BAG Beschluss v. - 4 ABR 16/22

Eingruppierung von Beschäftigten in Waren- und Kassenserviceteams - Abgrenzung gewerbliche Tätigkeiten/Angestelltentätigkeiten

Instanzenzug: Az: 3 BV 42/20 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 21 TaBV 4/21 Beschluss

Gründe

1A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des bei der Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrats zur beabsichtigten Ein- oder Umgruppierung von zuletzt noch 42 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

2Die Arbeitgeberin betreibt als Unternehmen des Einzelhandels bundesweit Warenhäuser, darunter auch in S (Betriebsstätte 410).

3Die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin war ursprünglich tarifgebundenes Mitglied des Handelsverbandes Baden-Württemberg e.V. Sie wechselte im Jahr 2019 in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung. Die Arbeitgeberin ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts aufgrund eines ua. von ihr abgeschlossenen „Integrations- und Überleitungstarifvertrags“ vom seit dem an die Tarifverträge des Einzelhandels Baden-Württemberg gebunden.

4Im Zuge einer Neustrukturierung schloss die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat am einen „Interessenausgleich und freiwillige Betriebsvereinbarung Restrukturierung 2019“. Danach sollte eine „neue Besetzungssystematik für den Verkauf“ implementiert werden. Die Aufgaben der Verkäufer sollten getrennt auf Mitarbeiter im Verkauf, mit Kassentätigkeit (Kassenserviceteam - KST) und gewerbliche Mitarbeiter für den Warenservice (Warenserviceteam - WST) übertragen werden. Die Maßnahmen wurden im Folgenden in der Betriebsstätte 410 umgesetzt.

5Die Stellenbeschreibung WST aus Mai 2019 hat ua. folgenden Inhalt:

6Für die Mitarbeiter im WST besteht eine arbeitgeberseitige Weisung, nach der diese Kunden mit Beratungsbedarf an die im Verkauf beschäftigten Mitarbeiter zu verweisen haben.

7Die Stellenbeschreibung KST aus Mai 2019 hat ua. folgenden Inhalt:

8Auf allen Etagen des Warenhauses sind Kassen eingerichtet, an denen Mitarbeiter des KST tätig werden. An diesen können Kunden Waren des gesamten Sortiments, auch von anderen Etagen, bezahlen. Der an den Kassen durchzuführende Warenumtausch erfolgt nach in der „Übersicht: Genehmigungsprozess Warenrückgaben einschließlich Vergütung“ festgehaltenen Vorgaben der Arbeitgeberin. Die Vorgehensweise unterscheidet sich danach, ob der Umtauschwert unter 150,00 Euro oder darüber liegt, ob die Ware bar oder unbar gezahlt wurde, ob der Originalbon vorhanden und die Ware einwandfrei ist sowie danach, wo sie erworben wurde. Grundsätzlich sollen Waren „ohne wenn und aber“ umgetauscht werden können. Die Mitarbeiter des KST erhalten darüber hinaus regelmäßig Informationen über die von ihnen zu beachtenden Rabattaktionen, Kartenzahlungsarten, die Kassenmappe und die Kundenkarte. Rabatte, Gutscheine und sonstige Coupons werden nach dem Scannen automatisch berücksichtigt.

9Im Zuge der Neustrukturierung wechselten einige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom Verkauf in das WST oder das KST. Für das KST wurden zudem Arbeitnehmerinnen neu eingestellt. Mit Schreiben aus Juli, August, September und Oktober 2019 sowie Januar, Februar, März und April 2020 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur Ein- oder Umgruppierung von - soweit noch streitgegenständlich - 26 vom Verkauf in das WST gewechselten, 15 vom Verkauf in das KST gewechselten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und einer für das KST neu eingestellten Arbeitnehmerin. Die bereits beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhielten vor dem Wechsel eine Vergütung nach Beschäftigungsgruppe II des Tarifvertrags über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für die Arbeitnehmer/-innen und Auszubildenden des Einzelhandels Baden-Württemberg (GLTV). Die Umgruppierung bei einem Wechsel ins WST sollte in Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 3 Alt. 2 GLTV erfolgen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im KST sollten zukünftig (weiterhin) nach Beschäftigungsgruppe II GLTV vergütet werden. Der Betriebsrat beschloss, den beabsichtigten Ein- und Umgruppierungen nicht zuzustimmen und teilte dies der Arbeitgeberin jeweils innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG mit. Zur Begründung führte er aus, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im WST würden mit höherwertigen, überwiegend kaufmännischen Tätigkeiten betraut, so dass eine Eingruppierung in Beschäftigungsgruppe II GLTV zutreffend sei. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im KST würden an Etagenkassen eingesetzt. Deshalb sei die Beschäftigungsgruppe III GLTV einschlägig.

10Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die im WST tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seien in Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 3 Alt. 2 GLTV eingruppiert. Nach den tariflichen Vorschriften sei vor Einreihung nach Tätigkeitsmerkmalen festzulegen, ob sich die Eingruppierung nach den für Angestellte vorgesehenen Beschäftigungsgruppen oder nach den für gewerbliche Arbeitnehmer maßgebenden Tätigkeitsgruppen richte. Die Mitarbeiter des WST würden überwiegend gewerbliche Tätigkeiten ausüben. Eine Eingruppierung in die Beschäftigungsgruppen des GLTV komme deshalb nicht in Betracht. Soweit sie Waren präsentieren, Bestellungen verarbeiten oder Datenlesegeräte benutzen würden, seien dies Unterstützungstätigkeiten, die nicht dem kaufmännischen Bereich zuzuordnen seien. Die Tätigkeit entspreche im Wesentlichen derjenigen von „Packer/-innen, Lager-, Versandarbeiter/-innen“ iSd. Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 3 Alt. 2 GLTV. Die im KST tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden einfache kaufmännische Tätigkeiten ausüben, seien aber nicht an „Etagenkassen“ beschäftigt. Solche seien im Warenhaus der Arbeitgeberin nicht eingerichtet. Die Tätigkeit an den Kassen sei keine „gehobene Kassentätigkeit“. Soweit die Tätigkeiten über das Kassieren hinausgingen, seien sie einfacher Natur.

