Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - Betriebsweg - sachlicher Zusammenhang - objektivierte Handlungstendenz - betriebliches Interesse - Erhaltung und Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit - Arbeitsgerät - arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Besorgung von Ersatzbatterien für ein Hörgerät - Fahrdienstleiter
Gesetze: § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7, § 8 Abs 1 S 1 SGB 7, § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7, § 8 Abs 2 Nr 5 SGB 7
Instanzenzug: Az: S 2 U 10/20 Urteilvorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Az: L 3 U 148/20 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin bei der Beschaffung von Ersatzbatterien für ihr Hörgerät einen Arbeitsunfall erlitten hat.
2Die Klägerin war bei der D als Fahrdienstleiterin beschäftigt. Wegen verminderten Hörvermögens trug sie im Dienst Hörgeräte. Hierzu sowie zum Mitführen von Ersatzbatterien war sie durch eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag verpflichtet.
3Am Unfalltag () wollte die Klägerin vor Dienstbeginn um 14:00 Uhr neue Ersatzbatterien bei ihrem Hörgeräteakustiker besorgen, nachdem sie wegen eines Batteriewechsels während des Spätdienstes am Vortag keine Ersatzbatterien mehr hatte. Dazu verließ sie den Zug, den sie um 10:15 Uhr von ihrem Wohnort (B1) in Richtung Arbeitsstätte (B2) genommen hatte, bereits am Bahnhof des Nachbarortes (F). Vor dem dort gelegenen Geschäft des Hörgeräteakustikers stürzte sie auf dem Fußweg gegen 11:00 Uhr und erlitt Frakturen, die operativ versorgt werden mussten.
4Die Beklagte lehnte es ab, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen, weil sich die Klägerin im Unfallzeitpunkt auf einem unversicherten Abweg befunden habe und der beabsichtigte Kauf der Ersatzbatterien eine eigenwirtschaftliche Verrichtung gewesen sei (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ). Der hiergegen erhobenen Klage hat das SG stattgegeben und festgestellt, dass die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat, weil es sich bei der Besorgung der Batterien für das Hörgerät um eine unter Versicherungsschutz stehende Ersatzbeschaffung für verbrauchtes Arbeitsgerät gehandelt habe (Urteil vom ). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Hörgeräte der Klägerin seien bereits keine Arbeitsgeräte, weil sie ihrer Zweckbestimmung nach nicht hauptsächlich für die Tätigkeit als Fahrdienstleiterin gebraucht worden seien. Ebenso wenig habe die Klägerin einen Wegeunfall erlitten. Weder habe sie sich im Unfallzeitpunkt auf dem direkten Weg von ihrem Wohnort zur Arbeitsstelle befunden noch habe in zeitlicher Hinsicht ein Zurechnungszusammenhang mit der Arbeitsaufnahme bestanden. Sie habe ihre Wohnung bereits um 10:10 Uhr verlassen, um den Spätdienst um 14:00 Uhr anzutreten, woraus sich bei einer Fahrdauer von höchstens 1,25 Stunden ein Zeitfenster von deutlich mehr als zwei Stunden für private Verrichtungen ergebe. Die Besorgung von Ersatzbatterien für das Hörgerät stelle selbst unter Berücksichtigung der Zusatzabrede zum Arbeitsvertrag keine betriebsbezogene Verrichtung dar. Andernfalls könnte der gesetzliche Unfallversicherungsschutz durch Statuierung von Nebenpflichten, die die private Lebensführung beträfen, kaum noch kontrollierbar auf grundsätzlich nicht versicherte allgemeine Vorbereitungshandlungen ausgeweitet werden. Ein Ausnahmefall, in dem eine Vorbereitungshandlung unter Versicherungsschutz stehe, sei nicht deshalb gegeben, weil am Vortag des Unfalls während der Spätschicht ein unerwarteter Batteriewechsel erforderlich geworden sei und Ersatzbatterien erst am Vormittag des Unfalltages hätten besorgt werden können.
5Hiergegen richtet sich die Klägerin mit der Revision. Für ihren privaten Bereich hätte sie auf den Kauf der Ersatzbatterien am Unfalltag verzichtet. Sie habe diese erwerben müssen, weil sie aufgrund der Vereinbarung ohne Ersatzbatterien nicht ihren Arbeitsplatz habe aufsuchen dürfen.
6Die Klägerin beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom zurückzuweisen.
