Instanzenzug: LG Essen Az: 64 KLs 10/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten B. und den Mitangeklagten C. jeweils wegen „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf die nicht ausgeführten Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten B. führt mit der Sachrüge zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, auch soweit der Mitangeklagte C. , welcher seine Revision zurückgenommen hat, betroffen ist. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
21. Die auf die erhobene Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3Der Senat fasst jedoch den Schuldspruch dahin neu, dass die Angeklagten jeweils statt der „gemeinschaftlichen“ gefährlichen Körperverletzung der gefährlichen Körperverletzung schuldig sind. Denn die mittäterschaftliche Begehungsweise im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB ist auch im Fall des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB im Tenor nicht aufzuführen (vgl. Rn. 4; Urteil vom – 2 StR 30/16 Rn. 7; Beschluss vom – 3 StR 74/18; vgl. allgemein zu § 25 Abs. 2 StGB BGH; Beschluss vom – 4 StR 689/10 Rn. 4; Beschluss vom – 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 289).
42. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
5a) Das Landgericht hat neben anderen Zumessungskriterien zu Lasten des Angeklagten B. gewertet, dass er für den bewusstlos am Boden liegenden Nebenkläger keine Hilfe gerufen, sondern sich aus der Straßenbahn entfernt habe.
6Diese Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn sie lässt besorgen, dass die Kammer - rechtsfehlerhaft - das Fehlen eines möglichen Strafmilderungsgrundes zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat (vgl. Rn. 4). Das Herbeiholen ärztlicher Hilfe für das Opfer ist regelmäßig strafmildernd zu berücksichtigen (vgl. Rn. 2). Umgekehrt darf aber nicht ohne weiteres strafschärfend berücksichtigt werden, dass eine solche Bemühung unterblieben ist (vgl. BGH bei Holtz MDR 1979, 806; Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 40). Die Formulierung der Kammer lässt sich auch nicht, anders als der Generalbundesanwalt meint, als bloße Bekräftigung für die strafschärfende Berücksichtigung der konkret eingetretenen Lebensgefahr begreifen.
7Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass das Landgericht ohne diese fehlerhafte Erwägung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte, und hebt daher den Strafausspruch auf. Da der Rechtsfehler nur die rechtliche Bewertung der festgestellten Strafzumessungstatsachen betrifft, können die getroffenen Feststellungen zu den Strafaussprüchen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
8b) Die Aufhebung im Strafausspruch war auf den Mitangeklagten C. zu erstrecken (§ 357 StPO). Der Mitangeklagte C. ist wegen derselben Tat wie der verbliebene Revident verurteilt worden (vgl. Rn. 31). Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung auch zu seinen Lasten gewertet, dass dieser für den bewusstlos am Boden liegenden Nebenkläger keine Hilfe gerufen, sondern sich aus der Straßenbahn entfernt habe, so dass auch eine Gleichartigkeit der Rechtsverletzung gegeben ist. Die Regelung der Revisionserstreckung gilt auch für einen Angeklagten, der zwar zunächst Revision eingelegt, diese aber zurückgenommen hat (vgl. , NJW 1996, 2663, 2665).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:010824B4STR2.24.0
Fundstelle(n):
SAAAJ-74414