11Die Arbeitgeberin hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - beantragt,

12Der Betriebsrat hat zur Zurückweisung der Anträge ausgeführt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im WST seien in Beschäftigungsgruppe II GLTV eingruppiert. Eine Vorabprüfung, ob es sich bei diesen um Angestellte oder gewerbliche Mitarbeiter handele, sei tariflich nicht vorgesehen. Die Mitarbeiter seien in die Beschäftigungs- oder Tätigkeitsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen oder -beispielen ihre Tätigkeit entspreche. Im WST fielen zu mehr als 50 vH kaufmännische Tätigkeiten an, wie sich aus einem Vergleich mit der Verordnung über die Berufsausbildungen zum Verkäufer und zur Verkäuferin sowie zum Kaufmann im Einzelhandel und zur Kauffrau im Einzelhandel vom (BGBl. I S. 458, VerkEHKflAusbV) ergebe. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden auch Verkaufsgespräche führen. Das Tätigkeitsmerkmal „einfache kaufmännische Tätigkeit, für die die Tätigkeitsmerkmale einer höheren Beschäftigungsgruppe nicht zutreffen“ sei daher erfüllt. Zudem seien die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer „Angestellte in Lager und Expedition“ mit der Tätigkeit „sachkundiges Prüfen von ein- und ausgehender Ware“ iSd. Tätigkeitsbeispiele zur Beschäftigungsgruppe II GLTV. Eine Eingruppierung nach Tätigkeitsgruppen scheide aus, da für diese nur Tätigkeitsbeispiele, aber keine allgemeinen Tätigkeitsmerkmale vereinbart seien, und die Tätigkeiten keinem der Beispiele zugeordnet werden könnten. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im KST seien der Beschäftigungsgruppe III GLTV zuzuordnen. Sie würden an Etagenkassen eingesetzt und ihre Tätigkeit zudem „selbständig im Rahmen allgemeiner Anweisungen“ ausüben.

13Das Arbeitsgericht hat den Anträgen der Arbeitgeberin stattgegeben, das Landesarbeitsgericht die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat weiterhin die Zurückweisung der Anträge. Er vertritt nunmehr ergänzend die Auffassung, eine Eingruppierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des WST in Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 3 Alt. 2 GLTV sei jedenfalls fehlerhaft, weil diese „schwere Arbeiten“ iSd. Lohnstufe 4 Alt. 2 GLTV auszuüben hätten.

14B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

15I. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte den Anträgen auf Ersetzung der Zustimmung zur Umgruppierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im WST nicht stattgegeben werden. Das führt insoweit zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

161. Die Zustimmungsersetzungsanträge sind - nach gebotener Auslegung - zulässig. Als zukunftsgerichtete Anträge beziehen sie sich seit dessen Inkrafttreten auf den Tarifvertrag über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für die Arbeitnehmer/-innen und Auszubildenden des Einzelhandels in Baden-Württemberg vom und nicht mehr auf den im Antrag genannten Tarifvertrag. In der Umstellung des Antrags liegt keine in der Rechtsbeschwerdeinstanz unzulässige Antragsänderung. Die maßgebende Vergütungsordnung ist unverändert geblieben. Der Gegenstand der Anträge bleibt derselbe (vgl. hierzu  - Rn. 13; - 7 ABR 38/16 - Rn. 14).

172. Die Bewertung der den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im WST übertragenen Tätigkeiten durch das Landesarbeitsgericht ist nicht frei von Rechtsfehlern.

18a) Die Arbeitgeberin hat die Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet. Sie hat den Betriebsrat über die beabsichtigten personellen Einzelmaßnahmen unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen informiert. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung form- und fristgerecht nach § 99 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG verweigert. Er hat jeweils Gründe genannt, die es als möglich erscheinen lassen, dass die Zustimmungsverweigerungen berechtigt erfolgten.

19b) Bei der Einreihung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Beschäftigungs- oder Tätigkeitsgruppen des GLTV handelt es sich um nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Umgruppierungen.

20aa) Eine Eingruppierung ist die erstmalige, eine Umgruppierung die erneute Einreihung eines Arbeitnehmers in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Sie besteht in der Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten Gruppe der Vergütungsordnung nach Maßgabe der dafür gültigen Kriterien. Dabei ist es für die Mitbestimmung des Betriebsrats ohne Bedeutung, ob der Beurteilungsakt eine Eingruppierung zum Gegenstand hat oder eine Umgruppierung. Weist die Arbeitgeberin dem bereits eingruppierten Arbeitnehmer im Wege der Versetzung eine veränderte Tätigkeit zu, ist die Arbeitgeberin gehalten, die Übereinstimmung mit der bisherigen Eingruppierung zu überprüfen. Gelangt sie dabei zum Ergebnis, dass der Arbeitnehmer aufgrund der geänderten Tätigkeit einer anderen Vergütungsgruppe zuzuordnen ist, handelt es sich um eine Umgruppierung. Ergibt die Prüfung die Richtigkeit der bisherigen Eingruppierung auch für die neue Tätigkeit, handelt es sich um eine erneute, die Ersteingruppierung bestätigende Maßnahme. In solchen Fällen ist nicht nur die Umgruppierung, sondern auch das Beibehalten der bisherigen Eingruppierung eine neue personelle Einzelmaßnahme, die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslöst ( - Rn. 16; - 1 ABR 64/08 - Rn. 16).

