BGH Urteil v. - VIa ZR 346/21

Instanzenzug: Az: I-34 U 203/20vorgehend LG Essen Az: 12 O 144/19

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im März 2017 von der Beklagten einen von ihr hergestellten gebrauchten Mercedes-Benz CLA 220 d, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Den Kaufpreis finanzierte er teilweise durch ein Darlehen.

2Der Kläger hat die Beklagte unter dem Gesichtspunkt eines gewährleistungsrechtlich gerechtfertigten Rücktritts vom Kaufvertrag und unter dem Gesichtspunkt seiner deliktischen Schädigung wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs in Anspruch genommen. Er hat zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 13.741,56 € nebst Verzugszinsen und Freistellung von offenen Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs und Übertragung des ihm gegenüber der finanzierenden Bank zustehenden Anwartschaftsrechts auf Übereignung des Fahrzeugs zu verurteilen. Wegen einer ursprünglich höheren Forderung hat er den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt. Ferner hat der Kläger die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie hinsichtlich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten teils Erstattung nebst Zinsen und teils Freistellung begehrt.

3 Schlussanträge aus der Berufungsinstanz weiter, .

Gründe

4Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:

6Ein Anspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB bestehe nicht. Für keine der von ihm vorgetragenen Abschalteinrichtungen lasse sich eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung auf Seiten der Beklagten feststellen. Der Kläger habe greifbare Anhaltspunkte weder für die Verwendung einer Prüfstandserkennung noch dafür vorgetragen, dass die Beklagte eine unzulässige Abschalteinrichtung gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt verschleiert habe.

7Dem Kläger stehe gegen die Beklagte auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV zu. Ein solcher Anspruch scheide bereits wegen des fehlenden Drittschutzes der Norm aus. Es sei nicht ersichtlich, dass der Schutz des Vermögens des Erwerbers eines Kraftfahrzeugs im Aufgabenbereich der Vorschrift liege oder aber aus deren Auslegung unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Richtlinie 2007/46/EG folge.

II.

8Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

91. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB abgelehnt hat. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur , juris Rn. 12 f.; Urteil vom - VIa ZR 535/21, WM 2024, 40 Rn. 10 ff.; Urteil vom - VIa ZR 1012/22, juris Rn. 11) hat es eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des Klägers verneint, weil es den Vortrag des Klägers zur Verwendung einer prüfstandsbezogenen Abschalteinrichtung als prozessual unbeachtlich angesehen und einen bewussten Gesetzesverstoß in Bezug auf die - insoweit unterstellte - Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen nicht festgestellt hat. Die darauf bezogenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

102. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 29 bis 32).

11Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

12Der angefochtene Beschluss ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 ZPO, weil er sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

13die erforderlichen

                                

                                       

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:301024UVIAZR346.21.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-79273