Gründe
1I. Streitig ist die Zahlung von Säumniszuschlägen für verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge.
2Der 1956 geborene Versicherte war vom bis zum im Dienste der Deutschen Bundesbahn, einer Rechtsvorgängerin der Klägerin, versicherungsfrei beschäftigt. Um die Nachversicherung durchführen zu können, schrieb die Deutsche Bundesbahn den Versicherten im Dezember 1975 und im April 1976 zweimal erfolglos an und stellte daraufhin die Nachversicherung vorerst zurück. Im September 2019 beantragte der Versicherte die Nachversicherung. Am entrichtete die Klägerin für die Nachversicherung des Versicherten für den Beschäftigungszeitraum Beiträge iHv 6113,11 Euro an die Beklagte. Mit Bescheid vom erhob diese nach Anhörung der Klägerin für die Zeit ab dem bis zum für 299 Monate Säumniszuschläge iHv 12 143,38 Euro. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom ).
3Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom ). Die Berufung der Klägerin hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom ). Die Beklagte sei berechtigt, die festgesetzten Säumniszuschläge durch Verwaltungsakt zu erheben. Die Voraussetzungen des § 24 Abs 1 Satz 1 SGB IV lägen vor. Die Klägerin sei mit der Zahlung der Nachversicherungsbeiträge für den Versicherten säumig gewesen. Die Beiträge seien zumindest seit dem fällig gewesen. Nach § 184 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB VI sei § 24 SGB IV mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Säumnis am begonnen habe. Die Klägerin habe nicht unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt. Vielmehr habe sie mit bedingtem Vorsatz gehandelt, ohne dass ihr eine Exkulpation für ihr Organisationsverschulden möglich sei. Die Säumniszuschläge seien nicht verjährt. Die 30-jährige Frist des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV, die wegen des bedingten Vorsatzes Anwendung finde, sei ausgehend vom Beginn der Säumnis am im Jahr 2019 noch nicht abgelaufen gewesen. Die Geltendmachung des Säumniszuschlags widerspreche auch nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).
4Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Beschwerde beim BSG eingelegt.
5II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Beschwerdebegründung legt einen Revisionszulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 SGG nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dar. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
61. Die Klägerin hat das Vorliegen einer Divergenz nicht ausreichend bezeichnet.
7Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG besteht, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Die Beschwerdebegründung muss daher erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl zB - juris RdNr 20 mwN).
8Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin trägt vor, die Entscheidung des LSG weiche von dem - (BSGE 111, 107 = SozR 4-2600 § 233 Nr 2) sowie von dem - (BSGE 127, 125 = SozR 4-2400 § 24 Nr 8) ab.
9a) Das BSG habe in dem Urteil vom - B 12 R 15/18 R - den Rechtssatz aufgestellt, dass es bei der Frage, welcher Verschuldensmaßstab bei der Beurteilung der positiven Kenntnis der Zahlungspflicht nach § 24 Abs 2 SGB IV zugrunde zu legen sei, nicht auf § 276 BGB ankomme. Im Rahmen des Haftungssystems des § 24 SGB IV bestehe vielmehr ein eigenständiger Verschuldensmaßstab, der Fahrlässigkeit ausschließe. Hingegen habe das LSG bei der Anwendung des § 24 SGB IV ausdrücklich den Rechtssatz aufgestellt, dass es bei der Beurteilung auf den in § 276 BGB festgesetzten Verschuldensmaßstab ankomme. Hierin sei eine Abweichung zu sehen, auf der das Urteil des LSG auch beruhe.
10Die Klägerin versäumt es bereits, sich mit der vom 12. Senat vorgenommenen Abgrenzung der Voraussetzungen einer unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht im Rahmen des § 24 Abs 2 SGB IV je nach der zugrundeliegenden Rechtsfrage auseinanderzusetzen (vgl - BSGE 127, 125 = SozR 4-2400 § 24 Nr 8, RdNr 19: Statuszuordnung oder Nachversicherung). Zudem geht die Klägerin nicht darauf ein, dass das LSG einen bedingten Vorsatz der Klägerin bejaht hat und mithin selbst bei Zugrundelegung des vom 12. Senat des BSG entwickelten eigenständigen Verschuldensmaßstabs die Voraussetzungen einer Exkulpation nach § 24 Abs 2 SGB IV nicht gegeben wären. Dass die Klägerin der Auffassung ist, dass sich in ihrem Fall allenfalls ein Fahrlässigkeitsvorwurf begründen lasse, vermag eine Divergenz nicht zu begründen. Ob das LSG die Sache richtig entschieden hat, ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde.