21bb) Vorliegend waren die nunmehr im WST eingesetzten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zuvor im Verkauf eingesetzt. Aufgrund der (einvernehmlichen) Versetzung in das WST war die Arbeitgeberin gehalten, die bisherige Eingruppierung in Beschäftigungsgruppe II GLTV zu überprüfen. Sie ist der Auffassung, nunmehr sei eine - geänderte - Eingruppierung in Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 3 Alt. 2 GLTV zutreffend.

22c) Bei dem GLTV handelt es sich aufgrund der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin um die im Betrieb geltende Vergütungsordnung iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.

23d) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Tätigkeit im WST zu einer Eingruppierung in die Tätigkeitsgruppen des GLTV, nicht aber in dessen Beschäftigungsgruppen führt. Es hat ferner zu Recht angenommen, die Tätigkeit komme derjenigen eines Packers, Lager- oder Versandarbeiters am nächsten. Es hat aber rechtsfehlerhaft nicht (ausreichend) geprüft, ob es sich dabei um „schwere Arbeiten“ iSd. Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 4 Alt. 2 GLTV handelt.

24aa) Die für die Einreihung maßgebenden Bestimmungen in § 11 des Manteltarifvertrags für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer/innen des Einzelhandels Baden-Württemberg vom (MTV) lauten auszugsweise wie folgt:

25Nach dem GLTV sind nachstehende Tarifregelungen für die Eingruppierung einschlägig:

26bb) Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im WST als gewerbliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzusehen sind und daher eine Eingruppierung nach den Tätigkeitsgruppen und Lohnstufen des GLTV zu erfolgen hat.

27(1) Bei der Einreihung eines Arbeitnehmers in Beschäftigungsgruppen oder Tätigkeitsgruppen ist vorab zu prüfen, ob der Arbeitnehmer der Gruppe der Angestellten oder derjenigen der gewerblichen Arbeitnehmer zuzuordnen ist. Für Angestellte erfolgt dann eine Eingruppierung nach den Tätigkeitsmerkmalen der Beschäftigungsgruppen, für gewerbliche Arbeitnehmer eine Einreihung in die Tätigkeitsgruppen und Lohnstufen. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags (vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen  - Rn. 35 mwN, BAGE 164, 326).

28(a) Hierfür spricht zunächst der Wortlaut von § 11 Nr. 1 MTV. Danach werden die Angestellten in Beschäftigungsgruppen, die gewerblichen Arbeitnehmer in Lohnstufen eingereiht. Diese Trennung setzt sich hinsichtlich der Eingruppierungsgrundsätze fort. § 11 Nrn. 2, 3, 5 und 6 MTV gelten nur für Angestellte und die Einreihung in Beschäftigungsgruppen. Diese Grundsätze können auf die Einreihung der gewerblichen Arbeitnehmer in die Lohnstufen nicht ohne weiteres übertragen werden, da nicht jeder Lohnstufe ein allgemeines Tätigkeitsmerkmal vorangestellt worden ist. Wenn die Einreihung der Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer nicht nach denselben Grundsätzen zu erfolgen hat, erfordert die Feststellung der Eingruppierungsgrundsätze die vorherige Prüfung, ob ein Arbeitnehmer Angestellter oder gewerblicher Arbeitnehmer ist. Zudem ähneln sich - worauf der Betriebsrat zutreffend hinweist - die Tätigkeitsbeispiele in den Beschäftigungsgruppen und Lohnstufen zum Teil (zB „Warenauszeichnen“ in Beschäftigungsgruppe I und „Etikettierer“ in Lohnstufe 1; „Angestellte am Packtisch mit Kontrolltätigkeit“ und „Angestellte in Lager und Expedition“ in Beschäftigungsgruppe II sowie „Lagerarbeiter“ in Lohnstufe 3). Eine trennscharfe Abgrenzung dieser Tätigkeiten wäre zwar ggf. auch anhand der Beispiele möglich, wird aber durch eine vorweggenommene Prüfung erleichtert.

29(b) Für eine solche Prüfung spricht auch die Tarifhistorie. Der Manteltarifvertrag vom enthielt keine § 11 Nr. 1 MTV vergleichbare Regelung. Die Einreihung der Angestellten in Beschäftigungsgruppen war in § 10 MTV 1974 ähnlich der Einreihung der Angestellten im derzeitigen § 11 MTV geregelt. Für die Einreihung der gewerblichen Arbeitnehmer waren keine Eingruppierungsgrundsätze vereinbart. Der damalige Lohntarifvertrag war aber als „Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer“ bezeichnet. Das verdeutlicht, dass eine Abgrenzung zwischen Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern vorgesehen war. Im Manteltarifvertrag vom findet sich bereits in § 11 Nr. 1 die auch im derzeit gültigen MTV vorhandene Formulierung. Der Lohntarifvertrag war weiterhin als „Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer“ bezeichnet. Im Manteltarifvertrag vom werden in § 11 Nr. 4 erstmals auch die Lohnstufen erwähnt. Im Tarifvertrag über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen vom findet sich - als Neuerung - die verkürzte Überschrift „Löhne“. Die bereits früher im Gehalts- und Lohntarifvertrag angelegte Differenzierung zwischen der Einreihung von Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern ist damit in den MTV übertragen und dort den weiteren Vorschriften zur Einreihung vorangestellt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung zwar im Jahr 1977 neu aufgenommen wurde, aber rein deklaratorisch sein sollte, bestehen nicht. Formulierungen, die den Schluss auf inhaltliche Änderungen zulassen würden, sind auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht eingefügt worden.

