BGH Beschluss v. - IX ZB 26/23

Leitsatz

Legt eine bedürftige Partei unbeschränkt Berufung ein, genügt ein vom Rechtsanwalt der Partei noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegtes (ausführlich) begründetes Prozesskostenhilfegesuch nicht, um die Vermutung zu erschüttern, eine Partei sei bis zur Entscheidung über ihr Prozesskostenhilfegesuch so lange als schuldlos an der Fristwahrung gehindert anzusehen, wie sie nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit einer die Prozesskostenhilfe ablehnenden Entscheidung rechnen muss, wenn der Rechtsanwalt anwaltlich versichert, ohne eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder anderweitige Finanzierung nicht bereit zu sein, das Berufungsverfahren durchzuführen (Ergänzung , NJW 2012, 2041; vom - XII ZB 251/17, FamRZ 2018, 120).

Gesetze: § 233 ZPO

Instanzenzug: Hanseatisches Az: 11 U 140/22vorgehend Az: 326 O 41/21

Gründe

I.

1Die Klägerin nimmt den Beklagten nach Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz aus Insolvenzanfechtung in Anspruch. Gegen das ihr am zugestellte Urteil des Landgerichts, durch das die Klage überwiegend abgewiesen wurde, hat sie mit am Montag, den eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Nach Gewährung der beantragten Fristverlängerung zur Begründung der Berufung bis zum hat sie mit Schriftsatz vom selben Tag die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens beantragt. Darin teilten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, das Berufungsverfahren solle nur unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe durchgeführt werden. Für den Fall der Gewährung von Prozesskostenhilfe kündigten sie näher bezeichnete Berufungsanträge an. Zudem begründeten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter ausführlicher Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil, dass die Berufung hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

2Das Berufungsgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch mit Beschluss vom zurückgewiesen, weil die Mittellosigkeit der Klägerin für die Fristversäumung nicht ursächlich sei, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin das Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin in gleicher Art und Weise wie eine Berufungsbegründung begründet habe. Zugleich hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung wegen Fristversäumnisses als unzulässig zu verwerfen. Mit Schriftsatz vom hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe erhoben. Es streite eine Regelvermutung für die Ursächlichkeit der Mittellosigkeit einer Partei für eine Fristversäumung. Tatsächlich habe auch - vom mandatsführenden Prozessvertreter der Klägerin anwaltlich versichert - keine Bereitschaft der Prozessvertreter der Klägerin bestanden, die Berufung im vorliegenden Verfahren ohne Gewährung von Prozesskostenhilfe oder eine anderweitige Finanzierung durchzuführen. Am selben Tag begründete die Klägerin ihre Berufung. Mit Beschluss vom hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Berufungsbegründung zurückgewiesen, die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen und die Anhörungsrüge gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

3Das Rechtsmittel hat hinsichtlich der Versagung der Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist und der Verwerfung der Berufung als unzulässig Erfolg und führt insoweit zur Wiedereinsetzung. Soweit sich die Rechtsbeschwerde auch gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe richtet, ist sie unzulässig.

41. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Mittellosigkeit einer Partei stelle nur dann einen Entschuldigungsgrund im Sinne von § 233 ZPO dar, wenn sie die Ursache für die Fristversäumung sei. Daran fehle es vorliegend. Die Klägerin habe sich bei Einreichung des Prozesskostenhilfegesuchs zu einer fehlenden Bereitschaft zur Einreichung der Berufungsbegründung nicht verhalten. Die Vermutung schuldloser Verhinderung sei vorliegend erschüttert gewesen, weil de facto eine anwaltliche Berufungsbegründung zur Verfügung gestanden habe, ohne dass Anhaltspunkte bestanden hätten, dass der anwaltliche Vertreter gleichwohl nicht bereit sei, diese einzureichen. Soweit die Klägerin zulässigerweise im Nachgang zum Beschluss vom vortrage, ihre Vertreter wären nur tätig geworden, nachdem Prozesskostenhilfe gewährt worden sei, und sie hätten ganz generell nur gegen Vergütung gearbeitet, besage dies für den konkreten Einzelfall und die dortige Bereitschaft zur Einreichung einer Berufungsbegründung nichts. Eine überzeugende Glaubhaftmachung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin konkret mit Bezug zum vorliegenden Verfahren ergänzend habe anwaltlich versichern lassen, ihre Prozessbevollmächtigten seien nicht bereit und auch nicht bereit gewesen, das Berufungsverfahren ohne eine Gewährung von Prozesskostenhilfe oder anderweitige Finanzierung durchzuführen. Es erscheine nicht überwiegend wahrscheinlich, dass diese tatsächlich nicht zur Einreichung einer formellen Berufungsbegründung bereit gewesen seien. Die anwaltliche Versicherung sei inhaltlich nicht ausreichend. Sie enthalte schon nicht zwingend diese Behauptung. Sie lasse beispielsweise auch den Schluss zu, dass das Berufungsverfahren in einer sonstigen Hinsicht ohne Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vollumfänglich habe durchgeführt werden sollen, etwa dass die Prozessvertreter nicht bereit seien, zu einer anberaumten Verhandlung zu erscheinen.

52. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin ist hinsichtlich der Ablehnung der Wiedereinsetzung und der Verwerfung der Berufung nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Die angegriffene Entscheidung verletzt die verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Das letztgenannte Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. , NJW 2012, 2041 Rn. 9; vom - XII ZB 251/17, FamRZ 2018, 120 Rn. 5; jeweils mwN). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet.

63. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

7a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründungsfrist versäumt ist. Der Klägervertreter hat am lediglich das Gesuch um Prozesskostenhilfe näher begründet, jedoch keinen von ihm unterzeichneten Schriftsatz zum Zwecke der Berufungsbegründung eingereicht. Berufungsanträge wurden nur für den Fall der Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt.

8b) Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu Unrecht die Wiedereinsetzung versagt.

9aa) Das Wiedereinsetzungsgesuch vom ist nach der Zurückweisung des Antrages auf Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom rechtzeitig (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Prozesshandlung (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) gestellt worden.

10bb) Das Berufungsgericht nimmt rechtsfehlerhaft an, die Klägerin sei nicht schuldlos an der Wahrung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen.

11(1) Die Mittellosigkeit einer Partei stellt einen Entschuldigungsgrund im Sinne von § 233 ZPO dar, wenn sie die Ursache für die Fristversäumung ist. Das ist dann der Fall, wenn sich die Partei infolge der Mittellosigkeit außerstande sieht, einen Rechtsanwalt mit der Einlegung und Begründung ihres Rechtsmittels zu beauftragen.

12(2) Ist die bedürftige Partei bereits anwaltlich vertreten und legt ihr Rechtsanwalt uneingeschränkt Berufung ein, muss sie glaubhaft machen, dass der Anwalt nicht bereit war, die wirksam eingelegte Berufung im Weiteren ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe ordnungsgemäß und insbesondere fristgerecht zu begründen (vgl. , NJW 2012, 2041 Rn. 15; vom - XII ZB 251/17, FamRZ 2018, 120 Rn. 10).

13(a) Das ist keine Rechts-, sondern eine Sachverhaltsfrage, die das Gericht im Wiedereinsetzungsverfahren aufgrund der für die Wahrscheinlichkeitsfeststellung im Sinne von § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 in Verbindung mit § 294 Abs. 1 ZPO gebotenen Prüfung der Fallumstände beantworten muss. Dabei wird im Regelfall vermutet, eine Partei sei bis zur Entscheidung über ihr Prozesskostenhilfegesuch so lange als schuldlos an der Fristwahrung gehindert anzusehen, wie sie nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit einer die Prozesskostenhilfe ablehnenden Entscheidung rechnen muss. Erschüttern besondere Fallumstände diese Vermutung, ist die vorgenannte Beweisfrage damit noch nicht unwiderleglich beantwortet, sondern muss das Gericht prüfen, ob eine Kausalität der Mittellosigkeit für das Fristversäumnis anderweitig glaubhaft gemacht ist. Selbst wenn dies misslingt, ist der Partei unter Umständen noch Gelegenheit zum Beweisantritt zu geben (vgl. , NJW 2012, 2041 Rn. 16 f; vom - XII ZB 251/17, FamRZ 2018, 120 Rn. 10).

