Mitwirkung einer ausgeschlossenen Person bei der Vorbereitung einer Versetzung
Leitsatz
Die Mitwirkung eines nach § 20 Abs. 1 VwVfG ausgeschlossenen Soldaten führt auch dann zur Rechtswidrigkeit einer Personalentscheidung, wenn er nur vorbereitend tätig geworden ist.
Tatbestand
1Der Antragsteller wendet sich gegen seine Versetzung von der ...kompanie ... in L. zum ...bataillon ... in A.
2Der Antragsteller ist Berufssoldat und Offizier des militärfachlichen Dienstes. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März 2040 enden. Mit Wirkung vom wurde er zum Hauptmann befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 eingewiesen. Seit Oktober 2016 war er als Truppführer und Feldnachrichtenoffizier bei der ...kompanie ... in L. verwendet worden.
3Wegen der Aufstellung der ...kompanie ... in S. sollte zum einer von vier Dienstposten für Truppführer und Feldnachrichtenoffiziere bei der ...kompanie ... in L. als Kompensation gestrichen und der dort verwendete Soldat auf einen freien Dienstposten beim ...bataillon ... in A. versetzt werden. Da aber keiner der betroffenen Dienstposteninhaber - darunter der Antragsteller und Hauptmann F. - versetzungsbereit war, forderte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr im April 2022 die ...brigade ... als vorgesetzte Dienststelle der ...kompanie ... auf, den nach A. zu versetzenden Truppführer und Feldnachrichtenoffizier auszuwählen.
4Mit E-Mail vom übersandte der Personaloffizier Hauptmann S. seiner vorgesetzten Dienststelle eine Prioritätenreihenfolge für die beabsichtigte Versetzung, in der der Antragsteller den zweiten Rang einnahm, während für die zwei nachrangig aufgeführten Offiziere - an letzter Stelle Hauptmann F. - Hinderungsgründe geltend gemacht wurden.
5Mit E-Mail vom bestätigte die ...brigade ... dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr "die Möglichkeit der Abversetzung der beiden u. a. Offiziere".
6Am führte Hauptmann F. in Vertretung des Kompaniechefs und im Auftrag der personalführenden Stelle ein Personalgespräch mit dem Antragsteller, in dem er ihm die beabsichtigte Versetzung ankündigte und erläuterte. Der Antragsteller widersprach einer Wegversetzung, verwies auf seine langjährige Ausbildung und Tätigkeit als Feldnachrichtenoffizier, seine Verwurzelung am Standort und berief sich auf eine unzumutbare Härte für seine Familie.
7Am wurde durch Hauptmann F. die Vertrauensperson der Offiziere der ...kompanie ... zu der beabsichtigten Personalmaßnahme angehört, die sich nach einem persönlichen Gespräch mit dem Antragsteller kritisch zur Streichung des Kompensationsdienstpostens bei der ...kompanie ... und zur Versetzung des Antragstellers ohne eine Perspektive für eine Anschlussverwendung in einer ...kompanie äußerte.
8Mit Verfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom , geändert am , dem Antragsteller am ausgehändigt, wurde der Antragsteller zum , Dienstantritt am , auf einen mit A 11 bewerteten Dienstposten als Feldnachrichtenoffizier beim ...bataillon ... in A. versetzt. Die Verfügung enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, in der über die Möglichkeit der Einlegung einer Beschwerde beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr oder beim nächsten Disziplinarvorgesetzten belehrt wurde.
9Hiergegen wandte sich der Antragsteller unter dem mit einer handschriftlich unterschriebenen, eingescannten und per E-Mail am beim Bundesamt für das Personalmanagement eingegangenen Beschwerde, die am beim Bundesministerium der Verteidigung einging. Der Antragsteller rügte, dass in seinem Versetzungsverfahren der befangene Hauptmann F. beteiligt gewesen sei. Dieser sei ebenfalls auf einem der für die Streichung in Betracht kommenden Dienstposten verwendet worden und hätte ebenfalls versetzt werden können. Er, der Antragsteller, sei in der ...truppe verwurzelt und hätte seinen Lebensmittelpunkt im ... Für die Auswahl des zu versetzenden Soldaten hätte sein Leistungsbild betrachtet werden müssen.