30(2) Zur Abgrenzung der Angestellten von den gewerblichen Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft ist, wenn - wie vorliegend - andere Anhaltspunkte fehlen, auf die Vorgehensweise des Bundessozialgerichts zur rentenversicherungsrechtlichen Einordnung eines Arbeitnehmers als gewerblicher Arbeitnehmer oder Angestellter zurückzugreifen und eine mehrstufige Prüfung durchzuführen. Zunächst ist zu prüfen, ob der Beschäftigte zu einer der in § 133 Abs. 2 SGB VI aF genannten Gruppen gehört. Ist dies nicht der Fall, so ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob die Tätigkeit im sog. Berufsgruppenkatalog des damaligen Reichsarbeitsministers vom (RGBl. I S. 274) mit den Änderungen vom (RGBl. I S. 58) und vom (RGBl. I S. 222) aufgeführt ist. Auf der dritten Stufe ist zu prüfen, ob die Beschäftigung derjenigen Berufsgruppe entspricht, deren Angehörige nach der Verkehrsanschauung allgemein als Angestellte betrachtet werden. Schließlich ist im vierten Prüfungsabschnitt erforderlichenfalls der Frage nachzugehen, ob die Beschäftigung vorwiegend geistig oder vorwiegend körperlich geprägt ist. Auch wenn diese Unterscheidung zunehmend schwieriger und auch kritischer geworden ist, ist sie dennoch möglich ( - Rn. 21).

31Verrichtet der Arbeitnehmer teils die Tätigkeit eines gewerblichen Arbeitnehmers, teils die eines Angestellten, so ist für die Bestimmung dieser gemischten Tätigkeit entscheidend, welche der Tätigkeiten dem Arbeitsverhältnis in seiner Gesamtheit das Gepräge gibt. Dabei kommt es nicht auf den Zeitaufwand der Einzelarbeiten, sondern auf eine umfassende Betrachtung an. Die Zeitdauer, die der Arbeitnehmer bei einer gemischten Tätigkeit für die eine oder andere Tätigkeitsart aufwendet, steht nicht als eigener Gesichtspunkt neben der Bedeutung der einen oder anderen Tätigkeitsart. Sie kann nur als eines von verschiedenen Merkmalen dafür herangezogen werden, welche der beiden Tätigkeitsarten die Hauptbedeutung hat und somit der gesamten Tätigkeit das Gepräge gibt ( - Rn. 22).

32(3) Danach handelt es sich bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im WST um gewerbliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

33(a) Sie gehören keiner der in § 133 Abs. 2 SGB VI aF beispielhaft genannten Gruppen an. Insbesondere sind sie keine Handlungsgehilfen oder andere Angestellte für kaufmännische Dienste iSd. § 133 Abs. 2 Nr. 4 SGB VI aF. Handlungsgehilfe ist, wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist (§ 59 Satz 1 HGB). Kaufmännische Dienste sind solche, die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und der Verkehrssitte als solche gelten, also zB Umsatz von Waren, Abschluss von Rechtsgeschäften, Buchführung, Führung von Korrespondenz und Kassenführung (Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr Handbuch der Rentenversicherung 3. Aufl. [Stand Dezember 2003] Teil II Bd. 2 § 133 SGB VI Rn. 15). Derartige Tätigkeiten sind den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im WST nicht übertragen. Sie verrichten allenfalls dem Abschluss von Rechtsgeschäften vorgelagerte und diesem dienliche Tätigkeiten. Die Kassenführung ist nicht Teil ihrer Aufgaben.

34(b) Die von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im WST ausgeübten Tätigkeiten finden sich auch nicht im Berufsgruppenkatalog des damaligen Reichsarbeitsministers. Bereits die Oberbegriffe passen sämtlich nicht auf eine Tätigkeit in einem Warenhaus. Es handelt sich insbesondere nicht um eine Tätigkeit in der „Textilindustrie“ oder „Bekleidungsindustrie“.

35(c) Eine Verkehrsanschauung, nach der die Beschäftigten der Berufsgruppe als Angestellte angesehen werden, besteht nicht. Die Tätigkeit im WST ist speziell durch die Arbeitgeberin für ihre Warenhäuser zusammengestellt worden. Für diese hat sich eine Verkehrsanschauung (noch) nicht gebildet.

36(d) Die Tätigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im WST ist körperlich und nicht geistig geprägt. Ihre Tätigkeit ist in der Hauptsache darauf gerichtet, die Waren in der richtigen Form an den richtigen Ort zu verbringen. Sie stellt sich damit als körperlich-mechanische Tätigkeit dar. Im Wesentlichen handelt es sich um Vorarbeiten zur Verkaufstätigkeit, die nicht durch eine geistige Leistung, sondern durch die körperliche Zurverfügungstellung der Ware geprägt wird. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führen keine Kontrollen oder Prüfungen durch, die die körperliche Arbeit des Warentransports als geistig geprägt erscheinen lassen könnten. Ebenso wenig obliegt ihnen eine gestalterische Tätigkeit bei der Präsentation der Waren.

37Dem steht - anders als der Betriebsrat meint - nicht entgegen, dass einige der von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im WST auszuübenden Tätigkeiten Teil der Berufsausbildung zum Verkäufer/Kaufmann im Einzelhandel nach der VerkEHKflAusbV sind. Die für den Beruf des Verkäufers/Kaufmanns im Einzelhandel prägende Verkaufstätigkeit führen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im WST gerade nicht durch. Soweit der Betriebsrat auch in der Rechtsbeschwerdebegründung behauptet, diese seien „überwiegend“ mit Verkaufsgesprächen und Beratung beschäftigt, entspricht dies nicht den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Eine zulässige Verfahrensrüge hat der Betriebsrat nicht erhoben (vgl. zu den Anforderungen  - Rn. 45, BAGE 177, 269). Darüber hinaus besteht nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts eine Weisung der Arbeitgeberin an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im WST, keine Beratungs- und Verkaufsgespräche zu führen. Falls derartige Tätigkeiten dennoch vertragswidrig ausgeübt werden sollten, wären sie für die Einordnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht von Bedeutung (vgl.  - Rn. 15, BAGE 167, 78; - 4 AZR 555/80 -).