7Die Beklagte beantragt,die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
8Für den Weg zum Einkauf der Ersatzbatterien für die Hörgeräte hätten betriebsbedingte Gründe nicht insoweit im Vordergrund gestanden, dass aus der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag ein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz erwachsen könnte.
Gründe
9Die Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG) und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Zu Unrecht hat das LSG das zusprechende Urteil des SG aufgehoben und die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 3, § 56 SGG) der Klägerin abgewiesen. Denn die Klägerin hat Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom als Arbeitsunfall.
10Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt (Unfallkausalität) und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; stRspr; vgl zB - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 2 Nr 64 vorgesehen - juris RdNr 13, vom - B 2 U 14/20 R - BSGE 135, 155 = SozR 4-2700 § 2 Nr 60, RdNr 10, vom - B 2 U 4/21 R - BSGE 133, 180 = SozR 4-2700 § 8 Nr 78, RdNr 12 und vom - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 20, jeweils mwN). Unerheblich ist, ob die Verletzung den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität; stRspr; zB - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 15 mwN).
11Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat einen "Unfall" als "Versicherte" (dazu 1.) infolge einer Tätigkeit erlitten, die zwar nicht nach § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII (dazu 2.) oder nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII (dazu 3.) versichert war, aber als Betriebsweg nach § 8 Abs 1 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII unter Versicherungsschutz stand (dazu 4).
121. Die Klägerin erlitt am einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII, als sie vor dem Geschäft ihres Hörgeräteakustikers auf dem Fußweg stürzte und sich dabei Verletzungen zuzog. Im Zeitpunkt des Unfalls war die Klägerin als Beschäftigte iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII grundsätzlich gesetzlich unfallversichert. Für den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung ist allerdings nicht der Status als Beschäftigter entscheidend, sondern die tatsächliche Verrichtung als Beschäftigter im Zeitpunkt des Unfalls ( - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 25 f).
132. Die von der Klägerin im Unfallzeitpunkt verrichtete Tätigkeit, das Besorgen von Ersatzbatterien für ihre Hörgeräte, stand - wie das LSG zu Recht erkannt hat - nicht nach § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII unter Versicherungsschutz. Nach dieser Vorschrift ist auch das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts versichert. Bei dem Hörgerät der Klägerin handelt es sich indes nicht um ein Arbeitsgerät iS des § 8 Abs 2 Nr 5 SGB VII. Hierunter ist jeder Gegenstand zu verstehen, der seiner Zweckbestimmung nach zur Erledigung einer versicherten Tätigkeit geeignet ist und hauptsächlich genutzt wird ( - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 32, vom - B 2 U 26/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 5 RdNr 15, vom - 2 RU 6/89 - BSGE 65, 210, 211 = SozR 2200 § 549 Nr 10 S 29 f, vom - 2 RU 77/75 - BSGE 41, 102, 105 f = SozR 2200 § 549 Nr 3 S 11 f und vom - 2 RU 45/65 - BSGE 24, 243, 246 = SozR Nr 59 zu § 543 RVO aF). Dies trifft nicht nur auf Gegenstände zu, die ihrer Zweckbestimmung nach als typische Arbeitsgeräte in Betracht kommen, sondern ebenso auf Sachen, die auch zu anderen Zwecken als zur Arbeit benutzt werden und deshalb nicht schon ihrer Natur nach als Arbeitsgerät anzusehen sind. Entscheidend ist, dass der Gegenstand im Verhältnis zur gesamten Verwendung hauptsächlich zur Verrichtung der versicherten Tätigkeit gebraucht wird ( - SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 28, vom - 2 RU 41/91 - SozR 3-2200 § 549 Nr 1 S 2 und vom - 2 RU 6/89 - BSGE 65, 210, 211 = SozR 2200 § 549 Nr 10 S 30). Dabei verlangt eine hauptsächliche betriebliche Nutzung - anders als es in dem angefochtenen Urteil anklingt - keinen nahezu ausschließlichen, sondern nur einen erheblich überwiegenden Gebrauch für die versicherte Tätigkeit (Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, 6. Ergänzungslieferung 2024, § 8 SGB VII RdNr 48 mwN). Ausgehend hiervon handelt es sich bei den Hörgeräten der Klägerin um keine Arbeitsgeräte, die durch das Besorgen von Ersatzbatterien hätten in Stand gehalten werden können (zum Begriff des Instandhaltens: Wagner in jurisPK-SGB VII, 3. Aufl 2022, § 8 RdNr 263, Stand ). Denn nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat die Klägerin die Hörgeräte im Unfallzeitpunkt nicht hauptsächlich für die versicherte Tätigkeit als Fahrdienstleiterin gebraucht, sondern sie nicht unerheblich auch privat genutzt und damit für betriebsfremde Zwecke eingesetzt.
