Instanzenzug: Az: 2 KLs 500 Js 38591/22 jug
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Daneben hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
2Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seinem umfassend eingelegten, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsmittel. Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt teilweise vertretene Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet den Teilfreispruch in einigen der Fälle und greift das Urteil zur Tat 4 der Urteilsgründe an, soweit der Angeklagte nicht wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt wurde. Darüber hinaus rügt sie die Strafzumessung als zum Vorteil des Angeklagten rechtsfehlerhaft. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Revision des Angeklagten erweist sich hingegen als unbegründet.
I.
3Das Landgericht hat – soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
41. Der Angeklagte missbrauchte seine am geborene Tochter über einen längeren Zeitraum – möglicherweise bereits ab dem Jahr 2017 und bis zum Juli 2022 – sexuell. Bei einzelnen Gelegenheiten bezog er auch zwei etwa gleichaltrige Freundinnen der Geschädigten in das Missbrauchsgeschehen ein. Im Einzelnen kam es zu folgenden Taten:
5a) An einem nicht näher bestimmbaren Tag vor dem – bis zu diesem Tag wohnte die Familie in N. , danach in B. –, frühestens jedoch im Jahr 2017, lag die Tochter des Angeklagten mit einer ihrer Freundinnen im Elternschlafzimmer der Wohnung auf dem Bett. Der Angeklagte gab den Mädchen zwei Vibratoren. Sie entkleideten sich und hielten sich die eingeschalteten Vibratoren an ihre Scheiden – möglicherweise jeweils über der Unterhose. Die Strafkammer hat nicht sicher feststellen können, dass der Angeklagte die Mädchen zu ihrem Tun aufforderte, wenn sie dies auch für naheliegend gehalten hat; jedenfalls habe der Angeklagte aber die Verwendung der Vibratoren für möglich gehalten und sei damit einverstanden gewesen (Tat 1 der Urteilsgründe, Fall 2 der Anklageschrift).
6b) An einem nicht näher bestimmbaren Tag nach dem lag der Angeklagte in Rückenlage auf seinem Bett im Keller des Hauses in B. und seine Tochter bäuchlings auf ihm; beide waren am Unterleib nackt. Der Angeklagte bewegte die Geschädigte mit beischlafähnlichen Bewegungen auf seinem Körper vor und zurück, so dass sein Penis ihre Scheide und/oder ihren Po berührte. Möglicherweise kam er bei dieser Gelegenheit zum Samenerguss (Tat 2 der Urteilsgründe, Fall 6 der Anklageschrift).
7c) An einem anderen Tag im Tatzeitraum duschten der Angeklagte und seine Tochter gemeinsam. Der Angeklagte hob sie hoch und nahm sie auf den Arm, wobei ihre Beine um seine Hüften geschlungen waren. Der Angeklagte schob seinen erigierten Penis oder führte ihn mit der Hand zwischen die Pobacken der Geschädigten (Tat 3 der Urteilsgründe, Fall 10 der Anklageschrift).
8d) Bei einer anderen Gelegenheit nach dem saß sie mit unbekleidetem Unterleib mit gespreizten Beinen auf einem Stuhl. Der Angeklagte führte eine Schraube, die ungefähr sechs bis sieben Zentimeter lang war, einige Zentimeter zumindest zwischen die äußeren Schamlippen seiner Tochter, was ihr Schmerzen bereitete. Obwohl das Landgericht dies für möglich gehalten hat, hat es nicht sicher feststellen können, dass der Angeklagte mit der Schraube in den Scheidenvorhof des Mädchens eindrang (Tat 4 der Urteilsgründe, Fall 12 der Anklageschrift).
