Leitsatz
1. Zur Auskunftserteilung und Belegvorlage im Zugewinnausgleichsverfahren, wenn der auskunftspflichtige Ehegatte als selbständiger Rechtsanwalt und Notar tätig ist.
2. Eine vom Auskunftspflichtigen erstellte Liste, in der zu einem Stichtag noch offene Forderungen ausgewiesen sind, ist Bestandteil der Auskunftsverpflichtung nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB und kein Beleg im Sinne von § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Gesetze: § 260 Abs 1 S 1 BGB, § 1379 Abs 1 S 1 BGB, § 1379 Abs 1 S 2 BGB
Instanzenzug: Az: II-13 UF 124/22 Beschlussvorgehend Az: 57 F 122/18
Gründe
A.
1Die Beteiligten machen im Rahmen eines Scheidungsverbundverfahrens wechselseitig Zugewinnausgleichsansprüche im Wege von Stufenanträgen geltend, wobei sie im Rechtsbeschwerdeverfahren nur über den Umfang der Verpflichtung des Antragstellers zur Auskunftserteilung und Belegvorlage streiten.
2Die Beteiligten heirateten am und trennten sich am . Der Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am zugestellt worden.
3Der Antragsteller ist selbständiger Rechtsanwalt. Seit dem Jahr 2014 ist er zudem als Notar tätig. Er hat durch Schriftsätze vom und Auskunft über sein Anfangs- und Endvermögen erteilt sowie Belege vorgelegt.
4Die Antragsgegnerin begehrt vom Antragsteller die Erteilung weiterer Auskünfte und die Vorlage von Belegen. Das Amtsgericht hat den Antragsteller unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge verpflichtet, die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG bezüglich seiner Kanzlei für das Jahr 2018 vorzulegen. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht den Beschluss des Amtsgerichts teilweise abgeändert und den Antragsteller unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels verpflichtet, Auskunft über die offenen Forderungen, die am zu seinen Gunsten in der Kanzlei bestanden, und über den Sachwert des Notariats durch Angabe der wertbildenden Faktoren einschließlich der am offenen Forderungen des Notariats zu erteilen sowie die Auskünfte stichtagsbezogen durch Vorlage vollständiger Listen der offenen Forderungen zu belegen.
5Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er die vollständige Zurückweisung der Beschwerde der Antragsgegnerin erstrebt.
6Die Rechtsbeschwerde erweist sich auf der Grundlage des vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalts als unbegründet. Über sie ist daher, obwohl die Antragsgegnerin im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten war, durch streitige Endentscheidung (unechter Versäumnisbeschluss) zu entscheiden (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Senatsbeschluss vom - XII ZB 243/23 - FamRZ 2024, 927 Rn. 7 mwN).
7Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
8Das Beschwerdegericht hat seine in juris veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet: Der Antragsteller habe grundsätzlich eine Auskunft erteilt, die den Voraussetzungen des § 1379 BGB entspreche, und sei daher nur hinsichtlich solcher Positionen zur ergänzenden Auskunftserteilung zu verpflichten, zu denen er noch keine Angaben gemacht habe. Die Antragsgegnerin habe einen Anspruch auf Auskunftserteilung über die in der Kanzlei des Antragstellers am zu seinen Gunsten noch offenen Forderungen. Für die Bewertung freiberuflicher Praxen im Rahmen des Zugewinnausgleichs sei das modifizierte Ertragswertverfahren vorzugswürdig. Dabei werde zum Stichtag über den Substanzwert hinaus auch der übertragbare Teil des ideellen Werts (Goodwill) der freiberuflichen Praxis berücksichtigt. Da offene Honorarforderungen bei der Bewertung einer freiberuflichen Praxis ein Kriterium sein könnten, sei hierüber auch Auskunft zu erteilen. Es spreche nicht grundsätzlich gegen eine Einbeziehung offener Forderungen in das Bewertungsverfahren, dass deren Realisierbarkeit auch von der Zahlungsmoral der Schuldner abhänge und unklar sei, mit welchem Betrag sie anzusetzen seien. Denn diese Umstände seien von einem Sachverständigen individuell für die zu begutachtende freiberufliche Praxis zu bewerten und spielten im Auskunftsverfahren keine Rolle.