38cc) Bei der Tätigkeit im WST handelt es sich um eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

39(1) Für die Einreihung der gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Lohnstufen ist die überwiegend auszuübende Tätigkeit maßgebend. Das ergibt sich zwar nicht aus § 11 Nr. 6 MTV, da die Vorschrift sich nicht auf gewerbliche Arbeitnehmer, sondern - anders als zB § 11 Nr. 1 und Nr. 4 MTV - ausdrücklich nur auf Angestellte bezieht. Für die gewerblichen Arbeitnehmer fehlt es an einer Regelung zur maßgebenden Tätigkeit. Es handelt sich aber um einen allgemein anerkannten Grundsatz des Eingruppierungsrechts, dass sich die auszuübende Tätigkeit eines Arbeitnehmers aus verschiedenen Teiltätigkeiten mit unterschiedlicher tariflicher Wertigkeit zusammensetzen kann ( - Rn. 33; - 4 AZR 111/14 - Rn. 33).

40(2) Für die Feststellung, ob ein Arbeitnehmer eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit ausübt oder ob seine Tätigkeit aus mehreren jeweils eine Einheit bildenden und gesondert zu bewertenden Teiltätigkeiten besteht, sind die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei vorrangig auf die Arbeitsaufgabe abzustellen ist. Von einer Gesamttätigkeit ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer eine einheitliche, nicht weiter trennbare Aufgabe übertragen ist oder wenn zwischen den ihm übertragenen Aufgaben ein sachlicher Zusammenhang besteht. Dagegen sind tatsächlich getrennte und nicht im Zusammenhang stehende Tätigkeiten als Teiltätigkeiten getrennt zu bewerten ( - Rn. 28 und - 4 AZR 283/22 - Rn. 28, jeweils mwN).

41(3) Danach handelt es sich vorliegend um eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit. Die von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im WST auszuübende Tätigkeit dient dem Ziel, die Warenbestückung und -präsentation in den Verkaufsräumen sicherzustellen und stets in dem vorgegebenen Zustand zu erhalten. Mit der Schaffung der WST wurden ua. Tätigkeiten, die zuvor im Verkauf beschäftigte Arbeitnehmer verrichteten, herausgelöst und mit anderen zu einer neuen Tätigkeit mit einem eigenen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst. Diese umfasst alle hierfür erforderlichen Arbeitsschritte vom Zeitpunkt der Warenannahme bis zum Verkauf. Die Arbeitnehmer übernehmen nach Anlieferung den Transport der Ware in die Verkaufsräume, die dortige Präsentation sowie im Folgenden deren Erhalt in verkaufsfähigem Zustand durch Ordnen und Sortieren nebst der Entsorgung von Bügeln und Verpackungen. Auch die Bearbeitung von Retouren, Rücklieferungen und Umlagerungen gehört zu diesem einheitlichen Tätigkeitsbild, da sie das Ziel hat, aktuell nicht benötigte Waren wieder aus den Verkaufsräumen zu entfernen (vgl. zur Einordnung der Tätigkeit im WST als einheitliche Gesamttätigkeit in einer Filiale in  - Rn. 25).

42dd) Das Landesarbeitsgericht ist aber rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Tätigkeit im WST entspreche einer solchen nach Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 3 Alt. 2 GLTV. Die Tätigkeit wird zwar durch die Funktionsbezeichnung „Packer/-innen, Lager-, Versandarbeiter/-innen“ erfasst, es fehlt aber an einer (ausreichenden) Prüfung, ob die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit „schweren Arbeiten“ betraut sind.

43(1) Aufgrund der Struktur der tariflichen Regelungen hat die Eingruppierung über eine Annäherung an die im GLTV festgelegten Tätigkeitsgruppen und Lohnstufen zu erfolgen, wenn die Tätigkeit keiner der aufgelisteten Beispiele oder Oberbegriffe entspricht. Eine Tätigkeit ist dann der Tätigkeitsgruppe und Lohnstufe zuzuordnen, der sie am ehesten entspricht.

44(a) Der GLTV enthält - anders als für die Beschäftigungsgruppen - nicht für alle Tätigkeitsgruppen und Lohnstufen allgemeine Tätigkeitsmerkmale mit angefügten Tätigkeitsbeispielen. Die Lohnstufen werden überwiegend durch die Aufzählung von Beispielen ausgefüllt. Den Regelungen des GLTV lässt sich jedoch entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien - entgegen der Auffassung des Betriebsrats - dennoch auch hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer eine sämtliche Tätigkeiten erfassende Vergütungsordnung schaffen wollten. Nach § 11 Nr. 1 MTV werden „die“ - mithin alle - Angestellten in Beschäftigungsgruppen, „die“ gewerblichen Arbeitnehmer in Lohnstufen eingereiht (vgl. zu einer keine Vollständigkeit beanspruchenden Regelung  - Rn. 24). Bei MTV und GLTV handelt es sich um Branchentarifverträge, die die Vergütung für alle in der Branche tätigen Arbeitnehmer einheitlich regeln wollen.

