB 55/23, juris Rn. 12; vgl. auch  VIa ZB 16/23, juris Rn. 18).

                                                  

                                                   

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:101224BVIAZR388.24.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-82272