9Die Auskunftspflicht des Antragstellers erstrecke sich auch auf die wertbildenden Merkmale seines Notariats. Zwar handele es sich bei einem Notariat nicht um eine freiberufliche Tätigkeit oder ein Unternehmen, sondern um ein dem Notar verliehenes öffentliches Amt. Dies führe jedoch nicht dazu, dass ein Notariat von vornherein nicht in den Zugewinn falle und deshalb nicht zu beauskunften wäre. Auch wenn ein Notariat als solches nicht veräußerbar sei, stellten die ihm innewohnenden Gegenstände (Einrichtung, IT-Ausstattung etc.) Vermögenswerte dar, die verwertet werden könnten. Daher sei es sachgerecht, den Wert eines Notariats anhand des Substanzwertverfahrens zu ermitteln. Der Antragsteller habe somit Auskunft über alle in Betracht kommenden wertbildenden Faktoren zu erteilen. Dies seien die Sachwerte des Notariats einschließlich der am im Notariat noch offenen Forderungen.
10Zudem habe die Antragsgegnerin nach § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Vorlage einer vollständigen Liste der zugunsten des Antragstellers in der Kanzlei und im Notariat am jeweils noch offenen Forderungen unter Angabe der Aktennummer, des Rechnungsdatums und des Rechnungsbetrags („offene-Posten-Liste“). Ein Auskunftspflichtiger sei zwar nur zur Vorlage vorhandener Nachweise verpflichtet. Der Antragsteller könne sich aber gleichwohl nicht darauf berufen, dass derartige Listen nicht existierten und nur mit erheblichem Aufwand erstellt werden könnten. Denn bereits seine Auskunftsverpflichtung umfasse die Angabe der offenen Forderungen, so dass der Antragsteller nach Auskunftserteilung zwangsläufig über entsprechende Listen verfügen werde, weil er andernfalls die geschuldeten Auskünfte nicht erteilen könne. Eine (weitere) schöpferische Leistung des Antragstellers sei somit nicht erforderlich.
II.
11Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung weitgehend stand.
121. Entgegen der vom Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung war die Beschwerde der Antragsgegnerin zulässig. Denn die Annahme des Beschwerdegerichts, der Wert des Beschwerdegegenstands (§ 61 Abs. 1 FamFG) übersteige 600 €, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass die auf einen Hinweis dargelegten Vorstellungen der Antragsgegnerin über den Wert ihres Leistungsanspruchs nicht auch schon zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 80/18 - FamRZ 2018, 1169 Rn. 11) bestanden hätten.
132. Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Verfahrensrüge, das Beschwerdegericht habe der Antragsgegnerin einen weiteren Auskunftsanspruch bereits deshalb zu Unrecht zugesprochen, weil die Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt einen solchen Antrag gestellt habe, ist unbegründet.
14a) Nach § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einem Beteiligten etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Es ist insbesondere an den geltend gemachten prozessualen Anspruch gebunden. Dieser wird bestimmt durch den Antrag, in dem sich die vom Antragsteller in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt, aus dem der Antragsteller die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. - NJW 2018, 608 Rn. 9 mwN). Die Bindung an den gestellten Antrag hindert das Gericht aber nicht, dem Antrag zum Teil stattzugeben und ihn zum Teil abzuweisen. Dies setzt jedoch voraus, dass das Zugesprochene nicht etwas der Art nach anderes als das Beantragte ist, sondern sich vom Sinn und Zweck des Begehrens her in dessen Rahmen hält, also ein minus und kein aliud darstellt (Stein/Jonas/Althammer ZPO 23. Aufl. § 308 Rn. 14).