14(b) In Ausfüllung dieser Grundsätze ist die Vermutung bei einem Prozesskostenhilfegesuch für ein Rechtsmittelverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor allem dann erschüttert, wenn der Prozessbevollmächtigte neben dem Prozesskostenhilfegesuch innerhalb der noch laufenden Begründungsfrist zugleich den Entwurf einer Rechtsmittelbegründung vorlegt (vgl. , NJW 2012, 2041 Rn. 15; vom - XII ZB 251/17, FamRZ 2018, 120 Rn. 10). So hat der Bundesgerichtshof die Kausalität zwischen Mittellosigkeit und Fristversäumnis verneint, wenn ein Prozessbevollmächtigter nach Berufungseinlegung innerhalb laufender Begründungsfristen einen Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe und die vollständige, unterschriebene - wenn auch als Entwurf gekennzeichnete - Berufungsbegründung beifügt; denn in diesem Fall habe der Prozessbevollmächtigte seine Leistung in vollem Umfang erbracht (, FamRZ 2008, 1520 Rn. 1, 6).

15Hat dagegen der Anwalt nach unbedingter Einlegung des Rechtsmittels und Vorlage des Entwurfs einer nicht unterschriebenen Berufungsbegründung innerhalb laufender Rechtsmittelbegründungsfrist glaubhaft gemacht, er sei nicht bereit, ohne Vorschussanforderung oder Bewilligung von Prozesskostenhilfe tätig zu werden, oder hat er mitgeteilt, dass der Entwurf noch der Bearbeitung oder Abstimmung bedürfe, hat der Bundesgerichtshof angenommen, die Glaubhaftigkeit der anwaltlichen Erklärung, der anwaltliche Vertreter sei nicht bereit, die Mandanten in der Rechtsmittelinstanz über das Verfahren der Gewährung von Prozesskostenhilfe hinaus weitergehend zu vertreten, sei nicht erschüttert (, NJW 2012, 2041 Rn. 19, 23; vom - XII ZB 251/17, FamRZ 2018, 120 Rn. 14 f). Zu den Aufgaben eines Anwalts in der Rechtsmittelinstanz zählt nämlich nicht allein die Anfertigung von Schriftsätzen, der Rechtsanwalt muss für deren Inhalt durch seine Unterschrift die Verantwortung übernehmen; überdies hat er die gesamte Verfahrensführung zu übernehmen ( aaO Rn. 14). Von einer Wahrnehmung der ihn in der Berufungsinstanz treffenden Pflichten kann keine Rede sein, wenn er sich mit Blick auf ein Prozesskostenhilfegesuch ausdrücklich darauf beschränkt, einen Schriftsatzentwurf zur Erläuterung eines allein ordnungsgemäß gestellten Antrags auf Prozesskostenhilfe zur Verfügung zu stellen (, NJW 2014, 1307 Rn. 11; vom , aaO). Auch der Umstand, dass mit der Berufungseinlegung die Gebühr aus Nr. 3200 VV RVG anfällt, kann die entsprechende anwaltliche Erklärung nicht erschüttern, weil davon die Frage zu unterscheiden ist, ob auch die Begleichung der Gebühr gewährleistet ist, und die Gebührenvorschrift nicht hindert, zunächst nur ein eingeschränktes Mandat zu vereinbaren, das zunächst nur die Berufungseinlegung und die Stellung des Prozesskostenhilfeantrags umfasst. Auch verpflichtet die Berufungseinlegung den Rechtsanwalt nicht dazu, ohne Einschränkung alle weiteren im Berufungsrechtszug gebotenen Tätigkeiten zu erbringen, welche die Gebühr nach Nr. 3200 RVG abdeckt. Das belegt schon § 9 RVG, kraft dessen sowohl für entstandene als auch für entstehende Gebühren ein Vorschuss verlangt werden kann ( aaO Rn. 24).

