BGH Urteil v. - VIa ZR 989/22

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 16 U 258/20vorgehend LG Frankfurt Az: 2-12 O 102/20

Tatbestand

1 Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2 Er erwarb im September 2014 - teilweise darlehensfinanziert - bei einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Mercedes-Benz C 220 BlueTEC, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgestattet ist. Das Abgasreinigungssystem des Fahrzeugs ist unter anderem mit einem sogenannten Thermofenster und einem SCR-Katalysator versehen. Der Kläger behauptet den Einbau verschiedener (unzulässiger) Abschalteinrichtungen und verlangt von der Beklagten im Wesentlichen, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Er hat unter Anrechnung von Nutzungsvorteilen zuletzt Zahlung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Berufungsanträge weiter.

Gründe

3Die Revision des Klägers hat Erfolg.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Ein Anspruch gemäß §§ 826, 31 BGB bestehe nicht. Das Vorbringen des Klägers rechtfertige nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit. Hinsichtlich des Thermofensters fehle es an hinreichender Darlegung dazu, dass es auf die Prüfbedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) zugeschnitten sei. Auch hinsichtlich der weiteren genannten Einrichtungen fehlten Umstände, aus denen sich eine besondere Verwerflichkeit ergeben könnte. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV sei gleichfalls nicht gegeben. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liege nicht im Aufgabenbereich der Normen der EG-FGV.

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6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 29 bis 32).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

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10Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO (vgl. zur Aufhebung der Kostenentscheidung , NJW 2010, 2053 Rn. 17). Dem Berufungsurteil sind entgegen der Auffassung der Beklagten keine Feststellungen zu entnehmen, auf deren Grundlage die Erwerbskausalität verneint werden kann (vgl. dazu VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 55 f.). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

11die erforderlichen

                                                  

                                              

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:261124UVIAZR989.22.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-80559