15b) Die Antragsgegnerin hat im Beschwerdeverfahren beantragt, den Antragsteller zu verpflichten, ihr Auskunft über sein Anfangs- und Endvermögen durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses zu erteilen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass der Antragsteller noch kein systematisches, in sich geschlossenes Verzeichnis vorgelegt habe, so dass eine ordnungsgemäße Auskunft nicht erteilt worden sei. Zudem erstrecke sich seine Auskunftspflicht auf die offenen Posten und halbfertigen Arbeiten, da diese zum Substanzwert der Kanzlei und des Notariats gehörten, es sich also um wertbildende Faktoren handele.
16Das Beschwerdegericht hat dazu ausgeführt, dass im Rahmen des § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB zwar die Vorlage eines übersichtlichen Verzeichnisses der Vermögensgegenstände geschuldet sei. Dieses könne aber - solange die Übersichtlichkeit gewahrt sei - auch aus mehreren Teilen bestehen, wenn die Teilauskünfte nicht zusammenhanglos nebeneinanderstünden, sondern nach dem erklärten Willen des Auskunftspflichtigen in ihrer Summierung die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellten. Die mit Anlagen versehenen Schriftsätze vom und erfüllten die genannten Voraussetzungen, weil der Antragsteller wiederholt zum Ausdruck gebracht habe, damit seiner Auskunftsverpflichtung nachgekommen zu sein. Die Rechtsbeschwerde greift diese Ausführungen als ihr günstig auch nicht an, so dass dahinstehen kann, ob sie zutreffend sind (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 385/13 - FamRZ 2015, 127 Rn. 19 mwN).
17Von seinem Standpunkt aus folgerichtig hat das Beschwerdegericht den Antragsteller nur hinsichtlich derjenigen Vermögenspositionen zur Auskunftserteilung verpflichtet, zu denen dieser noch keine Angaben gemacht hat. Zwar ist der Antrag der Antragsgegnerin nicht explizit auf die Beauskunftung von Einzelpositionen, sondern auf die Vorlage eines (Gesamt-)Bestandsverzeichnisses gerichtet, weil die Antragsgegnerin - anders als das Beschwerdegericht - in den beiden Schriftsätzen des Antragstellers keine ordnungsgemäße Auskunft erblickt hat. Allerdings umfasst das von der Antragsgegnerin beantragte Bestandsverzeichnis eine Aufstellung der einzelnen Vermögenspositionen, so dass die Zuerkennung eines auf einen Teil der Einzelpositionen beschränkten Auskunftsanspruchs ersichtlich ein minus und gerade kein aliud zu dem geltend gemachten Anspruch auf Auskunftserteilung durch Vorlage eines Gesamtverzeichnisses ist.
183. Auch in der Sache ist nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht den Antragsteller zur Erteilung ergänzender Auskünfte verpflichtet hat.
19a) Gegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, der Antragsteller sei zur Auskunft über die in seiner Kanzlei am zu seinen Gunsten noch offenen Forderungen verpflichtet, ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
20aa) Nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB kann im Zugewinnausgleichsverfahren jeder Ehegatte von dem anderen Ehegatten Auskunft über das für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens maßgebliche Vermögen verlangen. Die Pflicht zur Auskunftserteilung entfällt nur dann, wenn sich die Auskunft unter keinen denkbaren Umständen auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs auswirken kann (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 38/21 - FamRZ 2022, 684 Rn. 23 mwN).
21Eine Rechtsanwaltskanzlei unterfällt wie jede andere freiberufliche Praxis dem Zugewinnausgleich. Bei der Ermittlung des insoweit anzusetzenden Werts einer solchen Praxis ist nach der Rechtsprechung des Senats über den Substanzwert der Praxis hinaus auch der übertragbare Teil ihres ideellen Werts (Goodwill) zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 230/17 - FamRZ 2018, 174 Rn. 9 mwN). Sollte im Einzelfall aber kein Goodwill anzusetzen sein, ist der
22Der Substanz- bzw. Sachwert besteht aus der Summe der zu der freiberuflichen Praxis gehörenden Wirtschaftsgüter. Dazu zählen die betriebsnotwendigen Gegenstände, wie etwa die Büroeinrichtung, eine Bibliothek oder Bürogeräte. Zum Sachwert gehören aber auch die Außenstände einer Praxis, also die Forderungen für bereits geleistete Arbeiten (Senatsurteil vom - XII ZR 101/89 - FamRZ 1991, 43, 45; BeckOGK/Preisner [Stand: ] BGB § 1376 Rn. 268; Johannsen/Henrich/Althammer/Kohlenberg Familienrecht 7. Aufl. § 1376 BGB Rn. 66; Schulz/Hauß Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung 7. Aufl. 1. Kapitel Rn. 320; Borth FamRZ 2011, 1373; Münch FamRZ 2006, 1164, 1167; Römermann/Schröder NJW 2003, 2709; vgl. auch die aktualisierten Richtlinien der Bundesrechtsanwaltskammer zur Bewertung von Anwaltskanzleien BRAK-Mitteilungen 2018, 6, 7).