143. Die Klägerin befand sich - wie das LSG ebenfalls zutreffend entschieden hat - im Unfallzeitpunkt nicht auf einem nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Arbeitsweg.
15§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII bezieht bestimmte Wege - nämlich solche nach und von dem Ort der nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII versicherten Tätigkeit - in den Unfallversicherungsschutz ein. Dabei kennzeichnet die Formulierung "des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges" in § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII den erforderlichen sachlichen Zusammenhang zwischen der "eigentlich" versicherten Haupttätigkeit, die nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII unter Versicherungsschutz steht, und denjenigen Wegen, die der Haupttätigkeit vorausgehen oder sich ihr anschließen. Der Wegeunfallversicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII setzt mithin voraus, dass die versicherte Haupttätigkeit und das Zurücklegen des Weges miteinander verknüpft sind, was der Fall ist, soweit und solange der Weg mit der Aufnahme oder der Beendigung der Haupttätigkeit bei wertender Betrachtung verbunden ist ( - BSGE 134, 203 = SozR 4-2700 § 8 Nr 82, RdNr 14). Der sachliche Zusammenhang mit der versicherten Haupttätigkeit liegt vor, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit zu deren Aufnahme oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen, wobei die darauf gerichtete Handlungstendenz durch die objektiven Umstände bestätigt werden muss ( - SozR 4-1300 § 48 Nr 42 RdNr 22). Der sachliche Zusammenhang besteht nicht mehr, soweit und solange der Versicherte auf einem solchermaßen versicherten Weg eine anderen Zwecken dienende, mehr als nur geringfügige Verrichtung einschiebt. Tut er dies, führt das zu einer Unterbrechung des versicherten Arbeitsweges und des damit zusammenhängenden Unfallversicherungsschutzes ( - BSGE 134, 203 = SozR 4-2700 § 8 Nr 82, RdNr 22, vom - B 2 U 3/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 64 RdNr 15 und vom - B 2 U 11/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 62, RdNr 15).
16Nach diesen Maßstäben war die Klägerin im Unfallzeitpunkt nicht nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versichert. Denn sie hatte vor dem Unfall den ursprünglich eingeschlagenen Weg zu ihrer Arbeitsstätte am Bahnhof des Nachbarortes unterbrochen, um das Geschäft ihres Hörgeräteakustikers aufzusuchen. Damit war nach den Feststellungen des LSG die objektivierte Handlungstendenz der Klägerin im Unfallzeitpunkt bei wertender Betrachtung nicht auf die Erreichung ihres Arbeitsplatzes gerichtet, womit ein Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII ausscheidet.
17Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weiteren Vertiefung, ob - wie das LSG meint - die Klägerin auch in zeitlicher Hinsicht nicht unter dem Unfallversicherungsschutz des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII gestanden hat, weil auf dem von ihr am Unfalltag gewählten Arbeitsweg ein Zeitfenster von zwischen 2,35 bis über 2,50 Stunden für andere Verrichtungen bestanden habe. Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung des BSG Unterbrechungen von mehr als zwei Stunden zu einem Erlöschen des Wegeunfallversicherungsschutzes führen ( - BSGE 134, 203 = SozR 4-2700 § 8 Nr 82, RdNr 18, vom - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 24, vom - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 24, vom - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 17, vom - B 2 U 40/97 R - BSGE 82, 138, 141 f = SozR 3-2200 § 550 Nr 18 S 73 f, vom - 2 RU 79/82 - BSGE 55, 141, 143 = SozR 2200 § 550 Nr 55 S 139 und vom - 2 RU 147/75 - SozR 2200 § 550 Nr 12 S 24 f). Soweit in der Rechtsprechung des BSG angenommen wurde, dass mehrere Unterbrechungen zusammengerechnet die insgesamt zwei Stunden nicht überschreiten dürfen (Urteile vom - 2 RU 30/84 - SozR 2200 § 550 Nr 70 S 180, vom - 2 RU 32/81 - juris RdNr 21 und vom - 8 RU 42/76 - SozR 2200 § 550 Nr 27 S 64), war dies indes bisher nicht entscheidungserheblich.