9e) An einem anderen Tag im Tatzeitraum nach dem saß die Geschädigte mit entblößtem Unterkörper und gespreizten Beinen auf dem Bett des Angeklagten im Keller des Hauses in B. . Er lehnte eine geöffnete Bierflasche an die nackte Scheide des Kindes, das zurückzuckte. Dadurch lief die Flasche aus und Bier floss auch auf die Scheide, was dem Mädchen ein Brennen verursachte. Der Angeklagte „rüffelte“ seine Tochter für das Umkippen der Bierflasche (Tat 5 der Urteilsgründe, Fall 13 der Anklageschrift).
10f) Wiederum bei anderer Gelegenheit im Keller des Hauses in B. nahm die Geschädigte auf Veranlassung des Angeklagten seinen Penis in den Mund; ob er seine Tochter gleichzeitig an der Scheide leckte, hat die Strafkammer nicht sicher feststellen können (Tat 6 der Urteilsgründe, Fall 16 der Anklageschrift).
11g) Vom 8. Juli bis zum übernachtete eine andere Freundin bei der Geschädigten. Am zeigte der Angeklagte den beiden Mädchen auf seinem Mobiltelefon ein Video mit zwei nackten Frauen, von denen eine an der Scheide der anderen Frau leckte. Anschließend zeigte er ihnen zumindest kurz ein weiteres Video von einem Jungen oder Mann, der an der Scheide eines Mädchens oder einer Frau leckte (Tat 7 der Urteilsgründe, Fall 21 der Anklageschrift).
12h) Am Abend desselben Tages veranlasste der Angeklagte die Mädchen dazu, aus dem Zimmer der Tochter ins Wohnzimmer zu kommen, ihre Shorts und Unterhosen auszuziehen und sich mit angewinkelten, gespreizten Beinen auf die Couch zu setzen, um ihm ihre Scheiden zu zeigen. Der Angeklagte sagte der Freundin seiner Tochter sinngemäß, dass sie schön aussehe und streichelte die beiden Mädchen jeweils an der Scheide. Im Anschluss forderte er die Geschädigte auf, die Freundin zu küssen; letztere drehte sich aber weg. Dann zogen sich die Mädchen wieder an und gingen ins Zimmer der Tochter. Am Tag danach erzählte die Freundin ihrer Mutter von den Handlungen des Angeklagten, was zur Aufdeckung der Taten führte (Tat 8 der Urteilsgründe, Fall 22 der Anklageschrift).
132. Von weiteren Tatvorwürfen hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Insoweit ist Folgendes von Bedeutung:
14a) Hinsichtlich des Vorwurfs, der Angeklagte habe seine Tochter am ganzen Körper gestreichelt und unter der Kleidung an die Scheide gefasst, als sie an einem nicht näher bestimmbaren Tag vor dem im Wohnzimmer hintereinander seitlich auf der Couch lagen und fernsahen (Fall 1 der Anklageschrift), hat die Strafkammer einen Personentransfer in der Erinnerung der Geschädigten auf ihren Halbbruder aufgrund einer Vermengung zweier ähnlicher Situationen nicht ausschließen können.
15b) Zu dem Vorwurf, der Angeklagte habe an einem anderen Tag in B. in Anwesenheit der Geschädigten bis zum Samenerguss onaniert und das Ejakulat dann mit einem Handtuch weggewischt (Fall 4 der Anklageschrift), habe sie das Wegwischen mit dem Handtuch nur in einer richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren berichtet, nicht aber in der Vernehmung durch die Strafkammer. Durch diesen Umstand sei die Tat in der Anklageschrift konkretisiert worden, habe sich so in der Hauptverhandlung aber nicht feststellen lassen.
16c) Von der Begehung von drei weiteren Taten, die der Angeklagte zum Nachteil seiner Tochter und der Freundin aus Tat 1 der Urteilsgründe noch in N. , also vor dem begangen habe (Fälle 17 bis 19 der Anklageschrift), hat sich das Landgericht nicht überzeugen können, weil die Angaben der Freundin für eine Verurteilung mangels einer anschaulichen und zusammenhängenden Sachverhaltsschilderung nicht ausreichend seien; die Angaben der Tochter seien zu vage, um eine der durch die Anklageschrift konkretisierten Taten feststellen zu können.