23cc) Auch das vom Beschwerdegericht als (vermeintliche) Gegenauffassung angeführte Schrifttum hält die offenen Forderungen bei der Ermittlung des Praxiswerts nicht für bedeutungslos. Zwar wird teilweise vertreten, der Sachwert einer freiberuflichen Praxis umfasse lediglich die betriebsnotwendigen Gegenstände, so dass die Substanzbewertung in der Regel an dieser Stelle ende. Allerdings sind - was das Beschwerdegericht übersehen hat - auch nach dieser Auffassung die offenen Forderungen als Aktivpositionen ergänzend zu berücksichtigen, wenn der Gesamtwert der Praxis, etwa bei einer Bewertung im Rahmen des Zugewinnausgleichs, zu ermitteln ist (Boos DS 2019, 69; Boos/Siewert DS 2018, 265, 266). Soweit andere Stimmen in der Literatur eine gesonderte Ermittlung des Substanzwerts und des Werts des Goodwills einer Praxis nicht für erforderlich halten (vgl. MünchKommBGB/Koch 9. Aufl. § 1376 Rn. 40; Braeuer FF 2012, 273, 276 f.), gehen auch sie davon aus, dass jedenfalls der Substanzwert zum Endvermögen des Praxisinhabers gehöre und bei der Berechnung des Zugewinns zu berücksichtigen sei, wenn die Ertragsfähigkeit der Praxis so stark inhabergebunden sei, dass kein Goodwill vorliege (vgl. MünchKommBGB/Koch 9. Aufl. § 1376 Rn. 40). Bedeutungslos sind die Sachwerte einer Praxis somit auch nach dieser Auffassung nicht, die im Übrigen ebenfalls meint, dass zum Substanzwert neben allen zur Praxis gehörenden Gegenständen auch offene Forderungen zählen (MünchKommBGB/Koch 9. Aufl. § 1376 Rn. 36).
24dd)
25b)
26aa) Für die Berechnung des Endvermögens ist grundsätzlich auf den objektiven (Verkehrs-)Wert des jeweiligen Vermögensgegenstandes zum Stichtag abzustellen. Neben dem Substanzwert kann auch ein Goodwill zu berücksichtigen sein, wenn das Unternehmen im Verkehr höher eingeschätzt wird, als es dem reinen Substanzwert aller zum Unternehmen gehörenden Vermögensgegenstände entspricht (Senatsbeschluss vom - XII ZB 534/12 - FamRZ 2014, 368 Rn. 11 mwN). Allerdings hat nicht jedes Unternehmen einen solchen ideellen Wert. So besitzt etwa der Gewerbebetrieb eines selbständigen Handelsvertreters nur ausnahmsweise und in besonders gelagerten Fällen einen Goodwill, weil der Betrieb nicht einseitig, sondern nur durch - nicht erzwingbare - Mitwirkung des vertretenen Unternehmers auf einen Rechtsnachfolger übertragen werden kann. Daher ist ihm im Rahmen des Zugewinnausgleichs über den Substanzwert hinaus grundsätzlich kein Goodwill zuzuerkennen (Senatsbeschluss vom - XII ZB 534/12 - FamRZ 2014, 368 Rn. 12 ff.).