10Am wurde dem Antragsteller die vierte Korrektur der Versetzungsverfügung vom ausgehändigt, mit der der Dienstantritt auf den verschoben wurde.
11Mit Bescheid vom , zugestellt am , wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde zurück. Zwar sei die Beschwerde erst nach Ablauf der Monatsfrist beim Bundesministerium der Verteidigung eingegangen. Wegen der unzutreffenden Belehrung über die Möglichkeit der Beschwerdeeinlegung beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr sei der Fristablauf aber durch einen unabwendbaren Zufall gehemmt. Die Versetzung sei aber weder formell noch materiell zu beanstanden. Die Schutzfrist sei im Ergebnis eingehalten worden. Die beratende Rolle von Hauptmann F. im Prozess der Entscheidungsfindung sei nicht zu beanstanden. Fraglich sei bereits, ob dieser überhaupt im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwVfG tätig geworden sei, da ihm unmittelbare Entscheidungskompetenzen nicht übertragen worden seien. Jedenfalls gelte kein Tätigkeitsverbot, wenn ansonsten - wie hier - die Vertretung des betroffenen Amtsträgers faktisch ausgeschlossen sei. Hauptmann F. als dienstältester und erfahrenster Offizier der Kompanie habe den Kompaniechef regelmäßig vertreten und stelle die Führungsfähigkeit der Kompanie sicher. Daher sei fraglich, ob er überhaupt als Versetzungskandidat in Betracht gekommen wäre. Die vorgesetzte Dienststelle sei auf seine Beratung angewiesen. Das dienstliche Erfordernis für die Versetzung folge aus dem Wegfall des bisherigen Dienstpostens des Antragstellers und der Notwendigkeit den Dienstposten zu besetzen, auf den er versetzt worden sei. Den von der Vertrauensperson vorgebrachten Einwänden gegen die Streichung des Kompensationsdienstpostens stehe die Einschätzungsprärogative des Dienstherrn entgegen. Schwerwiegende persönliche Gründe nach Nr. 207 AR A-1420/37 gebe es nicht. Der Kontakt zur Familie lasse sich durch Wochenendheimfahrten und Urlaube halten. Der Wegfall der Erschwerniszulage sei kein der Versetzung nach Nr. 208 AR A-1420/37 entgegenstehender Grund. Die Auswahl des Antragstellers unter den vier für eine Versetzung in Betracht kommenden Dienstposteninhabern sei nicht zu beanstanden. Insbesondere sei Hauptmann F. als erfahrenster Offizier und regelmäßiger Vertreter des Kompaniechefs für eine Versetzung nicht in Betracht gekommen.
12Hiergegen hat der Antragsteller am die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom dem Senat vorgelegt.
13Der Antragsteller rügt, dass das Bundesministerium der Verteidigung seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung dem Bundesverwaltungsgericht nicht ohne Antragsbegründung vorlegen wollte. Seine Versetzung nach A. sei wegen der Mitwirkung des befangenen Hauptmanns F. rechtswidrig. Art. 3 Abs. 1 GG und § 20 Abs. 1 Satz 2, § 21 Abs. 1 VwVfG seien verletzt. Es habe vier Versetzungskandidaten gegeben, darunter den Antragsteller und Hauptmann F. Sie beide würden zur selben Vergleichsgruppe gehören, aber ungleich behandelt, da Hauptmann F. Einfluss auf die Entscheider habe nehmen können, er aber nicht. Hauptmann F. habe als stellvertretender Kompaniechef die Kandidaten überprüft, die Ergebnisse an Vorgesetzte gemeldet und diese beraten. In dieser Funktion habe er Personalgespräche geführt und damit den Status eines Vorgesetzten sowie eine Privilegierung innerhalb der Vergleichsgruppe erhalten. Der Beschwerdebescheid räume ein, dass die Entscheider auf die Beratung von Hauptmann F. aufgrund von dessen herausragender Stellung in der Kompanie angewiesen seien. Eine eigene Meinungsbildung des stellvertretenden Brigadekommandeurs und des Brigadekommandeurs habe es nicht gegeben. Diese hätten die Empfehlung von Hauptmann F. übernommen und ohne ergänzende Prüfung an das Bundesamt für das Personalmanagement weitergeleitet. Nach Aktenlage habe Hauptmann F. ohne Beteiligung von Vorgesetzten die Gespräche mit ihm und Personalentwicklungsgespräche geführt. Seine Ausführungen seien ohne Prüfung verantwortlicher Stellen übernommen worden. Er habe sogar mit dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr direkt kommuniziert. Damit werde deutlich, dass Hauptmann F. die wesentlichen Entscheidungen getroffen habe. Die vom Bundesministerium der Verteidigung vorgelegten dienstlichen Stellungnahmen würden seine Argumentation stützen. Die intransparente und unvollständige Aktenführung der Bundeswehr genüge rechtsstaatlichen Anforderungen nicht.
14Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
15Zur Begründung verweist es auf den Beschwerdebescheid. Die Vorlage an den Senat sei nicht rechtswidrig verzögert worden. Der Zeitablauf zwischen der Antragstellung und dem Vorlageschreiben sei vielmehr der für die Abhilfeprüfung erforderlichen Gewährung von Akteneinsicht und dem Abwarten der angekündigten Antragsprüfung geschuldet. Hauptmann F. habe nicht die abschließende Empfehlung gegenüber dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr abgegeben. Er stehe einem Beteiligten nach § 20 Abs. 1 Satz 2 VwVfG nicht gleich. Es liege kein Konkurrentenstreit oder eine vergleichbare Konstellation vor. Hauptmann F. habe weder über die Versetzung des Antragstellers noch über die Prioritätenreihenfolge entschieden. Vielmehr habe allein das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr als personalbearbeitende Stelle und Bedarfsdecker der Streitkräfte die Entscheidungskompetenz. Wegen der anzustellenden Erwägungen sei Rücksprache mit dem Verband genommen worden. Die Prioritätenreihenfolge zur Abkömmlichkeit der Kandidaten sei keine Entscheidung des Verbandes. Sie sei durch den zuständigen Vorgesetzten und nicht durch Hauptmann F. erstellt worden. Zu Art und Umfang der Tätigkeit von Hauptmann F. im Verfahren sind dienstliche Stellungnahmen vorgelegt worden.
16Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Gründe
17Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.
181. Der Antragsteller hat lediglich den prozessualen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, ohne einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Sein Rechtsschutzbegehren ist daher im Lichte seines Sachvortrages dahin auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3 VwGO), dass er die Aufhebung der Versetzungsverfügung und des Beschwerdebescheides begehrt.
192. Der zulässige Antrag ist begründet.
20Die Versetzung des Antragstellers vom und der Beschwerdebescheid vom sind rechtswidrig. Sie verletzen den Antragsteller daher in seinen Rechten und sind deshalb aufzuheben (§ 19 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WBO).
21a) Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung oder auf eine Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verwendung eines Soldaten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 30.02 - juris Rn. 5 ff. m. w. N. und vom - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32 m. w. N.). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten sind, wie sie sich hier insbesondere aus der seit geltenden Allgemeinen Regelung (AR) A-1420/37 ergeben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27> und vom - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32).
22b) Die streitgegenständliche Versetzung ist wegen des Tätigwerdens einer nach § 20 Abs. 1 Satz 2 VwVfG ausgeschlossenen Person - hier des Hauptmanns F. - bei ihrer Vorbereitung verfahrens- und ermessensfehlerhaft.
23Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwVfG darf in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden, wer selbst Beteiligter ist. Zwar ist Hauptmann F. nicht Beteiligter am Verfahren der Versetzung des Antragstellers im Sinne von § 13 VwVfG. Jedoch steht nach § 20 Abs. 1 Satz 2 VwVfG dem Beteiligten gleich, wer durch die Tätigkeit oder die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann. So liegt der Fall hier.