17d) Gleiches gelte für eine weitere Tat zum Nachteil seiner Tochter und der weiteren Geschädigten wie in Tat 7 und 8 der Urteilsgründe am , die dem Angeklagten zu Last liegt (Fall 20 der Anklageschrift). Die Tochter habe den Vorfall nicht geschildert, die Angaben der Freundin seien für eine Überzeugungs-bildung nicht konstant genug.
II.
18Die beschränkt eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist zum Teil begründet.
191. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist beschränkt auf die Freisprüche in den Fällen 1, 4, 17 und 20 der Anklageschrift, auf den Schuldspruch zu Tat 4 der Urteilsgründe (Fall 12 der Anklageschrift) sowie auf den Strafausspruch.
20Das ergibt sich zunächst aus dem Schriftsatz der Staatsanwaltschaft vom , in dem ausgeführt wird, dass die Revision sich nicht auf die Freispruchsfälle beziehe, in denen die Sitzungsvertreterin in der Hauptverhandlung selbst auf Freispruch des Angeklagten angetragen hatte. Dies sind – wie schon aus den Urteilsgründen ersichtlich – die Fälle 3, 5, 7 bis 9, 11, 14, 15, 18 und 19 der Anklageschrift.
21Aber auch im Übrigen ergibt sich die Beschränkung der Revision aus Folgendem: Zwar hat die Staatsanwaltschaft am Ende der Revisionsbegründung ohne weitere Differenzierung beantragt, das Urteil im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Damit steht der übrige Inhalt der Revisionsrechtfertigung aber nicht im Einklang. Denn neben dem ausdrücklichen Angriff hinsichtlich der Freisprüche in den Fällen 1, 4, 17 und 20 der Anklageschrift betreffen die einzelnen Beanstandungen der Staatsanwaltschaft nur den Schuldspruch zur Tat 4 der Urteilsgründe und den Strafausspruch. In einem solchen Fall ist das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (vgl. , NStZ-RR 2015, 88 f. mwN), wobei maßgeblich auf den Sinn der Rechtsmittelbegründung abzustellen und bei Revisionen der Staatsanwaltschaft Nr. 156 RiStBV in den Blick zu nehmen ist. Nach Absatz 1 der genannten Richtlinie ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, jedes von ihr eingelegte Rechtsmittel zu begründen. Darüber hinaus soll die Staatsanwaltschaft ihre Revision stets so rechtfertigen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils sie eine Rechtsverletzung erblickt und auf welche Gründe sie ihre Rechtsauffassung stützt (Nr. 156 Abs. 2 RiStBV). Dies entspricht auch dem Zweck der Vorschrift des § 345 Abs. 2 StPO, die der sachkundigen Zusammenfassung der von der Revision erstrebten rechtlichen Angriffe dient.
22Angesichts dessen ist nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft zunächst in den Fällen 1, 4, 17 und 20 der Anklageschrift der jeweilige Freispruch angefochten. Zwar hat die Staatsanwaltschaft auch hinsichtlich der Fälle 17 und 20 der Anklageschrift nicht näher begründet, warum sie das Urteil insoweit als rechtsfehlerhaft erachtet, mit Blick auf die ausdrückliche Erstreckung der Revision auf diese Fälle vermag der Senat diesem Begründungsmangel aber keine Beschränkung des Rechtsmittels zu entnehmen. Soweit der Angeklagte verurteilt wurde, ergibt die Auslegung nach den genannten Grundsätzen, dass allein der Schuldspruch zu Tat 4 der Urteilsgründe und der (gesamte) Strafausspruch angefochten sind (vgl. , NStZ-RR 2022, 201 mwN). Entgegen der auch in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vertretenen Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft ist damit das – in aller Regel und mangels entgegenstehender Gesichtspunkte (vgl. dazu etwa Rn. 9 mwN) auch hier unabhängig vom Strafausspruch zu beurteilende und isoliert anfechtbare – Unterbleiben der Anordnung der Sicherungsverwahrung (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ 2007, 212, 213 mwN) nicht angefochten und damit nicht der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterworfen.