27bb) Ob ein Notariat einen ideellen Wert haben kann, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Anders als ein Rechtsanwalt ist ein Notar Träger eines öffentlichen Amtes und besitzt keine freiberufliche Praxis, die er als solche veräußern könnte, um ihren Vermögenswert auf dem freien Markt zu realisieren (vgl. Senatsurteil vom - XII ZR 84/97 - FamRZ 1999, 361, 363 für einen bayerischen Notar). Daraus schließen Teile des Schrifttums, dass ein Notariat - ähnlich wie der Gewerbebetrieb eines Handelsvertreters - grundsätzlich keinen Goodwill besitzt (Schulz/Hauß Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung 7. Aufl. 1. Kapitel Rn. 647; vgl. auch Kogel Strategien beim Zugewinnausgleich 7. Aufl. Rn. 768). Demgegenüber vertreten andere Stimmen in der Literatur die Auffassung, dass sich eine Ungleichbehandlung von Notariaten und Rechtsanwaltskanzleien im Zugewinnausgleichsverfahren nicht rechtfertigen lasse. Denn auch Notare könnten Sozietäten eingehen, wodurch sich ähnliche Effekte ergeben würden wie bei Kanzleien. Anwaltsnotare könnten ihren Mandantenstamm sogar unmittelbar an jüngere Notare weitergeben, mit denen sie als Rechtsanwälte eine Sozietät eingegangen seien. Daher könne auch ein Notariat einen ideellen Wert haben ().
28cc) Welche der beiden Auffassungen zutreffend ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil das Beschwerdegericht der Antragsgegnerin nur hinsichtlich der Sachwerte (Einrichtungsgegenstände, IT-Ausstattung etc.) einschließlich der am noch offenen Forderungen des Notariats einen Auskunftsanspruch zugesprochen hat. Jedenfalls insoweit besteht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde eine Auskunftsverpflichtung des Antragstellers nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB. Denn auch wenn ein Notariat als solches nicht veräußerbar ist, stellen die diesem innewohnenden Gegenstände - wie bei einer Kanzlei oder einer Handelsvertretung - Vermögenswerte dar, die selbständig verwertbar sind. Es besteht kein Grund, ein Notariat insoweit anders zu behandeln als etwa eine freiberufliche Praxis. Die Summe dieser Vermögensgegenstände bildet den Sachwert eines Notariats (vgl. Schulz/Hauß Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung 7. Aufl. 1. Kapitel Rn. 647; vgl. auch Kogel Strategien beim Zugewinnausgleich 7. Aufl. Rn. 768), der durch Anwendung des Substanzwertverfahrens zu ermitteln ist (BeckOGK/Preisner [Stand: ] BGB § 1376 Rn. 558). Neben den betriebsnotwendigen Gegenständen bestimmen - wie bei einer Rechtsanwaltskanzlei - auch am Stichtag noch offene Forderungen den Substanzwert.
29c)
30aa) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, dass sich die Auskunftspflicht nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Mitteilung der wertbildenden Faktoren beschränke und eine Wertermittlung hinsichtlich der einzelnen Vermögenspositionen nicht geschuldet sei, ist dies im Grundsatz zwar zutreffend. Eine solche Wertermittlung kann nach § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB zusätzlich zur Auskunft verlangt werden; sie wird von der Antragsgegnerin vorliegend aber nicht begehrt. Das Beschwerdegericht hat den Antragsteller dementsprechend lediglich zur Auskunft und nicht (auch) zur Ermittlung des Werts von Vermögensgegenständen verpflichtet.
31(1) Eine Auskunft nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB über den Bestand des Endvermögens soll den Auskunftsberechtigten in die Lage versetzen, das Endvermögen ungefähr selbst zu berechnen und auf diese Weise, ausgehend vom Anfangsvermögen, den Zugewinn zu ermitteln. Zu diesem Zweck muss der Auskunftspflichtige die zu seinem Endvermögen gehörenden Gegenstände nach Anzahl, Art und wertbildenden Faktoren in dem Vermögensverzeichnis angeben, wobei sich Umfang und Art der notwendigen Einzelangaben nach den Besonderheiten der jeweiligen Vermögensgegenstände richten (Senatsbeschluss vom - XII ZB 31/02 - FamRZ 2003, 597).
