BSG Beschluss v. - B 7 AS 49/24 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Urteilsinhalt - Entscheidungsgründe - Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Pflicht zur Urteilsbegründung

Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG

Instanzenzug: Az: S 42 AS 2009/18 Urteilvorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Az: L 27 AS 368/22 Urteil

Gründe

1Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG), weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht in der gebotenen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

2Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

3Die Klägerin rügt als Verfahrensmängel die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG iVm Art 103 Abs 1 GG) und der Pflicht, das Urteil zu begründen (§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG).

4Zum behaupteten Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör wird mit der Beschwerdebegründung vorgebracht, beide Argumente, auf die die Berufung gestützt worden sei, seien vom Gericht nicht bzw nicht hinreichend beachtet worden. Damit allein ist die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht dargetan.

5Der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art 103 Abs 1 GG, der für das sozialgerichtliche Verfahren einfachgesetzlich in § 62 SGG verankert ist, verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht diese Maßstäbe auch erfüllt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist indes verletzt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass ein Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe hat das Gericht eine gewisse Freiheit ( - juris RdNr 20, 21). Es ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Es braucht vielmehr nur auf das für das Verfahren wesentliche und nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Vorbringen einzugehen und darf dabei auch rechtliche Ausführungen unerwähnt lassen, die nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich sind (vgl - juris RdNr 17 mwN). Diese Maßstäbe gibt die Beschwerdebegründung zwar wieder. Auch legt die Klägerin dar, dass eine Mietkaution als Zuschuss zu übernehmen sei, wenn angesichts der mit der Darlehensgewährung verbundenen Rückzahlungspflicht und der zugleich erfolgten Sicherung des Rückzahlungsanspruchs durch Abtretung (vgl dazu - BSGE 127, 63 = SozR 4-4200 § 42a Nr 2, RdNr 31 ff) eine Übersicherung des Beklagten eingetreten sei. Ihre Darlegungen enthalten aber keine Ausführungen dazu, warum das LSG - von seiner maßgeblichen Rechtsauffassung aus - dieses Vorbringen hätte würdigen müssen. Das gilt auch für das zweite Argument der Klägerin, eine Übernahme der Kaution für die neue Wohnung komme nur als Zuschuss in Betracht, weil das beklagte Jobcenter wegen von ihr unberechtigt vorgenommener Mietminderungen, die zur Kündigung des Wohnraums geführt hätten, Geld zu ihren Lasten eingespart habe. Letztlich geht es der Klägerin bei ihrem zweiten Argument nicht um unterschiedliche Rechtsstandpunkte zur Definition des Merkmals der Atypik, sondern um die Subsumtion des von ihr als maßgeblich erachteten Sachverhalts unter dieses Merkmal, weil eine Mietkaution nur in einer atypischen Situationen - die sie hier für gegeben erachtet - als Zuschuss erbracht werden kann. Damit erhebt die Klägerin die Rüge der Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG, die im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg führen kann.

6Soweit die Klägerin rügt, das LSG sei seiner Begründungspflicht nicht hinreichend nachgekommen (§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG), bezeichnet sie auch diesen Verfahrensmangel in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend. Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandelt oder wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und zum tatsächlichen Geschehen aus der Sicht eines Dritten falsch, oberflächlich oder nur wenig überzeugend sein sollten. Vom Fehlen der Entscheidungsgründe ist nur auszugehen, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst derart unbrauchbar sind, dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Entscheidungstenor zu tragen, oder wenn die angeführten Gründe verworren sind oder nur nichtssagende Redensarten enthalten oder zu einer von einem Beteiligten aufgeworfenen, eingehend begründeten und für die Entscheidung nach Ansicht des Gerichts erheblichen Rechtsfrage nur angeführt wird, dass diese Auffassung nicht zutreffe ( - juris RdNr 11 mwN). Wird die Nichtbefassung der Entscheidungsgründe mit der Argumentation eines Beteiligten gerügt, überschneiden sich die Maßstäbe der Rüge der Verletzung von § 136 Abs 1 Nr 6 SGG und Art 103 Abs 1, § 62 SGG. Insoweit ist Kern des Vorbringens, das Gericht habe das Vorbringen eines Beteiligten nicht ausreichend berücksichtigt (Art 103 Abs 1, § 62 SGG), was in fehlenden Ausführungen im Urteil zum Ausdruck komme (§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG). Hier fehlt es bereits an der hinreichenden Bezeichnung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil sich die Beschwerdebegründung nicht damit auseinandersetzt, dass das vorinstanzliche Vorbringen der Klägerin aus Sicht des LSG entscheidungserheblich gewesen sein muss.

7Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:111124BB7AS4924B0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-80786