16Weiter hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass die Mittellosigkeit einer Partei auch dann ursächlich für die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist geworden ist, wenn ihr erstinstanzlicher Prozessbevollmächtigter ein ordnungsgemäßes Prozesskostenhilfegesuch für eine beabsichtigte Berufung einreicht und dieses vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist begründet. Die Begründung eines Prozesskostenhilfegesuchs für eine noch beabsichtigte Berufung ist nicht mit einer vollständig erstellten Berufungsbegründung gleichzusetzen (, NJW 2011, 230 Rn. 21). Ebenso kann die Mittellosigkeit für die versäumte Prozesshandlung kausal geworden sein, wenn eine mittellose Partei innerhalb der Rechtsmittelfrist einen vollständigen Prozesskostenhilfeantrag einreicht und diesem einen nicht unterzeichneten Entwurf einer Rechtsmittel- und einer Rechtsmittelbegründungsschrift ihres Prozessbevollmächtigten beifügt (, NJW 2014, 1307 Rn. 9 ff).

17(3) Nach diesem Maßstäben hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft zu hohe Anforderungen an ein fehlendes Verschulden hinsichtlich der Einhaltung der Rechtsmittelbegründungsfrist gestellt. Zugunsten der Klägerin greift die Vermutung, ihre Mittellosigkeit sei für ihr Fristversäumnis kausal. Diese ist nicht durch besondere Fallumstände erschüttert. Die Klägerin hat im Streitfall glaubhaft gemacht, dass ihre Prozessbevollmächtigen nicht bereit gewesen seien, ohne Vorschusszahlung oder Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Berufungsverfahren weitergehend für sie tätig zu werden. Das ergibt die in der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs enthaltene anwaltliche Erklärung. Gründe, die deren Glaubhaftigkeit erschüttern, sind nicht ersichtlich. Einer weitergehenden Glaubhaftmachung bedurfte es nicht.

18(a) Im Ausgangspunkt zutreffend prüft das Berufungsgericht, ob die Mittellosigkeit der Klägerin für ihr Fristversäumnis kausal ist, obwohl die Klägerin in der Berufungsinstanz bereits anwaltlich vertreten ist und ihr anwaltlicher Vertreter uneingeschränkt Berufung eingelegt hat. Bei seiner Prüfung hat das Berufungsgericht allerdings die Vermutungsregel nicht ausreichend berücksichtigt, dass eine Partei grundsätzlich bis zu einer Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag so lange als schuldlos an der Fristwahrung gehindert anzusehen ist, wie sie nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit einer die Prozesskostenhilfe ablehnenden Entscheidung rechnen muss, weil sie aus ihrer Sicht alles Erforderliche getan hat, damit aufgrund der von ihr vorgelegten Unterlagen über ihr Gesuch entschieden werden kann (, FamRZ 2018, 120 Rn. 11). Diese Vermutung wird - nur - durch besondere, hier nicht gegebene Fallumstände erschüttert.

19(b) Vorliegend hat der Rechtsanwalt keinen Entwurf einer Berufungsbegründung vorgelegt und im Wiedereinsetzungsverfahren seine Bereitschaft zur Einreichung einer Berufungsbegründung verneint. Das Berufungsgericht zeigt keine Umstände auf, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Behauptung wecken könnten.

20Solche Umstände folgen auch nicht daraus, dass der Rechtsanwalt der Klägerin das Prozesskostenhilfegesuch (ausführlich) begründet hat. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die vorgelegte Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs führe dazu, dass die Vermutung trotz der Erklärung der Klägerin erschüttert sei, weil die Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs der Sache nach materiell einer Berufungsbegründung entspreche und daher "de facto" eine fertiggestellte Berufungsbegründung zur Verfügung gestanden habe. Ein begründeter Prozesskostenhilfeantrag kann dem Entwurf einer Rechtsmittelbegründungsschrift nicht gleichgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Ausführungen Umfang und Tiefe einer Berufungsbegründung erreichen.