32Sachgesamtheiten als Mehrheiten von Sachen und Rechten, die ein einheitlicher Bestimmungszweck verbindet (vgl. MünchKommBGB/Koch 9. Aufl. § 1379 Rn. 29), können im Bestandsverzeichnis grundsätzlich als Inbegriff von Gegenständen aufgeführt werden, wenn und soweit der Verzicht auf eine detaillierte Aufschlüsselung im Verkehr üblich ist und eine ausreichende Orientierung des Auskunftsberechtigten nicht verhindert ( - FamRZ 1984, 144, 145 f.). Sind die Gegenstände dem Auskunftsberechtigten jedoch nicht näher bekannt, müssen weitere Einzelheiten mitgeteilt werden. Bei Unternehmen sind die Umsätze und Sachwerte (Johannsen/Henrich/Althammer/Kohlenberg Familienrecht 7. Aufl. § 1379 Rn. 7), aber auch die am Stichtag noch offenen Forderungen mitzuteilen. Zu den wertbildenden Faktoren offener Forderungen gehört insbesondere deren Höhe (vgl. Johannsen/Henrich/Althammer/Kohlenberg Familienrecht 7. Aufl. § 1379 Rn. 7; Schulz/Hauß Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung 7. Aufl. 1. Kapitel Rn. 884). Zu beauskunften ist der Nominalwert der Geldforderung, also der (Rechnungs-)Betrag, der vom Schuldner gefordert wird. Damit ist gerade keine Wertermittlung verbunden, weil der Nominalwert nichts darüber aussagt, welchen wirtschaftlichen Wert die Forderung hat. Letzterer richtet sich (auch) nach deren tatsächlicher Realisierbarkeit. Ist eine Forderung etwa uneinbringlich oder wird sie vom Schuldner bestritten, ist sie mit einem geringeren Wert als dem Nominalwert bei der Berechnung des Zugewinns zu berücksichtigen. Eine solche Bewertung braucht der nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB Auskunftspflichtige aber nicht vorzunehmen (vgl. Senatsurteil vom - XII ZR 134/04 - FamRZ 2009, 193 Rn. 40).
33(2) Nach diesen Maßstäben ist die vom Beschwerdegericht ausgesprochene Verpflichtung des Antragstellers zur Erteilung einer Auskunft über die Sachwerte des Notariats und über die offenen Forderungen, die zum Stichtag zu Gunsten des Antragstellers in der Kanzlei und im Notariat bestanden haben, nicht zu beanstanden. Das Beschwerdegericht hat den Antragsteller ausdrücklich nicht dazu verpflichtet, den wirtschaftlichen Wert der offenen Forderungen zu ermitteln, sondern darauf hingewiesen, dass die Frage, in welcher Form die offenen Forderungen den Sachwert beeinflussen, nicht im Rahmen der Auskunftsstufe, sondern gegebenenfalls nach sachverständiger Beratung im Rahmen der Leistungsstufe zu beurteilen sei. Die offenen Forderungen sind daher mit ihrem Nominalwert zu beauskunften.
34Ebenfalls ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, dass der Antragsteller keine Listen über offene Forderungen der Kanzlei und des Notariats führe und die vom Senat ausgesprochene Beschränkung der Belegvorlagepflicht auf bereits vorhandene Nachweise umgangen würde, wenn der Auskunftsberechtigte statt der (nicht geschuldeten) Vorlage nicht existenter Belege die Erteilung einer Auskunft verlangen könnte, die mit dem Inhalt der noch nicht existierenden Belege identisch sei. Zwar hat das Beschwerdegericht den Antragsteller zur Vorlage von Listen über die offenen Forderungen verpflichtet. Bei zutreffender Betrachtung handelt es sich dabei jedoch nicht um eine Verpflichtung zur Belegvorlage, sondern um eine solche zur Auskunftserteilung.