232. Im Umfang der Anfechtung hat das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft teilweise Erfolg.
24a) Soweit der Angeklagte in den Fällen 1, 4, 17 und 20 der Anklageschrift freigesprochen worden ist, gilt das Folgende:
25Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind, weil die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. etwa Rn. 11 mwN), oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überzogene Anforderungen gestellt worden sind (vgl. etwa Rn. 7 mwN). Solche Rechtsfehler finden sich indes hier nur im Fall 1 der Anklageschrift.
26aa) Hierzu hat die Strafkammer ausgeführt, dass die Nebenklägerin konstant durch alle Vernehmungen geschildert habe, sie habe zu einem Zeitpunkt vor dem mit dem Angeklagten hintereinander auf der Couch gelegen und ferngesehen. Bei dieser Gelegenheit, die der erste Vorfall mit dem Angeklagten gewesen sei, habe er mit seiner Hand ihre nackte Scheide gestreichelt. Die Zuordnung dieses Geschehens zum Angeklagten erschien dem Landgericht aufgrund der konstanten und guten Schilderung „vergleichsweise sicher“. Eine Situation, dass die Geschädigte mit jemand anderem außer dem Angeklagten auf der Couch gelegen und ferngesehen habe und dann ihre Scheide angefasst worden sei, habe es nach ihren für glaubhaft befundenen Bekundungen nicht gegeben, auch nicht mit ihrem Halbbruder.
27Gleichwohl hat die Strafkammer gemeint, eine Vermengung zweier ähnlicher Situationen und ein Personentransfer in der Erinnerung der Geschädigten könne „nicht gänzlich“ ausgeschlossen werden, auch wenn es wahrscheinlich sei, dass die Geschädigte ein tatsächliches Geschehen mit ihrem Vater wiedergegeben habe. Denn sie habe in Bezug auf ihren älteren Halbbruder geschildert, dass es auf der genannten Couch mehrfach zu sexuellen Handlungen gekommen sei und auch die Mutter der Geschädigten habe von einer Situation berichtet, in der sich die Geschädigte und der Halbbruder beim Fernsehen auf der Couch unter der Decke „nahe gewesen“ seien. Dabei sei es nach Auffassung der Mutter der Geschädigten „um ein Anfassen“ gegangen.
28Wie der Generalbundesanwalt zutreffend hervorgehoben hat, steht dies in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zu der auch von der Strafkammer für glaubhaft erachteten, klaren Aussage der Geschädigten, es habe eine Situation wie mit dem Angeklagten mit ihrem Halbbruder nicht gegeben. Das Landgericht hat selbst erkannt, dass die von der Geschädigten geschilderten Situationen mit dem Halbbruder anders gelagert waren. Soweit es die Aussage der Mutter der Geschädigten herangezogen hat, hätte es näherer Darlegung bedurft, weshalb die Mutter zu der Annahme gelangen konnte, dass es bei dem „Nahesein“ unter der Decke überhaupt um ein „Anfassen“ gegangen sei, wobei etwaige für diese Bewertung maßgebenden Tatumstände hätten mitgeteilt werden müssen. Dies gilt zumal, da die Mutter – wie die Strafkammer an anderer Stelle ausgeführt hat – im Laufe des Ermittlungsverfahrens die Nebenklägerin massiv unter Druck gesetzt hatte, um sie zum Widerruf ihrer den Angeklagten belastenden Angaben zu bewegen. Ohne konkrete Beweisanzeichen, die eine Relativierung der Aussage der Geschädigten hätten bedingen können, erweist sich die vom Landgericht gezogene Schlussfolgerung auf eine mögliche Vermengung oder einen Personentransfer aber als rechtsfehlerhaft, denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. etwa Rn. 10 mwN).