24aa) Der Begriff des Vor- oder Nachteils erfasst neben rechtlichen auch wirtschaftliche, immaterielle und sonstige Aspekte (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Auflage 2023, § 20 Rn. 33; Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 20 Rn. 61; Pautsch, in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2. Auflage, § 20 Rn. 46; Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Verwaltungsverfahrensgesetz - Kommentar, § 20 Rn. 63). Aus einer ex ante Betrachtung heraus muss die nicht ganz entfernte Möglichkeit einer entsprechenden Folge bestehen (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Auflage 2023, § 20 Rn. 37a; Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 20 Rn. 62; Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Verwaltungsverfahrensgesetz - Kommentar, § 20 Rn. 64). Das Erfordernis der Unmittelbarkeit des Vor- oder Nachteils verlangt eine wertende Betrachtung, ob nach den Umständen des Einzelfalles nach Auffassung des gerecht und billig denkenden Durchschnittsbürgers angesichts des in Frage stehenden Vor- und Nachteils die Unparteilichkeit des Handelns noch ausreichend gewährleistet erscheint oder nicht (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Auflage 2023, § 20 Rn. 35). Die Auswirkungen müssen für den Betroffenen so erheblich sein, dass sie grundsätzlich geeignet sind, ein Sonderinteresse am Ausgang des Verfahrens zu begründen (Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 20 Rn. 61). Die Entscheidung hängt auch davon ab, wie bedeutend die durch die Verwaltungstätigkeit betroffenen Rechtsgüter sind und welchen Umfang der mögliche Vor- und Nachteil voraussichtlich hat (Pautsch, in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2. Auflage, § 20 Rn. 47; Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Verwaltungsverfahrensgesetz - Kommentar, § 20 Rn. 67). Eine direkte Kausalität wird nicht verlangt (Pautsch, in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2. Auflage, § 20 Rn. 47); ausreichend ist ein adäquater Kausalzusammenhang (Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 20 Rn. 63).
25Hiernach steht Hauptmann F. einem Beteiligten gleich. Denn nach den unstreitigen Ausführungen des Bundesministeriums der Verteidigung musste einer der Inhaber von vier identisch ausgestalteten Dienstposten als Truppführer und Feldnachrichtenoffizier der ...kompanie ... aus organisatorischen Gründen gestrichen und der Inhaber wegversetzt werden. Zwei dieser Dienstposten hatten der Antragsteller und Hauptmann F. inne. Keiner der für die Wegversetzung in Betracht kommenden vier Offiziere war mit der Wegversetzung einverstanden. Durch die Wegversetzung eines der Kandidaten war der Verbleib der übrigen drei Offiziere am Standort zumindest vorübergehend gesichert. Damit hatte jeder der in Betracht kommenden Kandidaten ein immaterielles Interesse an der Auswahl eines anderen Kandidaten. Hierin liegt ein Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, der bei wertender Betrachtung auch unmittelbare Folge der Versetzungsentscheidung eines "Konkurrenten" war.
26bb) Der Bereich der erfassten Tätigkeiten ist weit zu bestimmen. Erfasst werden grundsätzlich alle Mitwirkungshandlungen, die aufgrund einschlägiger Verfahrensnormen und Verfahrensgrundsätze dem Verwaltungsverfahren zuzurechnen sind und die in irgendeiner Weise Einfluss auf den Verlauf des Verfahrens und/oder das Ergebnis des Verfahrens, auf das Ergehen oder Nicht-Ergehen oder auf den Inhalt der zutreffenden Entscheidung haben können (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Auflage 2023, § 20 Rn. 13a mit Nachweisen zur Rspr). Das Verbot erfasst nicht nur die eigentliche Entscheidungsfindung, sondern das gesamte Verwaltungsverfahren (Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 20 Rn. 34). Erfasst werden auch der Entscheidung vorausgehende Beratungen und Abstimmungen sowie alle vorbereitenden Handlungen (vgl. 5 P 11.14 - PersV 2016, 137 Rn. 19).
27Hiernach war Hauptmann F. zwar nicht an der Versetzungsentscheidung zulasten des Antragstellers selbst beteiligt. Er hat auch nicht über die vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr von der Einheit erfragte Prioritätenreihenfolge entschieden. Jedoch war er in das Verfahren zur Wegversetzung im Rahmen der Vorbereitung der Entscheidung in mehrfacher Hinsicht eingebunden, hat er doch zum einen die als Verfahrensschritt notwendige Anhörung der Vertrauensperson durchgeführt und zum anderen bei der Erarbeitung der für die Ermessensentscheidung über die Auswahl des Antragstellers von der personalführenden Stelle ausdrücklich erbetenen Prioritätenreihenfolge mitgewirkt. Der Antragsteller weist zutreffend darauf hin, dass nach der Stellungnahme von Oberst i.G. S. vom der Beitrag von Hauptmann F. erhebliche Bedeutung für die von Oberst i.G. S. verantwortete Stellungnahme hatte. Denn dieser hatte erklärt:
"Aufgrund der Sperrung eines Dienstpostens Feldnachrichtenoffizier zum wurde die mir zum damaligen Zeitpunkt unterstellte ...kompanie ... seitens BAPersBw III 1.3 aufgefordert, die Feldnachrichtenoffiziere (militärfachlicher Dienst) in eine Prioritätenreihenfolge für eine mögliche Abversetzung zu bringen.