11b) Zur Begründung einer Abweichung vom Urteil des Senats vom - B 5 R 88/11 R - trägt die Klägerin vor, es gehe um die Frage, ob auf Säumniszuschläge für verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge, die vor dem fällig geworden seien, die Regelung des § 24 Abs 1 SGB IV oder aber des Art II § 14 SGB IV iVm § 397a RVO anzuwenden sei. Hinsichtlich der Verjährung gehe es darum, ob für Säumniszuschläge für verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge die Regelung des § 25 Abs 1 SGB IV oder aber diejenige des Art II § 15 SGB IV (BGBl I 1976, 3845, 3869) iVm § 29 RVO gelte. Das BSG habe in seiner Entscheidung den Rechtssatz aufgestellt, dass Art II § 15 SGB IV weiterhin Geltung habe, obwohl die Vorschrift im Jahr 2012 schon seit mehr als zehn Jahren (vgl Art 67 Nr 2 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom - BGBl I 1983) außer Kraft gesetzt gewesen sei. Im Gegensatz hierzu habe das LSG den Rechtssatz aufgestellt, dass auf Säumniszuschläge für verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge die Regelungen der §§ 24, 25 SGB IV anzuwenden seien. Die Entscheidung des BSG sei dem LSG auch bekannt gewesen, was sich aus dem Umstand zeige, dass es sich bei der Frage des Organisationsverschuldens ausdrücklich auf das Urteil bezogen habe. Art II § 14 SGB IV habe das BSG in seiner Entscheidung zwar nicht explizit genannt. Durch die Anwendung des Art II § 15 SGB IV im Jahre 2012 - ohne dies näher zu begründen oder in Frage zu stellen - habe es aber implizit auch die Anwendung des Art II § 14 SGB IV über den Zeitpunkt seines Außerkrafttretens im Jahre 2001 hinaus bejaht. Das LSG gehe hingegen davon aus, dass die Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV zu erheben gewesen seien.
12Damit hat die Klägerin eine Divergenz nicht hinreichend aufgezeigt. Aus ihrem Vortrag ergibt sich nicht, dass das Tatsachengericht einen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung divergierenden Rechtssatz aufgestellt hat. Das LSG hat sich - so auch das Vorbringen der Klägerin - vielmehr mit dem rechtlichen Ansatz des BSG in dem genannten Urteil, das den Grundsätzen des intertemporalen Rechts folgt, überhaupt nicht auseinandergesetzt. Indem es auf die Ausführungen des SG verwiesen hat, hat es sich dessen Auffassung zu eigen gemacht, dass Art II § 14 SGB IV im Hinblick auf seine Aufhebung im Jahr 2001 nicht mehr anzuwenden sei. Dass nach Art II §§ 14 und 15 SGB IVein Anspruch auf Säumniszuschläge verjährt und §§ 24, 25 SGB IV daher nicht mehr anwendbar sein könnten, hat das LSG nicht erwogen. Der von der Klägerin herausgestellte Umstand, dass das LSG das an anderer Stelle zitiert, verdeutlicht, dass der Senat sich im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesehen und die dortigen Ausführungen zur Verjährung eines Anspruchs auf Nachversicherungsbeiträge hier nicht für einschlägig gehalten hat. Eine zulässige Rüge der Divergenz setzt indes die Darlegung eines Widerspruchs im Grundsätzlichen voraus. Dagegen genügt nicht ein Rechtsirrtum im Einzelfall, wie zB Missverstehen, fehlerhafte Subsumtion, unzutreffende Beurteilung oder Übersehen einer Rechtsfrage oder einer gesetzlichen Vorschrift, die das Revisionsgericht angewendet hat (stRspr; vgl zB - juris RdNr 6; vgl auch B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160 RdNr 14 mwN aus der Rspr des BSG). Im Kern ihres Vorbringens rügt die Klägerin eine unrichtige Rechtsanwendung durch das LSG. Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden.
132. Ebenso erfüllt die Beschwerdebegründung die Darlegungserfordernisse für den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht.
14Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig ist (Klärungsfähigkeit). In der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten revisiblen Norm iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (s etwa - juris RdNr 12 mwN).
15Die Klägerin bezeichnet bereits keine Rechtsfrage, die sie als grundsätzlich bedeutsam hält. Eine solche Rechtsfrage muss eine vom Einzelfall losgelöste (abstrakt-generelle) Frage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Vorschrift (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht aufwerfen (stRspr; zB Beschluss vom - B 5 R 83/22 B - juris RdNr 11). Soweit es der Klägerin erkennbar darum geht, ob für noch nicht entrichtete Nachversicherungsbeiträge, die vor dem fällig geworden sind, die Übergangsregelung des Art II § 14 SGB IV und damit die Vorschrift des § 397a RVO Anwendung finden muss, zeigt sie im Übrigen auch keinen (abstrakten) Klärungsbedarf auf.
16An die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit im Rahmen der Grundsatzrüge bestehen besondere Anforderungen, wenn ausgelaufenes Recht betroffen ist. Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht kann eine Klärungsbedürftigkeit nur anerkannt werden, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage dieses ausgelaufenen Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat. Eine Fortwirkung kann insbesondere dann vorliegen, wenn an die Stelle der bisherigen Regelung eine inhaltsgleiche getreten ist oder die bisherige Regelung im Wortlaut beibehalten und nur formal neu geschaffen wurde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist, wenn sie nicht offensichtlich erfüllt sind, in der Beschwerdebegründung darzulegen (vgl zB - juris RdNr 7 mwN; - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 10 mwN). Solche Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Vielmehr beschränkt sie sich darauf, dass, soweit keine Abweichung in Bezug auf das - angenommen werde, die Rechtsfrage bisher - zumindest explizit - höchstrichterlich noch nicht beantwortet und von grundsätzlicher Bedeutung sei.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:021024BB5R4124B0
Fundstelle(n):
JAAAJ-80787