29bb) Im Übrigen haben sich – soweit der Freispruch angegriffen ist – Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten nicht ergeben.
30(1) Im Fall 4 der Anklageschrift hat die Strafkammer sich an einer Verurteilung des Angeklagten gehindert gesehen, weil seine Tochter den von der Anklageschrift konkretisierten Sachverhalt, der Angeklagte habe in dem Haus in B. in ihrer Anwesenheit bis zum Samenerguss onaniert und das Ejakulat anschließend mit einem Handtuch weggewischt, in der Hauptverhandlung nicht geschildert habe. Sie habe zwar in ihrer ersten Vernehmung generell von Samenergüssen berichtet, ohne allerdings – auch auf Nachfrage – eine spezifische Situation zu schildern, und in ihrer zweiten Vernehmung angegeben, der Angeklagte habe einmal einen Samenerguss gehabt, der auf einem Handtuch gelandet sei. Dazu habe sie aber weder eine zusammenhängende Situation schildern oder auch nur einen Ort oder eine Zeit nennen können.
31Soweit die Staatsanwaltschaft hierzu ausgeführt hat, die Strafkammer habe zu hohe Anforderungen an das Erinnerungsvermögen der Geschädigten gestellt, die „in immerhin fünf Befragungen reproduziert“ habe, dass der Angeklagte vor ihr onaniert habe und in zwei Vernehmungen in diesem Zusammenhang auch von einem Handtuch gesprochen habe, ist es schon nicht zutreffend, dass die Geschädigte konstant von einem Onanieren des Angeklagten berichtet habe. Jedenfalls ergibt sich dies nicht aus dem Urteil, das diesen Sachverhalt lediglich bei der Wiedergabe einer – der zweiten ermittlungsrichterlichen – Vernehmung darstellt. In allen anderen Vernehmungen hat die Geschädigte vielmehr – soweit sie sich überhaupt insoweit geäußert hat – nur generell und in kindlicher Sprache von Samenergüssen des Angeklagten berichtet. Revisionsrechtlich relevante Rechtsfehler in der Beweiswürdigung, etwa überzogene Anforderungen an die Überzeugungsbildung, zeigt die Revisionsbegründung mithin insoweit nicht auf. Vielmehr hat sie sich letztlich darauf beschränkt, auf nicht urteilskonformer Tatsachengrundlage ihre eigene Wertung des Beweisergebnisses an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzten, was sich etwa an ihrer abschließenden Zusammenfassung zeigt, es könne „kein Zweifel“ bestehen, dass es sich bei den „konstanten Schilderungen des Onanierens bis zum Samenerguss … um den angeklagten Sachverhalt“ handele. Damit kann sie im Revisionsverfahren nicht durchdringen.
32(2) Zu den Fällen 17 und 20 der Anklageschrift – insoweit ist die Generalstaatsanwaltschaft der Revision nicht beigetreten und der Generalbundesanwalt vertritt sie nicht – hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung schon keine Gründe ausgeführt, warum die Freisprüche rechtsfehlerhaft sein sollten. Insbesondere im Fall 17 hätte es solcher schon deshalb bedurft, weil der Freispruch insoweit mit den gleichen Argumenten begründet wurde, wie in den Fällen 18 und 19 der Anklageschrift, in denen die Staatsanwaltschaft selbst in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht den Freispruch des Angeklagten beantragt hatte und insoweit das Urteil auch nicht angreift. Davon losgelöst sind Rechtsfehler der Strafkammer in ihrer in diesen Fällen zum Freispruch führenden Beweiswürdigung nicht ersichtlich.
33b) Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft zuungunsten des Angeklagten das verurteilende Erkenntnis angreift, ist sie begründet.