21Der - wünschenswerten (, NJW 2011, 230 Rn. 21) - Begründung eines Prozesskostenhilfegesuchs kann nicht die Erklärung beigemessen werden, die dort gegebene Begründung stelle in Umfang und Tiefe die von der mittellosen Partei nach einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe angestrebte Berufungsbegründung dar. Aus der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags kann auch nicht geschlossen werden, ein Prozessvertreter sei bereit, die dortige Begründung unter Übernahme der vollen haftungsrechtlichen anwaltlichen Verantwortung als Berufungsbegründung einzureichen. Insofern gilt erst recht, dass von einer Wahrnehmung der einen Rechtsanwalt in der Berufungsinstanz treffenden Aufgabe keine Rede sein kann, wenn dieser sich auf die Stellung eines Prozesskostenhilfegesuchs beschränkt und das Gesuch näher begründet.

22Der Umstand, dass der Rechtsanwalt bereit war, ohne gesicherte Finanzierung Berufung einzulegen, ist ebenfalls nicht geeignet, Zweifel an der Behauptung des Prozessvertreters zu wecken, er sei nicht bereit, ohne gesicherte Finanzierung die Berufung zu begründen. Die Einlegung der Berufung erfolgte mittels eines standardisierten Schriftsatzes von wenigen Zeilen und lässt keinen Rückschluss auf die Bereitschaft zu, das Berufungsverfahren darüber hinaus zu fördern und hierfür die volle anwaltliche Haftung zu übernehmen. Anders als das Berufungsgericht meint, belegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Verhalten des Prozessvertreters, zunächst nur einen begründeten Prozesskostenhilfeantrag zu stellen und die Durchführung des Berufungsverfahrens unter die Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe zu stellen, objektiv, dass er - wie von ihm behauptet - seine Tätigkeit im Berufungsrechtszug zunächst allein auf die Einlegung des Rechtsmittels und die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags beschränken wollte. Für die Bereitschaft zu einer Tätigkeit nur bei Gewährung von Prozesskostenhilfe spricht schließlich, dass der Rechtsanwalt, wie von diesem überdies anwaltlich versichert, auch zuvor nur nach Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Klägerin tätig geworden ist.

234. Unzulässig ist die Rechtsbeschwerde, soweit die Klägerin eine Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung zwecks Gewährung von Prozesskostenhilfe begehrt. Gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in zweiter Instanz ist die Rechtsbeschwerde nicht von Gesetzes wegen zugelassen. Die Rechtsbeschwerde setzt daher eine - hier nicht erfolgte - Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Berufungsgericht voraus (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO; Zöller/Schultzky, ZPO, 35. Aufl., § 127 Rn. 42, 61). Dementsprechend hat die Klägerin gegen die Versagung Anhörungsrüge erhoben, die das Berufungsgericht zurückgewiesen hat, was ebenfalls unanfechtbar ist (§ 321a Abs. 4 Satz 4 ZPO). Der Senat weist jedoch darauf hin, dass Entscheidungen über die Versagung von Prozesskostenhilfe nicht in materielle Rechtskraft erwachsen (, WM 2004, 841 f), so dass die Klägerin nicht gehindert ist, einen neuen Prozesskostenhilfeantrag zu stellen.

III.

24Die Sache ist zur Endentscheidung reif, soweit die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt. Im Übrigen wird das Berufungsgericht in der Sache zu entscheiden haben.

Schoppmeyer                 Schultz                  Selbmann

                     Harms                   Kunnes

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:060824BIXZB26.23.0

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 10 Nr. 39
NJW 2024 S. 3230 Nr. 44
NJW 2024 S. 3232 Nr. 44
KAAAJ-74499