Instanzenzug: LG Detmold Az: 21 KLs 30/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Den Angeklagten B. hat es wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat das Landgericht diverse Gegenstände eingezogen und gegen den Angeklagten A. die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
21. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen: Unbekannte Hintermänner warben den Angeklagten A. an, sich um die Anzucht, Pflege und Ernte von Marihuanapflanzen in einer professionell ausgestatteten Marihuanaplantage zu kümmern. Jedenfalls ab Februar 2023 war der fortan in dem Objekt wohnende Angeklagte – zusammen mit anderen unbekannten Personen – verantwortlich für die tägliche fachgerechte Aufzucht (Pflege, Düngung, Bewässerung, Belichtung und Belüftung) einer Vielzahl von Marihuanapflanzen. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt ernteten der Angeklagte und unbekannte Mittäter die Plantage ab. Am Weiterverkauf der so gewonnenen 38 Kilogramm Marihuana war der Angeklagte A. nicht beteiligt.
3Neue Marihuana-Setzlinge wurden im Juni 2023 angeliefert. Im nächsten Monat stieß der Angeklagte B. hinzu, um fortan gemeinsam mit dem Angeklagten A. auf die zuvor geschilderte Weise die tägliche Versorgung der neuen Pflanzen und hierdurch eine (weitere) erfolgreiche Ernte sicherzustellen. Mit dem geplanten Weiterverkauf des Marihuanas sollten beide nicht befasst sein. Die Hintermänner hatten ihnen vielmehr für ihre „umfangreichen, eigenverantwortlichen Arbeiten“ zum Betrieb der Plantage sowie für die erfolgreiche Marihuanaernte eine Pauschalvergütung in Höhe von jeweils 4.000 € in Aussicht gestellt. Am durchsuchten die Ermittlungsbehörden das Objekt und stellten 634 Cannabispflanzen sicher, die bei Erntereife einen Mindestertrag von 38 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 6,49 Prozent Tetrahydrocannabinol erbracht hätten.
42. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrügen der Angeklagten führt zu dessen Aufhebung mitsamt den Feststellungen.
5a) Der Schuldspruch hat keinen Bestand. Am ist das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 109), was der Senat nach § 354a StPO, § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen hat. Nach der Neuregelung unterfällt der Umgang mit Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern allein dem Konsumcannabisgesetz (vgl. Rn. 3 ff.). Dieses ist im vorliegenden Fall im Rahmen der revisionsrechtlichen Überprüfung zudem als milder zu bewerten. Denn die Strafkammer hat die Strafen aus dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zugemessen, hinter dem auch § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG zurückbleibt.
6b) Einer Schuldspruchänderung durch den Senat (§ 354 Abs. 1 StPO analog) steht § 265 Abs. 1 StPO entgegen. Die Angeklagten hätten sich möglicherweise gegen den aufgrund der bisherigen Feststellungen nach dem KCanG zu fassenden Schuldspruch wirksamer als bislang geschehen verteidigen können.
7aa) Bei dem Angeklagten A. kommt nach den Urteilsgründen zunächst eine Strafbarkeit wegen Anbaus von Cannabispflanzen (§ 34 Abs. 1 Nr. 2b) KCanG) in Betracht. Diese Tathandlung ist grundsätzlich wie im Rahmen des BtMG auszulegen (vgl. BT-Drucks. 20/8704 S. 94). Sie umfasst demnach in Form der Aufzucht sämtliche gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Bemühungen, um ein Wachstum der Pflanzen zu erreichen (vgl. Rn. 6 mwN; zum BtMG vgl. Rn. 8 mwN; Weber in Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 54). Hierzu zählen etwa das Bewässern, Düngen und Belichten der Pflanzen. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte mithin die Begehungsvariante des Anbaus als (Mit-)Täter erfüllt (vgl. Rn. 8; Beschluss vom – 3 StR 118/22 Rn. 7 f.; jew. zum BtMG). Da er diese Tätigkeit im Rahmen von zwei Anbauzyklen ausgeübt hat, ist insoweit grundsätzlich von zwei Fällen des Anbaus von Cannabispflanzen auszugehen (vgl. Rn. 14; Weber in Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 117). Bei dem ersten Anbauzyklus ist zudem ein Herstellen von Cannabis infolge der Ernte in den Blick zu nehmen (vgl. Rn. 7 mwN).
8Der zugleich verwirklichte Besitz von Cannabis tritt hinter diese täterschaftlich verwirklichten Tatbestände zurück (vgl. Rn. 9 f.; Beschluss vom – 3 StR 139/24 Rn. 6). Sie gehen ihrerseits auch nicht in einer umfassenden Bewertungseinheit des Handeltreibens mit Cannabis auf. Denn ein täterschaftliches Handeltreiben des Angeklagten ist entgegen den Wertungen des Landgerichts den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch insoweit die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung am Handeltreiben auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, so kommt es darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (vgl. Rn. 6 mwN; Beschluss vom – 3 StR 136/22 Rn. 6; Beschluss vom – 4 StR 195/21 Rn. 9). Da der Angeklagte in die Einrichtung der Plantage, die Verkaufsverhandlungen und den Weiterverkauf des Marihuanas nicht eingebunden war und ebenso wenig von einer Umsatzbeteiligung profitieren sollte, kam ihm nach den bisherigen Feststellungen lediglich die Rolle eines Gehilfen zu. Bei beiden Anbauzyklen tritt danach tateinheitlich jeweils eine Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis hinzu. Insoweit hat sich die konkurrenzrechtliche Bewertung gegenüber der bisherigen Rechtslage nicht geändert (vgl. Rn. 5 mwN).