34aa) Zu Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft die Beweiswürdigung des Landgerichts zu Tat 4 der Urteilsgründe (Fall 12 der Anklageschrift), aufgrund derer es sich gehindert gesehen hat, den Angeklagten wegen dieser Tat des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB aF schuldig zu sprechen.
35Auch insoweit hat die Strafkammer die Bekundungen der Geschädigten für glaubhaft erachtet, die konstant bereits ab ihrer ersten Vernehmung von einer langen, gedrehten und spitzen, teils auch als rostig beschriebenen Schraube – nach der von ihr gezeigten Länge durch Polizeibeamte auf 7 bis 9 Zentimeter, durch die Strafkammer auf 6 bis 7 Zentimeter geschätzt – berichtet habe, die ihr Vater „in ihr Loch“ gesteckt und die ihr Schmerzen bereitet habe, als sie „zur Hälfte“ in ihr gewesen sei. Sie sei in ihrer Vagina gewesen, nicht im Po, in späteren Vernehmungen sprach sie von ihrem „dritten Loch, was bei den Frauen sei“. Dort sei die Schraube „ein bisschen in ihr drin gewesen; sie habe gesehen, dass auch noch etwas draußen gewesen sei.“ Als es wehgetan habe, habe sie die Schraube herausgeholt, die heruntergefallen sei. Das Landgericht hat sich gleichwohl nicht die Überzeugung verschaffen können, dass der Angeklagte mit der Schraube zumindest in den Scheidenvorhof eingedrungen sei. Dafür spreche zwar die Schilderung der Geschädigten, die Schraube sei ein Stück in ihrem dritten Loch gewesen, was sie auch gesehen habe, jedoch verfüge sie nur über ein eingeschränktes anatomisches Verständnis ihrer Genitalien und könne daher ein Eindringen möglicherweise nicht verlässlich beurteilen. Die berichteten Schmerzen seien ebenfalls nicht hinreichend aussagekräftig, weil sie auch durch eine Manipulation mit der spitzen Schraube an der Scheide hätten entstehen können.
36Diese Erwägungen offenbaren letztlich wiederum überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung und damit die Anlegung eines unzutreffenden rechtlichen Maßstabs. Soweit die Strafkammer die – eindeutigen – Angaben der Geschädigten wegen vermeintlich unzureichender anatomischer Kenntnisse für nicht verlässlich gehalten hat, widerspricht dies den getroffenen Feststellungen. Mit Blick auf diese Urteilspassage hat die Staatsanwaltschaft zutreffend darauf hingewiesen, dass die Nebenklägerin im Gegenteil mit der Kenntnis von drei Körperöffnungen im Genitalbereich – Harnröhrenausgang, Vagina und Anus – und deren Anordnung die weibliche Anatomie zutreffend beschrieben hat. Als lückenhaft erweist sich in diesem Zusammenhang die Würdigung, die Geschädigte habe auch zu Tat 3 der Urteilsgründe mehrfach davon gesprochen, dass der Penis des Angeklagten in ihrem Po gewesen sei, obwohl sie nur zum Ausdruck habe bringen wollen, dass er zwischen ihren Pobacken gewesen sei, was einen weiteren Beleg für die mangelnde Verlässlichkeit ihrer Angaben darstelle. Insoweit hat die Strafkammer aber aus dem Blick verloren, dass die Geschädigte, die nach den Feststellungen bemüht war, den Angeklagten zu entlasten, ihre Angaben zu diesem Fall – und insgesamt zu einem Eindringen des Angeklagten mit seinem Penis in ihren Po – auf Nachfrage in späteren Vernehmungen von sich aus korrigiert und auch auf Vorhalt an der Korrektur festgehalten hat. Davon abweichend hat die Nebenklägerin zur Tat 4 der Urteilsgründe aber stets bekundet, der Angeklagte habe die Schraube in sie hineingesteckt. Aus dem Vergleich zur Tat 3 der Urteilsgründe geht damit wiederum hervor, dass die Geschädigte im Gegenteil zur Annahme der Strafkammer durchaus in der Lage war, zwischen einem Eindringen und einer Manipulation im äußeren Bereich der Genitalien oder des Anus zu unterscheiden. Indem das Landgericht – den Tatvorwurf relativierend – darauf abgestellt hat, die Schmerzen könnten auch durch eine bloße Manipulation an der Scheide hervorgerufen worden sein, hat es zudem in rechtsfehlerhafter Weise im Ergebnis eine Sachverhaltsvariante unterstellt, für die das Beweisergebnis in der Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. oben, II. 2. a) aa).