35(1) Nach § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB sind im Zugewinnausgleichsverfahren auf Anforderung Belege vorzulegen. Der Anspruch auf Belegvorlage dient als Hilfsanspruch in erster Linie zur Kontrolle der Auskunft. Da sich der Auskunftsanspruch auf die Zusammensetzung des Vermögens des Auskunftspflichtigen am Stichtag einschließlich der wertbildenden Faktoren richtet, sollen die vorzulegenden Belege eine Überprüfung der Angaben des Auskunftspflichtigen daraufhin ermöglichen, ob dieser seinen Wissensstand zu den von der Auskunft umfassten Punkten zutreffend und vollständig mitgeteilt hat. Mithin dient die Belegvorlage insoweit vor allem dem Ausgleich des Informationsgefälles (Senatsbeschluss vom - XII ZB 38/21 - FamRZ 2022, 684 Rn. 27 mwN).
36Unter Berücksichtigung dieses Zwecks der Vorschrift (vgl. BT-Drucks. 16/10798 S. 18) sind als Belege alle Urkunden, Dokumente, Bescheinigungen und sonstigen Unterlagen anzusehen, die aussagekräftig für die Vollständigkeit und Richtigkeit des als Auskunft erstellten Bestandsverzeichnisses, für die Existenz und den Zustand der verzeichneten Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten und für deren Wert sind (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 472/20 - FamRZ 2022, 429 Rn. 15). Die Verpflichtung zur Belegvorlage nach § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB beschränkt sich allerdings auf die Vorlage vorhandener Nachweise. Eine Pflicht zur Erstellung von Belegen, die über die bloße Reproduktion bereits existierender Unterlagen - etwa durch Ausdruck - hinausgeht und wie etwa bei einem Jahresabschluss eine eigene schöpferische Leistung erfordert, besteht nicht (Senatsbeschluss vom - XII ZB 472/20 - FamRZ 2022, 429 Rn. 17 ff.).
37(2) Das Beschwerdegericht hat den Antragsteller zur Vorlage einer vollständigen Liste über die am jeweils noch offenen Forderungen der Kanzlei und des Notariats unter Angabe der - auch unter dem Gesichtspunkt der Verschwiegenheitspflicht unbedenklichen - Aktennummer, des Rechnungsdatums und des Rechnungsbetrags verpflichtet. Bei einer solchen Liste handelt es sich indes der Sache nach lediglich um ein (Teil-)Bestandsverzeichnis im Sinne von § 260 Abs. 1 Satz 1 BGB, aus dem sich die Zusammensetzung (eines Teils) des Aktivvermögens zum Stichtag einschließlich der wertbildenden Faktoren ergibt. Eine derartige vom Antragsteller erstellte Liste besitzt hingegen keine Aussagekraft in Bezug auf die Richtigkeit der erteilten Auskunft und des Nennwerts der jeweiligen Forderung. Sie stellt daher - anders als etwa eine dem Schuldner ausgestellte Rechnung über die Rechtsanwalts- oder Notargebühren - keinen Beleg im Sinne von § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB dar. Somit hat das Beschwerdegericht den Antragsteller insoweit nicht zur Vorlage (nicht existenter) Belege, sondern schlicht zur Erstellung eines Verzeichnisses über die am Stichtag noch offenen Forderung verpflichtet. Hiergegen kann der Antragsteller auch nicht einwenden, dass er ein solches Verzeichnis nicht besitze. Denn ein nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Auskunft verpflichteter Ehegatte schuldet gerade die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und daher auch dessen Erstellung (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 31/02 - FamRZ 2003, 597), sollte er sich nicht bereits im Besitz eines solchen stichtagsbezogenen Verzeichnisses befinden.
384. Soweit das Beschwerdegericht die Verpflichtung des Antragstellers zur Vorlage von Listen über die am Stichtag noch offenen Forderungen der Kanzlei und des Notariats auf § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützt hat, ist klarzustellen, dass die Vorlage von der Auskunftsverpflichtung nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB gedeckt ist. Dass die Antragsgegnerin ihr diesbezügliches Begehren auf § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB als Anspruchsgrundlage gestützt hat, ist verfahrensrechtlich unschädlich.
Guhling Klinkhammer Botur
Krüger Recknagel
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:250924BXIIZB508.23.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-79267