45(b) Aus dem Vollständigkeitsanspruch ergibt sich, dass die im GLTV ohne allgemeine Tätigkeitsmerkmale vorgesehenen Berufsbilder keine abschließende Regelung enthalten. Soll die Tätigkeit aller gewerblichen Arbeitnehmer, und damit auch derjenigen erfasst werden, die keine den Berufsbildern exakt entsprechende Tätigkeit ausüben, kann die Aufzählung der Berufsbilder lediglich als wertungsmäßige Einordnung dieser und damit vergleichbarer Tätigkeiten verstanden werden. Die Berufsbilder sind daher keine „klassischen“ Tätigkeitsbeispiele (vgl. hierzu  - Rn. 37). Vielmehr sind ihnen auch Tätigkeiten zuzuordnen, denen sie nicht vollständig entsprechen, aber im Vergleich zu den anderen Beispielen am nächsten kommen. Dieses Verständnis wird durch die historische Entwicklung bestätigt. Die Tarifvertragsparteien haben die Lohnstufen des GLTV seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nur geringfügig geändert, im GLTV vom entsprachen die Lohnstufen bereits den auch im derzeit gültigen GLTV vereinbarten. Im Hinblick auf die sich verändernde Arbeitswelt und den sich daraus ergebenden Wandel auch für die Tätigkeit gewerblicher Arbeitnehmer hätten die Tarifvertragsparteien die Lohnstufen anpassen müssen, wenn sie „echte“ Tätigkeitsbeispiele hätten vereinbaren wollen. Anderenfalls wäre nicht gewährleistet, alle Arbeitnehmer eingruppieren zu können.

46(2) Die Tätigkeit im WST kommt derjenigen eines Packers, Lager- oder Versandarbeiters am nächsten. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind für die Warenvorbereitung, Tätigkeiten im Lager und (Pack-)Tätigkeiten im Zusammenhang mit vorbestellten Waren zuständig. Aufgrund der Komplexität der Aufgaben kommt eine Zuordnung zu den lediglich einzelne Tätigkeiten beschreibenden Beispielen „Gewerbehilfen mit einfacher Tätigkeit im Verkauf, Etikettierer/-innen, ... Packer/-innen am Packtisch“ nicht in Betracht.

47(3) Das Landesarbeitsgericht hat aber nicht ausreichend geprüft, ob die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im WST „schwere Arbeiten“ auszuüben haben. Es ist davon ausgegangen, eine schwere Arbeit im tarifrechtlichen Sinne sei nicht zu erkennen. Diese Ausführungen werden allerdings von seinen Feststellungen nicht getragen. Aus dem Sachvortrag der Beteiligten ergaben sich Anhaltspunkte, aufgrund derer eine eingehende Prüfung erforderlich gewesen wäre.

48(a) Nach § 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gilt für das Beschlussverfahren ein eingeschränkter Amtsermittlungs- bzw. Untersuchungsgrundsatz. Das Gericht hat die Tatsachen zu erforschen, die nach seiner Ansicht in Bezug auf den Verfahrensgegenstand entscheidungserheblich sind. Es ist damit dafür verantwortlich, dass die Entscheidung auf einem zutreffenden und vollständig aufgeklärten Sachverhalt beruht. Diese Aufklärungspflicht zwingt das Gericht aber nicht zu einer unbegrenzten Amtsermittlungstätigkeit und Beweisaufnahme. Liegt ein entsprechender Sachvortrag vor, ist der Sachverhalt in die Richtung, die hierdurch aufgezeigt wird, zu überprüfen. Zur Aufklärungspflicht gehört auch die Ermittlung von Tatsachen, die bisher von keinem Verfahrensbeteiligten in das Verfahren eingeführt worden sind, soweit sie für die Entscheidung über den gestellten Antrag von Bedeutung sind. Das Gericht kann von einer weitergehenden Sachverhaltsaufklärung erst absehen, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen von einem der Verfahrensbeteiligten vorgetragen worden sind, sie nicht wirksam bestritten wurden und sich überdies keine Zweifel an ihrer Richtigkeit aufdrängen ( - Rn. 34; - 10 ABR 33/15 - Rn. 87, BAGE 156, 213).

49(b) Nach diesen Grundsätzen hätte für das Landesarbeitsgericht Veranlassung für eine Prüfung bestanden, ob die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im WST schwere Arbeiten iSd. Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 4 Alt. 2 GLTV auszuüben haben. Hierzu hat zwar keiner der Verfahrensbeteiligten Sachvortrag erbracht. Beide Beteiligten haben sich aber auf die Entscheidung des Senats vom (- 4 ABR 56/17 -) bezogen, die eine Eingruppierung von Mitarbeitern im WST bei der Arbeitgeberin in Nordrhein-Westfalen zum Gegenstand hatte. Der dortige Betriebsrat hatte seine Zustimmung zur Umgruppierung der Mitarbeiter verweigert, weil diese seiner Auffassung nach „in der Regel körperlich schwere Arbeit“ zu erledigen hatten. Die Anträge auf Zustimmungsersetzung wurden - unter Auswertung der Tätigkeitserhebungen der Beteiligten - abgewiesen. Zur Begründung stellte der Senat auf die bei der Tätigkeit anfallenden Greif- und Hebevorgänge, die erforderlichen Zwangshaltungen und das Gewicht der zu bewegenden mit Kleidungsstücken befüllten Rollstangen ab ( - Rn. 37). Aufgrund der zumindest großen Ähnlichkeit der auszuübenden Tätigkeiten konnte ersichtlich auch vorliegend von Bedeutung sein, wie „schwer“ die Tätigkeiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im WST sind.

50(c) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin konnte das Landesarbeitsgericht nicht von einer Prüfung der „schweren Arbeiten“ absehen, weil der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung nicht auf diese Frage gestützt hatte. Ein Nachschieben von Zustimmungsverweigerungsgründen nach Ablauf der Wochenfrist ist im Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG zwar grundsätzlich unzulässig (vgl.  - Rn. 34). Dies gilt aber nur für Gründe tatsächlicher Art sowie für die Einführung anderer Widerspruchsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG, nicht für rechtliche Argumente ( - Rn. 28; - 1 ABR 50/97 - BAGE 88, 309). Vorliegend hat der Betriebsrat in seinem Widerspruchsschreiben gerügt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seien nicht in Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 3 Alt. 2 GLTV, sondern in Beschäftigungsgruppe II GLTV eingruppiert. Er hat damit die durch die Arbeitgeberin vorgenommene Eingruppierung ausreichend in Frage gestellt. Auf bestimmte rechtliche Argumente, aufgrund derer die Eingruppierung fehlerhaft sein könnte, musste er sich nicht festlegen.