37bb) Die Strafzumessungserwägungen weisen – wie die Staatsanwaltschaft und der Generalbundesanwalt im Ergebnis zu Recht ausführen – den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler auf.
38Allerdings unterliegt auch die Strafzumessung nur in eingeschränktem Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Denn es ist Sache des Tatgerichts, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Person des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen oder gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa Rn. 7 mwN). Solche Rechtsfehler finden sich indes hier:
39(1) Die Strafkammer hat durchgängig bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten unter anderem berücksichtigt, dass er als Sexualstraftäter und insbesondere auch durch die Trennung von der Familie durch die Haft besonders belastet werde und er die Untersuchungshaft als erhebliche psychische Belastung empfunden habe. Konkrete Umstände, die insoweit eine besondere über das normale Maß hinausgehende Haftempfindlichkeit belegen würden, hat sie nicht dargelegt. Dies ist rechtsfehlerhaft. Denn die Trennung des Angeklagten von seiner Familie ist eine zwangsläufige Folge der Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe und als solche kein die Strafe mildernder Gesichtspunkt (vgl. Rn. 7). Werden – wie hier – keine konkreten sich aus der Haft ergebenden Belastungen festgestellt, ist der Umstand, dass jemand als (mutmaßlicher oder verurteilter) Sexualstraftäter in Haft gerät, für sich genommen kein tragfähiger Strafmilderungsgrund.
40(2) Die Strafkammer hat zugunsten des Angeklagten weiter berücksichtigt, dass die „auffällige sexuelle Freizügigkeit“ der Geschädigten, für deren Entwicklung ein Einfluss durch den Angeklagten nahe liege, aber nicht sicher feststehe, die Hemmschwelle des Angeklagten zur Begehung der Taten herabgesetzt habe. Eine solche Überlegung führt indes dazu, die Nebenklägerin auf Grund ihrer untypisch frühen Sexualisierung der Sache nach als weniger schutzbedürftig anzusehen. Dies lässt sich mit dem Normzweck von § 176a StGB aF und § 174 StGB nicht vereinbaren. Denn § 176a StGB aF soll die ungestörte sexuelle Entwicklung und Selbstbestimmung von Kindern schützen, die schon auf Grund ihres geringen Alters sexuellen Übergriffen nicht begegnen können (vgl. , BGHSt 38, 68, 69; vom – 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 132). Die Vorschrift des § 174 StGB bezweckt den Schutz von Minderjährigen, die sich in den dort erfassten Abhängigkeitsverhältnissen befinden und deshalb nicht selbstbestimmt entscheiden können (, BGHSt 46, 85, 87).
41In diese Entwicklung und Selbstbestimmung wird aber unabhängig davon eingegriffen, ob die Kinder – wie hier aus welchen Gründen auch immer die Nebenklägerin – sich im jungen Alter bereits sexuell freizügig verhalten. Dieser Umstand durfte mithin nicht als bestimmender Strafmilderungsgrund in die Strafzumessung eingestellt werden (vgl. insoweit auch , NStZ-RR 2024, 116; LK/Hörnle, StGB, 13. Aufl., § 176 Rn. 43).
