Online-Nachricht - Mittwoch, 31.07.2024

Beamtenrecht | Regelungen zum Kinderzuschlag bei Teilzeitbeschäftigung in Baden-Württemberg gleichheitswidrig (VerfGH)

§ 41 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 1 des Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg (LBesGBW) ist mit Art. 2 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit in Teilzeit beschäftigte Anspruchsberechtigte, die zusammen nicht die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollbeschäftigung erreichen, den kinderbezogenen Teil des Familienzuschlags nicht entsprechend der Summe ihrer regelmäßigen Arbeitszeit erhalten (Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil v. - 1 GR 24/22).

Hintergrund: Beamte und Richter, denen Kindergeld nach dem EStG oder nach dem BKGG zusteht, erhalten einen kinderbezogenen Familienzuschlag für jedes Kind. Im Fall einer Teilzeitbeschäftigung wird der kinderbezogene Familienzuschlag im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt. Sind beide Elternteile im öffentlichen Dienst beschäftigt, ordnet § 41 Abs. 3 Satz 1 LBesGBBW an, dass nur derjenige den Zuschlag erhält, dem auch das Kindergeld gezahlt wird. Zweck dieser Konkurrenzregelung ist es, eine Doppelgewährung des kinderbezogenen Familienzuschlags für dasselbe Kind zu verhindern. Bei Teilzeitbeschäftigung des vorrangigen Anspruchsberechtigten wird nach § 41 Abs. 3 Satz 3 LBesGBW der Zuschlag nur dann nicht entsprechend der verkürzten Arbeitszeit gekürzt, wenn der andere Elternteil vollbeschäftigt ist oder beide Elternteile zusammen mindestens die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung erreichen.

Sachverhalt: Im Streitfall waren beide Elternteile teilzeitbeschäftigt, erreichten aber zusammen nicht die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung. Der Ehemann war zu 51,85% und die Klägerin zu 35,71% teilzeitbeschäftigt. Die Klägerin erhielt das Kindergeld. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung gewährte deshalb der Klägerin den kinderbezogenen Familienzuschlag, aber nur in Höhe ihres Arbeitszeitanteils von 35,71%; der Beschäftigungsumfang des Ehemannes wurde nicht berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat die Regelungen des § 41 Abs. 4 Satz 3 LBesGBW dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorgelegt.

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg (VerfGH) hält die Regelung des § 41 Abs. 3 Satz 1 LBesGBBW wegen Verstoßes gegen den Art. 3 GG für unvereinbar mit der Landesverfassung:

  • Trotz eines addierten Beschäftigungsumfangs von insgesamt 87,56% erhalten die Klägerin und ihr Ehemann den kinderbezogenen Familienzuschlag nur anteilig in Höhe von 35,71%.

  • Sie werden dadurch schlechter gestellt als allein anspruchsberechtigte teilzeitbeschäftigte Beamte, die ebenfalls mit einer Arbeitszeit von 87,56% beschäftigt sind und den kinderbezogenen Familienzuschlag in Höhe dieses Beschäftigungsanteils erhalten.

  • Die Klägerin und ihr Ehemann werden außerdem schlechter gestellt als Elternpaare, die zusammen mindestens 100% der regelmäßigen Arbeitszeit erreichen und den kinderbezogenen Familienzuschlag entsprechend der Summe beider Beschäftigungsanteile erhalten, lediglich begrenzt auf maximal 100%.

  • Diese Ungleichbehandlung ist nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Es sind zwar weder die allgemeine zeitanteilige Kürzung des Familienzuschlags bei Teilzeitbeschäftigung noch die Konkurrenzregelung bei mehreren Anspruchsberechtigen zur Vermeidung einer Doppelgewährung für sich betrachtet zu beanstanden.

  • Durch die Kumulation beider Regelungen werden die Klägerin und ihr Ehemann aber überproportional benachteiligt. Rechtfertigende Gründe für die Nichtberücksichtigung des Beschäftigungsumfangs des Ehemannes bei der Gewährung des kinderbezogenen Familienzuschlags an die Klägerin und ihren Ehemann sind nicht ersichtlich.

  • Das Gesetz verstößt deshalb gegen Art. 2 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG, soweit in Teilzeit beschäftigte Anspruchsberechtigte, die zusammen nicht die regelmäßige Arbeitszeit bei Vollbeschäftigung erreichen, den kinderbezogenen Teil des Familienzuschlags nicht entsprechend der Summe ihrer regelmäßigen Arbeitszeit erhalten.

Hinweis:

Der VerfGH hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis spätestens eine verfassungsgemäße Neuregelung mit Wirkung zum zu treffen.

Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des VerfGH veröffentlicht.

Quelle: u.a. VerfGH, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
YAAAJ-72215