184. Die Klägerin hat allerdings - anders als das LSG annimmt - zum Unfallzeitpunkt einen versicherten Betriebsweg (§ 8 Abs 1 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) zurückgelegt.
19Betriebswege sind Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, die Teil der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen. Sie werden im unmittelbaren Betriebsinteresse wahrgenommen und unterscheiden sich von Arbeitswegen iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII dadurch, dass sie der versicherten Tätigkeit nicht lediglich vorausgehen oder sich ihr anschließen. Sie sind nicht auf das Betriebsgelände beschränkt, sondern können auch außerhalb der Betriebsstätte anfallen (stRspr; zB - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 37, vom - B 2 U 14/20 R - BSGE 135, 155 = SozR 4-2700 § 2 Nr 60, RdNr 39 und vom - B 2 U 19/18 R - BSGE 130, 25 = SozR 4-1300 § 105 Nr 8, RdNr 15).
20Ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist - wie auch sonst - wertend zu ermitteln, wobei maßgebender Zurechnungsgesichtspunkt die objektivierte Handlungstendenz ist ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 37, vom - B 2 U 7/17 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 66 RdNr 11 und vom - B 2 U 39/99 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 3 RdNr 18). Der sachliche Zusammenhang zwischen der konkret unfallbringenden Verrichtung und der versicherten Tätigkeit im Rahmen einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII besteht jedenfalls dann, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 21, vom - B 2 U 8/20 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 58 RdNr 15, vom - B 2 U 15/19 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 77 RdNr 14 und vom - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20 RdNr 27 ff).
21Diese rechtlichen Maßstäbe zugrunde gelegt, ist im vorliegenden Fall der sachliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit zu bejahen, weil die Klägerin bei der Besorgung der Ersatzbatterien zur Erfüllung einer sich aus ihrem Beschäftigungsverhältnis ergebenden Nebenpflicht handelte. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war die als Fahrdienstleiterin beschäftigte Klägerin durch eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag nicht nur verpflichtet, im Dienst funktionstüchtige Hörgeräte zu tragen, und durfte bei Ausfall eines oder beider Hörgeräte die Arbeit nicht beginnen oder musste sie sofort abbrechen. Vielmehr war die Klägerin auch verpflichtet, verbrauchte Hörgerätebatterien unverzüglich auszutauschen und zu diesem Zweck immer die erforderlichen Ersatzbatterien mitzuführen. Hieraus ergab sich am Unfalltag eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Besorgung von Ersatzbatterien, nachdem die Klägerin während des Spätdienstes am Vortag ihren Vorrat aufgebraucht hatte. Auf die Erfüllung dieser Nebenpflicht war die Handlungstendenz der Klägerin im Unfallzeitpunkt gerichtet. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass dann, wenn ein Beschäftigter zur Erfüllung einer sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Haupt- oder Nebenpflicht handelt, der innere Zusammenhang mit seiner nach § 8 Abs 1 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherten Tätigkeit unmittelbar zu bejahen ist ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 22 und vom - B 2 U 8/20 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 58 RdNr 13; dahingehend bereits - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 43 ff).
22Dem steht nicht entgegen, dass es das jeweilige Unternehmen und seine Beschäftigten nicht in der Hand haben darüber zu bestimmen, welche Verrichtungen in sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Dies ist objektiv auf der Grundlage des konkret zustande gekommenen Beschäftigungsverhältnisses, des tatsächlichen Geschehens und nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils die Unfallversicherung begründenden Norm zu beurteilen ( - SozR 4-2700 § 2 Nr 58 RdNr 27). Dieser Gedanke betrifft in erster Linie die von der Rechtsprechung anerkannten Erweiterungen des Versicherungsschutzes (zB bei Betriebssport und betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen), bei denen ohnehin weitere Anforderungen an den sachlichen Zusammenhang zu stellen sind (BSG aaO RdNr 13). Auch wenn Unternehmer und Beschäftigte es nicht in der Hand haben, unmittelbar über den Umfang des Unfallversicherungsschutzes zu bestimmen, kann das Beschäftigungsverhältnis im Rahmen des rechtlich Zulässigen durch arbeitsvertragliche Vereinbarungen gestaltet werden, welche mittelbare Auswirkungen auf den Unfallversicherungsschutz haben können. Denn der Inhalt des Beschäftigungsverhältnisses bestimmt sich nach den entsprechenden Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien, und nach dem Inhalt des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses richtet sich der Umfang des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII.