513. Ob die Zustimmungsersetzungsanträge in der Sache begründet sind, kann der Senat nach § 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG iVm. § 563 Abs. 3 ZPO nicht selbst entscheiden. Es fehlt an den erforderlichen Feststellungen zur „Schwere“ der Tätigkeit im WST. Ohne diese kann nicht beurteilt werden, ob eine Einreihung in Tätigkeitsgruppe I Lohnstufe 4 Alt. 2 GLTV in Betracht kommt. Das Landesarbeitsgericht wird bei der erneuten Anhörung und Entscheidung diese Prüfung aufgrund des noch nach § 83 ArbGG von Amts wegen zu ermittelnden Sachverhalts durchzuführen und dabei Folgendes zu beachten haben:

52a) Das Merkmal der „schweren Arbeit“ ist als „körperlich schwere Arbeit“ zu verstehen. Das ergibt sich zwar nicht zwingend aus dem Wortlaut. „Schwer“ kann nicht nur als „von großem Gewicht“ und „große körperliche Anstrengung, großen Einsatz erfordernd“ sowie „hart“ und „mühselig“, sondern auch als „einen hohen Schwierigkeitsgrad aufweisend“, „schwierig“ und „nicht leicht zu bewältigen“ (Duden Deutsches Universalwörterbuch 10. Aufl. Stichwort „schwer“) verstanden werden. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich aber, dass „körperlich schwere Arbeiten“ gemeint sind. Die Lohnstufen beziehen sich auf gewerbliche Arbeitnehmer (§ 11 Nr. 1 MTV). Für die Einreihung sind daher eher körperlich-mechanische als „geistige“ Tätigkeiten von Bedeutung. Zudem ist die Qualifikation „für schwere Arbeiten“ nur für Packer, Lager- und Versandarbeiter vorgesehen. Für diese liegt eine „körperlich schwere Arbeit“ deutlich näher als eine „schwierige“ Arbeit.

53b) Als körperlich schwere Arbeit ist danach eine solche zu verstehen, die körperlich mühsam, anstrengend, hart und ermüdend ist. Dabei kommt es nicht auf die reine Muskelbeanspruchung an. Es sind alle Umstände zu berücksichtigen, die auf den Menschen belastend einwirken und zu körperlichen Reaktionen führen. Neben der Muskelbeanspruchung können dies Faktoren wie eine ausschließlich stehende Tätigkeit, die notwendige Körperhaltung, taktgebundene, repetitive Arbeit, nervliche und sensorische Belastungen, Lärm und Umwelteinwirkungen und soziale Belastungsfaktoren sein (so zu „körperlich schwerer Arbeit“ iSd. Lohntarifvertrags für den Einzelhandel in  - Rn. 33).

54II. Die Rechtsbeschwerde ist auch im Hinblick auf die Zustimmungsersetzungsanträge zur Eingruppierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im KST begründet. Die zulässigen Zustimmungsersetzungsanträge (sh. Rn. 16) der Arbeitgeberin sind unbegründet. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu Recht verweigert.

551. Die Arbeitgeberin hat die Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet. Sie hat den Betriebsrat über die beabsichtigten personellen Einzelmaßnahmen unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen informiert. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung form- und fristgerecht nach § 99 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG verweigert. Er hat jeweils Gründe genannt, die es als möglich erscheinen lassen, dass die Zustimmungsverweigerungen berechtigt erfolgten.

562. Bei der Einreihung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Beschäftigungsgruppen des GLTV handelt es sich nicht nur bei den neu eingestellten, sondern auch bei den ins KST versetzten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern um nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Eingruppierungen. Nach Auffassung der Arbeitgeberin sind diese weiterhin nach Beschäftigungsgruppe II GLTV zu vergüten, so dass ein Zustimmungsersuchen zu einer erneuten Ein- und nicht Umgruppierung vorliegt (sh. Rn. 20).

573. Bei dem GLTV handelt es sich aufgrund der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin um die im Betrieb geltende Vergütungsordnung iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.

584. Die Tätigkeiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im KST sind entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht nach Beschäftigungsgruppe II GLTV zu vergüten. Die nach § 11 Nr. 2 und Nr. 6 MTV maßgebende überwiegend auszuübende Tätigkeit entspricht nicht dem Tätigkeitsbeispiel „Kassierer/-innen mit einfacher Tätigkeit“ iSd. Beschäftigungsgruppe II GLTV, sondern erfüllt die Anforderungen „Kassierer/-innen mit gehobener Tätigkeit, z.B. an Etagenkassen“ iSd. Beschäftigungsgruppe III GLTV.

59a) Für die Eingruppierung ist die überwiegend ausgeübte Tätigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer maßgebend. Nach § 11 Nr. 6 MTV gehen die Tarifvertragsparteien davon aus, dass sich die ausgeübte Tätigkeit aus verschiedenen Teiltätigkeiten unterschiedlicher Beschäftigungsgruppen zusammensetzen kann (zur Bestimmung der Gesamt- und Teiltätigkeiten sh. Rn. 40). Die so bestimmte Gesamt- oder die Teiltätigkeiten sind dann tariflich (gesondert) zu bewerten. Dies gilt auch für die Erfüllung von Tätigkeitsbeispielen. Ein solches kann sich immer nur auf eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit oder eine Teiltätigkeit beziehen ( - Rn. 19 mwN).

