Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5/16 KLs 14/23vorgehend LG Frankfurt Az: 5/16 KLs 14/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen „unerlaubter“ Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Den Angeklagten F. hat es wegen „unerlaubten“ Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, „hiervon in einem Fall“ in Tateinheit mit Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen.
2Die Angeklagten beanstanden mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte T. beantragt nach Verwerfung seiner Revision als unzulässig durch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist. Die Rechtsmittel haben – nach Gewährung der Wiedereinsetzung für den Angeklagten T. – den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.
31. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen führte der Angeklagte F am einen Rucksack mit sich, der ihm zuvor von dem Angeklagten T. mit dem Auftrag übergeben worden war, ihn zu einer weiteren Person zu bringen. Im Rucksack befanden sich 466,8 Gramm Haschisch mit einer Wirkstoffmenge von 117,6 Gramm THC, das – was der Angeklagte F. wusste – zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Zur gleichen Zeit lagerten in der von dem Angeklagten F. genutzten, ihm vom Angeklagten T. zur Verfügung gestellten Wohnung weitere 62,01 Gramm Haschisch und 1.765,58 Gramm Marihuana, die ebenfalls zum Verkauf bestimmt waren. Der Angeklagte T. lagerte darüber hinaus in einem von ihm genutzten Pkw 18.828,33 Gramm Haschisch sowie in dem Haus des Nichtrevidenten insgesamt 1.293,18 Gramm Haschisch, die auch gewinnbringend weiterverkauft werden sollten (Fall II. 2. Tat Nr. 1 der Urteilsgründe).
4Der Angeklagte F. hielt in der von ihm genutzten Wohnung überdies 20,03 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 12,62 Gramm KHCl zum Eigenverbrauch vorrätig, das ihm von dem Angeklagten T. zuvor für Kuriertätigkeiten als weiterer „Kurierlohn“ überlassen worden war (Fall II. 2. Tat Nr. 2 der Urteilsgründe).
52. Dem Angeklagten T. ist auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision zu gewähren, da er – wie von seiner Verteidigerin dargelegt – die Säumnis nicht zu verschulden hat (§ 44 Satz 1, §§ 45, 46 Abs. 1 StPO). Wegen der gewährten Wiedereinsetzung ist dem Verwerfungsbeschluss des Landgerichts die Grundlage entzogen.
63. Die Schuldsprüche sind infolge einer nach Urteilsverkündung eingetretenen neuen Gesetzeslage zu ändern (unter a)). Davon unabhängig und weitergehend hält der den Angeklagten T. betreffende Schuldspruch wegen „Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ rechtlicher Nachprüfung nicht stand; zudem erweist sich gegenüber beiden Angeklagten die Annahme von jeweils zwei selbstständig realkonkurrierenden Taten als unzutreffend (unter b)).
7a) Da Gegenstand des abgeurteilten Handeltreibens im Fall II. 2. Tat Nr. 1 der Urteilsgründe ausschließlich Cannabis (§ 1 Nr. 4, 5, 8 KCanG) war, ist der jeweilige Schuldspruch an die Änderungen durch das am in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz (KCanG) anzupassen, auf das gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m § 354a StPO als im konkreten Fall milder bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist.
8Der Angeklagte T. hat sich in diesem Fall des Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG und der Angeklagte F. der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Besitz von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 und 4 KCanG, §§ 27, 52 StGB schuldig gemacht. Dass sich die Tat auf eine nicht geringe Menge Cannabis bezog (vgl. dazu nur BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968, 1969 ff.; vom – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216, 217, und vom – 4 StR 50/24, Rn. 6 ff.), stellt gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG keine Qualifikation, sondern ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles dar und wird nicht im Schuldspruch zum Ausdruck gebracht. Der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG ist milder als der des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG; die Strafkammer hat insoweit jeweils einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG rechtsfehlerfrei verneint (vgl. zu § 2 Abs. 3 StGB in einem solchen Fall , Rn. 11).
9b) Im Fall II. 2. Tat Nr. 2 der Urteilsgründe tragen zwar die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten F. wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Der Besitz von Kokain steht indes mit dem gleichzeitigen Besitz von Marihuana und Haschisch in der von ihm genutzten Wohnung bzw. in dem von ihm geführten Rucksack in Tateinheit (vgl. zur insoweit übertragbaren Rechtslage unter ausschließlicher Geltung des BtMG , Rn. 6 mwN).
10Soweit der Angeklagte T. in diesem Fall tatmehrheitlich wegen Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt ist, belegen die Feststellungen, dass er dem Angeklagten F. das Kokain nicht uneigennützig und ohne Gegenleistung übertragen hatte; vielmehr handelte es sich um weiteren „Kurierlohn“ für die von diesem durchzuführenden „Kuriertätigkeiten“. Die Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt an dem Kokain diente mithin dem eigennützigen Umsatz, so dass die Tat als Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu bewerten ist (vgl. BeckOK-BtMG/Barrot, 23. Ed., § 29 Rn. 346 und 366; MüKo-StGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., § 29 Rn. 867; Patzak, in: Patzak/Fabrizius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 860; Weber, in: Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 324, 328, 1143). Angesichts der festgestellten tatsächlichen Verknüpfung mit Fall II. 2. Tat Nr. 1 der Urteilsgründe steht das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit dem Handeltreiben mit Cannabis.
11c) Der Senat ändert daher jeweils den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil nicht ersichtlich ist, dass sich die Angeklagten anders als geschehen hätten verteidigen können.
124. Die Schuldspruchänderungen lassen die von der Strafkammer im Fall II. 2. Tat Nr. 2 der Urteilsgründe jeweils verhängten Einzelstrafen entfallen. Der Gesamtstrafenausspruch kann aber auch als (alleinige) Einzelstrafe keinen Bestand haben. Zwar hätte das Landgericht bei Annahme von Tateinheit von Fall II. 2. Tat Nr. 1 und Tat Nr. 2 der Urteilsgründe ebenso den Strafrahmen des § 29a BtMG anwenden müssen (§ 52 StGB). Da es jedoch im Fall II. 2. Tat Nr. 2 der Urteilsgründe jeweils einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG angenommen hat, ist hier nicht auszuschließen, dass es hinsichtlich beider Angeklagter insgesamt zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre, wenn es hinsichtlich der tateinheitlich verwirklichten Tatbestände nach dem KCanG den geringeren Unwertgehalt des Umgangs mit Cannabisprodukten (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 69, 158) berücksichtigt hätte.
13Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).
145. Der Nichtrevident ist von der veränderten konkurrenzrechtlichen Bewertung nicht betroffen. Die vom Senat gemäß § 354a StPO zu berücksichtigende Rechtsänderung rechtfertigt eine Erstreckung nach § 357 StPO nicht (vgl. , Rn. 11).
Menges Zeng Meyberg
Zimmermann Herold
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:270824B2STR158.24.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-78648