42(3) Zu Recht weisen die Staatsanwaltschaft und der Generalbundesanwalt darauf hin, dass die zu Tat 6 der Urteilsgründe zugunsten des Angeklagten unterstellte kurze Dauer des Oralverkehrs nicht belegt ist; vielmehr spricht der Umstand, dass es beim Oralverkehr auch zum Samenerguss des Angeklagten im Mund der Geschädigten gekommen sein soll, gegen eine solche Annahme.
43c) Da – wie dargelegt – der Rechtsfolgenausspruch im Übrigen mit der Revision der Staatsanwaltschaft nicht angefochten worden ist, kommt es auf die Beanstandungen der unterlassenen Prüfung der Sicherungsverwahrung durch die Generalstaatsanwaltschaft und den Generalbundesanwalt nicht an. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob hier überhaupt ein Fall gegeben war, in dem sich die Erörterung der Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung aus sachlich-rechtlichen Gründen ausnahmsweise aufgedrängt hätte (vgl. dazu , BGHR StGB § 66 Abs. 3 Begründung 1).
44d) Im Umfang der Aufhebung muss die Sache nach alledem auf die Revision der Staatsanwaltschaft neu verhandelt und entschieden werden. Die Feststellungen sind – mit Ausnahme derjenigen zu Tat 4 der Urteilsgründe, die der Aufhebung unterliegen – von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht wird zu Tat 4 der Urteilsgründe, wenn es zu entsprechenden Feststellungen kommt, auch in den Blick zu nehmen haben, ob das Einführen einer spitzen und gegebenenfalls rostigen Schraube in die Vagina eines Mädchens zusätzlich den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt. In dem Fall 1 der Anklageschrift, in dem es den Angeklagten rechtsfehlerhaft freigesprochen hat, wird es umfassend neue Feststellungen zu treffen haben.
III.
45Der Revision des Angeklagten bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen der Erfolg versagt.
46Ergänzend zu diesen Ausführungen bemerkt der Senat:
47Mit der selektiven Zitierung einzelner Stellen des Urteils zeigt die Revision Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf. Insbesondere bestehen die geltend gemachten Lücken und Erörterungsmängel nicht. So hat das Landgericht sich umfassend und eingehend mit der Konstanz der Aussagen der den Angeklagten belastenden Zeuginnen befasst, diese mit nachvollziehbarer Begründung für die zur Verurteilung gelangten Taten bejaht und im Übrigen bei zahlreichen vom Anklagevorwurf umfassten Fällen auch verneint. Mit der Frage, ob das Aussageverhalten der Tochter des Angeklagten einer Ausweitung unterlag und wie diese zu beurteilen war, hat sich die Strafkammer entgegen dem Revisionsvorbringen im Urteil befasst. Die Einlassung des Angeklagten zur Tat 7 der Urteilsgründe hat das Landgericht mit nachvollziehbarer Begründung als unplausibel und widerlegt gewertet.
48Im Übrigen beschwert es den Angeklagten nicht, dass die Strafkammer – obwohl es mehrere Geschädigte gab, deren Aussagen sich zumindest teilweise gegenseitig stützten und bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten etwa auch zur Aussage der Nebenklägerinnen passende Sachbeweise (ein als „Stab“ bezeichneter mutmaßlich bei Tat 1 der Urteilsgründe verwendeter Dildo) sichergestellt wurden – durchgehend von einer Aussage-gegen-Aussage-Situation ausgegangen ist, und die Aussagen der Mädchen einer besonders kritischen Würdigung unterworfen hat (vgl. zu den Voraussetzungen einer solchen Beweiskonstellation LR/Sander, StPO, 27. Aufl., § 261 Rn. 107 mwN).
Das Urteil des Senats vom – 5 StR 104/24 – wird wegen eines offensichtlichen Fassungsversehens dahin berichtigt, dass der 1. Absatz des Urteilstenors wie folgt lautet:
„Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das aufgehoben (…)“.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:150824U5STR104.24.0
Fundstelle(n):
KAAAJ-74392