23Entgegen dem LSG ist die ausdrücklich arbeitsvertraglich vereinbarte Nebenpflicht zur Besorgung von Ersatzbatterien nicht deshalb unbeachtlich, weil Verrichtungen zur Erhaltung oder Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit eines Beschäftigten grundsätzlich dessen persönlichem Lebensbereich und nicht der versicherten Tätigkeit wertend zuzuordnen sind (so für die Reparatur von Hilfsmitteln - juris RdNr 14, für gesundheitsfördernde Maßnahmen - BSGE 134, 203 = SozR 4-2700 § 8 Nr 82, RdNr 20 und vom - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 14, für Essen und Trinken - juris RdNr 14). Das bedeutet indes nicht, dass es ausgeschlossen ist, diesbezüglich mit Wirkung für den Inhalt des Beschäftigungsverhältnisses und damit auch für den daran anknüpfenden Unfallversicherungsschutz arbeitsvertragliche Verpflichtungen zu begründen (siehe nur - BSGE 134, 203 = SozR 4-2700 § 8 Nr 82, RdNr 20). Lediglich missbräuchliche Vertragsgestaltungen allein zur Erlangung von Unfallversicherungsschutz überschreiten den Rahmen des rechtlich Zulässigen. Innerhalb dieses Rahmens bewegen sich aber arbeitsvertragliche Verpflichtungen, die - wie hier - aufgrund der besonderen Anforderungen der eigentlichen Arbeitsleistung des Beschäftigten an dessen Leistungsvermögen - hier an das Hörvermögen von Fahrdienstleitern - nachvollziehbar sind (Mülheims, DGUV-Forum 7-8/2022, S 36).
24Nichts anderes folgt daraus, dass Vorbereitungshandlungen in der Regel nicht versichert sind ( - BSGE 130, 25 = SozR 4-1300 § 105 Nr 8, RdNr 33, vom - B 2 U 3/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 64 RdNr 17, vom - B 2 U 27/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 45 RdNr 20 und vom - B 2 U 26/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 5 RdNr 16). Vorbereitungshandlungen sind Maßnahmen, die einer versicherten Tätigkeit vorangehen und ihre Durchführung erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung für solche Handlungen ist grundsätzlich auf diejenigen Verrichtungen beschränkt, die das Gesetz selbst ausdrücklich nennt. Andere Vorbereitungshandlungen sind grundsätzlich dem privaten Risikobereich des Versicherten zugeordnet und nur ausnahmsweise versichert, wenn ein besonders enger sachlicher, örtlicher und zeitlicher Bezug zur versicherten Tätigkeit gegeben ist, der die Vorbereitungshandlung nach den Gesamtumständen selbst bereits als Bestandteil der versicherten Tätigkeit erscheinen lässt ( - BSGE 130, 25 = SozR 4-1300 § 105 Nr 8, RdNr 33 mwN). Dies bedeutet indes nicht, dass die Arbeitsvertragsparteien Maßnahmen, die die versicherte Haupttätigkeit ermöglichen sollen, nicht über arbeitsvertragliche Vereinbarungen zum Inhalt des Beschäftigungsverhältnisses machen dürfen. Ist dies - wie hier - der Fall, liegt schon begrifflich keine Vorbereitungshandlung mehr vor.
25Zu keinem anderen Ergebnis führt schließlich der Umstand, dass nach den Feststellungen des LSG der Kauf von Ersatzbatterien auch privat motiviert war. Denn eine konkrete Verrichtung mit einer gespaltenen, nämlich sowohl versicherungsbezogenen als auch privaten Handlungstendenz steht dann im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn sie hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre ( - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - juris RdNr 18, vom - B 2 U 16/20 R - BSGE 134, 203 = SozR 4-2700 § 8 Nr 82, RdNr 16 und vom - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 20 ff). Dies ist hier zu bejahen, weil die Besorgung von Ersatzbatterien vor Dienstantritt am Unfalltag gerade zur Erfüllung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht erfolgte.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:270624UB2U822R0
Fundstelle(n):
LAAAJ-79856