9bb) Der Angeklagte B. hat sich nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen aus den zuvor genannten Gründen ebenfalls wegen Anbaus von Cannabispflanzen strafbar gemacht. Mangels Beteiligung an einer Ernte scheidet bei ihm ein Herstellen von Cannabis aus. Vielmehr tritt tateinheitlich eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis hinzu. Da auch er in den Weiterverkauf des Marihuanas nicht involviert sein sollte und nur eine pauschale Vergütung in Aussicht hatte, scheidet bei ihm ebenfalls ein (mit-)täterschaftliches Handeltreiben aus.
10cc) Der Senat kann bei der Frage einer Schuldspruchänderung entsprechend § 354 Abs. 1 StPO jedoch unter den hier gegebenen Umständen nicht ausschließen, dass sich die Angeklagten in Kenntnis der abweichenden rechtlichen Bewertung wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Mit der Anklage wurde ihnen bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen. Hinweise auf eine anders gelagerte Strafbarkeit hat die Strafkammer ihnen weder im Eröffnungsbeschluss noch in der Hauptverhandlung erteilt. Insbesondere mit Blick auf die in Betracht kommenden abweichenden Handlungsformen (vgl. auch Rn. 15) und die auch insoweit jeweils in Rede stehende Art der Beteiligung ist eine womöglich effektivere Verteidigung der Angeklagten nicht sicher zu verneinen.
11Die Aufhebung der Schuldsprüche bedingt den Wegfall der Strafaussprüche und der Nebenentscheidungen gegen die Angeklagten.
12c) Die Einziehungsentscheidungen weisen auch für sich betrachtet Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
13aa) Soweit die Strafkammer gestützt auf § 74 Abs. 1 StGB Gegenstände eingezogen hat, lassen die Urteilsgründe keine Ermessensausübung erkennen. Zudem kommt eine Einziehung auf dieser Rechtsgrundlage nur in Betracht, wenn den Einziehungsadressaten die betreffenden Gegenstände gehören (§ 74 Abs. 3 StGB). Dies ist den Feststellungen ebenso wenig zu entnehmen wie der Umstand, dass es sich bei eingezogenen Geldbeträgen um Tatmittel handelt. Auch die Einziehung von 4.093 Gramm Marihuana hätte keinen Bestand haben können. Nach § 33 BtMG (wie nach § 37 KCanG) können Betäubungsmittel nur eingezogen werden, wenn sie Tatobjekte der ausgeurteilten Taten sind (vgl. Rn. 5 mwN). Dies ist nicht festgestellt und versteht sich nicht von selbst.
14bb) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 138.700 € gegen den Angeklagten A. ist ebenfalls rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat insoweit auf den Erlös aus dem Weiterverkauf der abgeernteten 38 Kilogramm Marihuana abgestellt. Hierbei hat es jedoch aus dem Blick verloren, dass die Einziehung nur bei einer Mitverfügungsgewalt des Angeklagten über die erlösten Kaufpreise gerechtfertigt ist (vgl. Rn. 6 mwN). Eine solche liegt hier nach den im Übrigen getroffenen Feststellungen fern.
15Da die Einziehung (des Wertes) von Taterträgen auch hinsichtlich des Tatlohns stattfindet, wie er dem Angeklagten nach der Ernte im ersten Anbauzyklus zugeflossen sein könnte, sieht der Senat jedoch nicht von der Maßnahme ab, sondern verweist die Sache auch insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück.
163. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat zudem auf Folgendes hin:
17Das neue Tatgericht hat nicht notwendig das KCanG anzuwenden, sondern einen eigenen Günstigkeitsvergleich (§ 2 Abs. 3 StGB) durchzuführen. Sollte es nach altem Recht – bei Schuldsprüchen u. a. wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (vgl. Rn. 12 mwN) – minder schwere Fälle gemäß § 29a Abs. 2 BtMG bejahen und zugleich nach neuem Recht den Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Sätze 1 und 2 Nr. 4 KCanG heranziehen wollen, decken sich die einschlägigen Strafrahmen. In diesem Fall wäre das BtMG als das Tatzeitrecht anzuwenden (vgl. Rn. 5; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 2 Rn. 10a mwN).
18Zudem wird das neue Tatgericht ggf. darauf Bedacht nehmen, die (vorgesehene) Beteiligung der Angeklagten auch an der Ernte zu belegen, die als solche ihren im ersten Rechtsgang festgestellten Einlassungen nicht zu entnehmen ist.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:300724B4STR221.24.0
Fundstelle(n):
JAAAJ-74388