Hierzu hat mir der zu diesem Zeitpunkt mit der Führung der Kompanie beauftragte Offizier (Hauptmann F.), der selber als Feldnachrichtenoffizier des militärfachlichen Dienstes von der Abfrage betroffen war, eine Empfehlung aus Sicht der Kompanieführung vorgelegt. Dieser Empfehlung folgte ich und beauftragte die S1 Abteilung ...brigade ..., die Reihenfolge an BAPersBw zu melden."
28Damit war Hauptmann F. in einer Weise an dem zur Vorbereitung der Versetzung als Verwaltungsakt führenden Verwaltungsverfahren tätig, die zumindest möglicherweise auch Einfluss auf die Sachentscheidung gehabt haben kann.
29cc) Eine Ausnahme von dem Mitwirkungsverbot nach § 20 Abs. 2 und 3 VwVfG liegt nicht vor. Ob weitere Ausnahmen in vergleichbaren Konstellationen, in denen die Anwendung der Ausschlussvorschriften für die Verwaltung oder die Beteiligten mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden wäre, zulässig sind (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Auflage 2023, § 20 Rn. 13e; Pautsch, in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2. Auflage, § 20 Rn. 59 f.), kann offenbleiben. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedenfalls nicht vor. Denn die Beauftragung eines anderen Offiziers anstelle eines der zur Auswahl stehenden Kandidaten wäre objektiv möglich und zumutbar gewesen.
30dd) Der Verfahrensfehler ist auch nicht - etwa durch Neuvornahme oder Bestätigung der von einer ausgeschlossenen Person durchgeführten Handlungen durch einen unbefangenen Amtsträger (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Auflage 2023, § 20 Rn. 67; Pautsch, in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2. Auflage, § 20 Rn. 73; Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 20 Rn. 137; Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Verwaltungsverfahrensgesetz - Kommentar, § 20 Rn. 99) - nach § 45 Abs. 1 VwVfG geheilt oder nach § 46 VwVfG unbeachtlich.
31Eine Heilung ist insbesondere nicht im Beschwerdeverfahren eingetreten. Das Bundesministerium der Verteidigung hat zwar als neutrale Stelle die Auswahl bestätigt. Es hat jedoch dabei die Reichweite des in § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 VwVfG zum Ausdruck kommenden Neutralitätsgebots verkannt und sich daher letztlich auch auf den unter Mitwirkung eines ausgeschlossenen Offiziers zustande gekommenen Versetzungsvorschlag gestützt.
32Der Verfahrensfehler ist auch nicht unbeachtlich. Im Sinne des § 46 VwVfG offensichtlich ohne Einfluss auf die Entscheidung ist ein formeller Fehler, wenn bei einer hypothetischen Betrachtung zweifelsfrei anzunehmen ist, dass ohne den Fehler dieselbe Entscheidung getroffen worden wäre ( 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 Rn. 20 m. w. N.). Der Kausalzusammenhang ist dagegen zu bejahen, wenn nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den angenommenen Verfahrensmangel die Entscheidung anders ausgefallen wäre (stRspr, vgl. 2 C 1.18 - BVerwGE 165, 305 Rn. 72 m. w. N.).
33Dies ist hier nicht anzunehmen, da eine Ermessensentscheidung in Rede steht, in die die Prioritätenreihenfolge eingeflossen ist, die unter Mitwirkung der ausgeschlossenen Person erarbeitet wurde. Aus der Stellungnahme von Oberst i.G. S. ergibt sich, dass diese maßgeblich auf der ihn überzeugenden Vorarbeit von Hauptmann F. beruht. Hiernach ist es konkret möglich, dass ohne die Mitwirkung von Hauptmann F. ein anderer Sachbearbeiter unter Berücksichtigung weiterer Ermessenserwägungen zu einer für den Antragsteller günstigeren Prioritätenfolge gelangt wäre.
343. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:200624B1WB53.23.0
Fundstelle(n):
KAAAJ-73329