BGH Beschluss v. - 2 ARs 408/23

Auslieferungssache: Anfechtbarkeit einer Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Anordnung von Telekommunikationsüberwachungs- und Aufenthaltsortermittlungsmaßnahmen

Gesetze: § 13 Abs 1 S 1 IRG, § 13 Abs 1 S 2 IRG, § 304 Abs 4 S 2 Nr 1 StPO

Gründe

1Die Beschwerde, der das nicht abgeholfen hat, war als unzulässig zu verwerfen, weil Entscheidungen des Oberlandesgerichts in einer Auslieferungssache unanfechtbar sind (§ 13 Abs. 1 Satz 2 IRG).

2Die in § 13 Abs. 1 Satz 1 IRG normierte sachliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in Auslieferungssachen erfasst nicht nur Entscheidungen über die Zulässigkeit der Auslieferung und zum Erlass eines Auslieferungshaftbefehls, sondern erstreckt sich als Annexkompetenz auch auf die Anordnung von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung sowie des Einsatzes technischer Mittel zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Verfolgten zur Sicherung der Auslieferung (, juris Rn. 7 ff. mwN; Böhm, NStZ 2019, 256, 258; BeckOK-StPO/Graf, 50. Ed., § 100a Rn. 104). Auch solche Annexentscheidungen sind gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 IRG der Anfechtung entzogen.

3Die in § 13 Abs. 1 Satz 2 IRG geregelte Unanfechtbarkeit von Entscheidungen des Oberlandesgerichts, die für alle Entscheidungen im Auslieferungsverfahren gilt (vgl. , BGHR IRG § 13 Unanfechtbarkeit 1), beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers (BT-Drucks. 9/1338, S. 47, vgl. auch BT-Drucks. 14/8527, S. 44 zu § 7 IStGHG). Gegen § 13 Abs. 1 Satz 2 IRG werden im Schrifttum im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht (König/Voigt, in: Ambos/König/Rackow, Rechtshilferecht in Strafsachen, 2. Aufl., § 13 IRG Rn. 158; Leipold/Lochmann, ZRP 2018, 43, 45; Pieronczyk, AnwBl. Online 2019, 362, 367; Schierholt, in Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 6. Aufl., § 13 Rn. 5; Vogel/Burchard, in: Grützner/Pötz/Kreß/Gazeas/Brodowski, IRG, § 13 Rn. 15 ff.), die der Senat nicht teilt. Die dort teilweise vorgeschlagene „verfassungskonforme Auslegung“, die dazu führen soll, über § 77 Abs. 1 IRG in entsprechender Anwendung des § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 eine Beschwerde zum Bundesgerichtshof zuzulassen (Vogel/Burchard, aaO, Rn. 17; zustimmend König/Voigt, aaO), ist verfassungsrechtlich nicht geboten und scheidet im Übrigen im Hinblick auf den Wortlaut und den klar erkennbaren gesetzgeberischen Willen aus (zu den Grenzen verfassungskonformer Auslegung vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom – 1 BvL 44, 48/92, BVerfGE 95, 64, 93; vom – 1 BvR 2142/11, BVerfGE 138, 64, 93 f.; Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl., Art. 20 Rn. 68 mwN).

Menges                    Grube                    Schmidt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:040424B2ARS408.23.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-70038