60b) Bei der Tätigkeit im KST handelt es sich um eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit, die auf eine effiziente und professionelle Abwicklung an der Kasse abzielt. Diesem Ziel dienen neben den während des eigentlichen Kassiervorgangs auszuübenden Tätigkeiten auch die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen (zB Versorgung der Kasse mit Wechselgeld, Kassenabrechnung, Beschaffung von Verbrauchsmaterialien). Ebenso sind die zu bearbeitenden Warenrückgaben dieser Gesamttätigkeit zuzuordnen, da sie organisatorisch in den Kassiervorgang integriert und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einheitlich mit der Kassiertätigkeit ieS zugewiesen worden sind.

61c) Die Tätigkeiten im KST erfüllen das Tätigkeitsbeispiel „Kassierer/-innen mit gehobener Tätigkeit, z.B. an Etagenkassen“.

62aa) Den in den Beschäftigungsgruppen jeweils ausdrücklich genannten Tätigkeitsbeispielen kommt gegenüber den allgemeinen Oberbegriffen der Tätigkeitsmerkmale eigenständige Bedeutung zu. Nach der Systematik des MTV sind die Erfordernisse der Tätigkeitsmerkmale regelmäßig erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt. Auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale ist nur dann zurückzugreifen, wenn das Tätigkeitsbeispiel selbst unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nicht aus sich heraus ausgelegt werden können oder wenn dasselbe Tätigkeitsbeispiel in mehreren Beschäftigungsgruppen auftaucht und damit als Kriterium für die höhere Beschäftigungsgruppe ausscheidet (sh. zum inhaltsgleichen Vorgängertarifvertrag  - Rn. 19 ff.).

63bb) Der Begriff der Etagenkasse hat in der Rechtsterminologie keine fest umrissene Bedeutung. Auch eine branchenspezifische Vorstellung über seinen Inhalt und ein allgemeiner Sprachgebrauch lassen sich nicht feststellen. Der Wortlaut lässt darauf schließen, dass unter einer Etagenkasse eine Kasse zu verstehen ist, die räumlich für ein Stockwerk eines mehrere Etagen umfassenden Einzelhandelsbetriebs zuständig ist. Aus der Entstehungsgeschichte dieses Tätigkeitsbeispiels ergibt sich jedoch, dass der Etagenkasse neben ihrer räumlichen Zuständigkeit gegenüber den sonstigen Kassen weitergehende oder übergeordnete Funktionen zukommen müssen. Bezugspunkt der höheren Vergütung für die Arbeit an einer Etagenkasse ist deren übergeordnete Stellung in einer Art „Hierarchie der Kassen“ und nicht vorwiegend die räumlich-funktionelle Zuordnung zu den Warenangeboten einer Etage (ausf. zum inhaltsgleichen Vorgängertarifvertrag  - Rn. 33).

64cc) Dabei ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht erforderlich, dass in dem betreffenden Einzelhandelsbetrieb auch „einfache“ Kassen vorhanden sind. Vergleichsmaßstab sind nicht die Verhältnisse in dem jeweiligen Warenhaus, sondern die tarifvertraglich vorgesehene Tätigkeit von „Kassierer/-innen mit einfacher Tätigkeit“. Tätigkeiten, die an sich „gehobene“ wären, werden nicht dadurch zu einfachen, dass die Arbeitgeberin sie von allen Mitarbeitern verlangt (vgl. zur Vergleichsgruppe für das Maß der Verantwortlichkeit  - Rn. 39, BAGE 170, 214).

65dd) Nach diesen Grundsätzen haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im KST eine gehobene Tätigkeit an Etagenkassen auszuüben.

66(1) Sie sind an Kassen tätig, die räumlich nicht nur für eine bestimmte Etage, sondern sogar für das ganze Warenhaus zuständig sind. Auch wenn die räumliche Zuordnung allein für die Einordnung als Etagenkasse nicht entscheidend ist, ergibt sich bereits durch die Erweiterung des zu kassierenden Warensortiments nach der tariflichen Wertung eine gegenüber einer einfachen Kassiertätigkeit höhere Anforderung an die Tätigkeit. Dabei ist ohne Bedeutung, dass durch die bei der Arbeitgeberin genutzten Scanner die Erfassung aller Artikel des Warenhauses gleich verläuft. Die Tarifvertragsparteien haben ersichtlich auf die Größe des zu bearbeitenden Warenangebots, nicht auf die Art des Kassierens abgestellt (ähnlich zu Sammelkassen  - Rn. 37). Soweit die Größe des Warenangebots nach Einführung des Tätigkeitsbeispiels durch den GLTV vom aufgrund technischer Weiterentwicklung der Kassensysteme ggf. tatsächlich an Bedeutung verloren haben sollte, hat dies unberücksichtigt zu bleiben. Die Gerichte dürfen Tarifnormen nicht wegen neuer technischer Entwicklungen einengend oder ausdehnend auslegen, wenn Wortlaut und Gesamtzusammenhang hierfür keine Möglichkeit bieten ( - Rn. 27, 29).

67(2) Darüber hinaus kommt den Kassen auch eine übergeordnete Funktion zu. An ihnen werden Warenrückgaben durchgeführt sowie ua. Kundenkarten erfasst, Rabattaktionen berücksichtigt und TAX Free Belege erstellt (vgl. hierzu auch  - Rn. 37). Dabei mag der Ablauf zB der Warenrückgaben im Einzelnen vorgegeben sein, die Tätigkeit geht dennoch (qualitativ) über eine einfache Kassiertätigkeit hinaus. Sie ist zum einen mit einer höheren Verantwortung verbunden und erfordert zum anderen die Kenntnis der durch die Arbeitgeberin erstellten Richtlinien zusätzlich zu den für die eigentliche Kassiertätigkeit erforderlichen Kenntnissen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:210224.B.4ABR16.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-73370