BGH Beschluss v. - 3 StR 121/24

Instanzenzug: LG Kleve Az: 223 KLs 8/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten der „gemeinschaftlichen“ räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und gegen ihn eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verhängt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die nicht ausgeführte allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO), führt allerdings zu einer Änderung des Schuldspruchs.

I.

2Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hielt sich der dem örtlichen Drogenmilieu zugehörige Angeklagte zusammen mit einem Mitangeklagten und einer nicht identifizierten dritten Person am Nachmittag des an einem Busbahnhof in M.   auf. Die drei Personen entschieden sich, gemeinsam den dort wartenden Nebenkläger, der Heroin im Wert von etwa 25 € und eine geringe Menge Bargeld mit sich führte, körperlich anzugreifen und zur Herausgabe beziehungsweise Duldung einer Wegnahme von Betäubungsmitteln und Bargeld zu veranlassen. Der Angeklagte und der Dritte traten absprachegemäß von vorne an den Nebenkläger heran und forderten ihn auf, alles herauszugeben, was er bei sich habe. Dieser Forderung verliehen sie Nachdruck, indem sie ihn beide mehrfach mit der flachen Hand in das Gesicht schlugen. Der Mitangeklagte hatte sich im Rücken des Geschädigten positioniert. Als der Nebenkläger sich umdrehte, um die Möglichkeit einer Flucht zu prüfen, nahm er den Mitangeklagten wahr. Dieser sagte zu ihm, um der Herausgabeforderung Nachdruck zu verleihen, „Wegrennen“ bringe nichts. Daraufhin händigte der Nebenkläger dem Angeklagten oder dem Dritten das mitgeführte Heroin aus. Gleichzeitig griff der Angeklagte oder der Dritte in eine Brusttasche des Nebenklägers und entnahm das darin befindliche Bargeld in Höhe von mindestens 25 €; der Geschädigte ließ dies unter dem Eindruck der Gewaltanwendung geschehen. Sodann wandten sich der Angeklagte, der Mitangeklagte und der Dritte zunächst von ihrem Opfer ab.

3Als eine in direkter Nähe befindliche Zeugin, die das gesamte Geschehen beobachtet hatte, den Nebenkläger fragte, ob er Hilfe brauche, gingen der Angeklagte und der Dritte erneut zu ihm und forderten ihn auf „abzuhauen“. Sodann schlugen sie unvermittelt mit Fäusten mehrfach in sein Gesicht. Nachdem der Geschädigte dadurch zu Fall gekommen war, trat einer der beiden ihm mindestens einmal kräftig in das Gesicht.

4Der Mitangeklagte registrierte, dass die Zeugin ihr Mobiltelefon hervorholte, um die Polizei zu verständigen. Er forderte daher den Angeklagten und den Dritten auf, zu fliehen. Alle drei verließen sodann den Busbahnhof.

5Der Nebenkläger erlitt eine Fraktur des Mittelgesichtsknochens und verlor drei vordere Zähne. Er musste operativ versorgt und stationär in einem Krankenhaus behandelt werden.

II.

61. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

7Die Beweiswürdigung hält im Ergebnis der revisionsrechtlichen Kontrolle stand.

8Zwar ist die Erwägung der Strafkammer unzulässig, die auf eine Notwehrlage abzielende Einlassung des Angeklagten sei auch deshalb nicht glaubhaft, weil er sich ungeachtet der zu diesem Zeitpunkt bereits mehrmonatigen Untersuchungshaft erst - unter anderem mit diesem Vorbringen - in der Hauptverhandlung zur Sache eingelassen habe. Denn um das Schweigerecht des Angeklagten als elementarer Bestandteil eines fairen Verfahrens nicht zu entwerten, dürfen weder aus einem durchgängigen noch einem anfänglichen Schweigen eines Angeklagten für diesen nachteilige Schlüsse gezogen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 68/21, juris Rn. 11; vom - 1 StR 42/18, NStZ-RR 2018, 286, 287; vom - 3 StR 344/15, NStZ 2016, 220, 221).

9Hierauf beruht das Urteil jedoch nicht. Angesichts der übrigen Beweisergebnisse, insbesondere der den Tatablauf betreffenden und miteinander korrespondierenden Bekundungen des Nebenklägers und der unbeteiligten Tatzeugin, ist auszuschließen, dass die Strafkammer ohne diese Erwägung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

102. Der Schuldspruch erfährt allerdings auf einen hierauf gerichteten Antrag des Generalbundesanwalts in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO in zweierlei Hinsicht eine Änderung:

11a) Der Angeklagte hat sich auf der Basis der vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht nur wegen räuberischer Erpressung gemäß § 253 Abs. 1 und 2, §§ 255, 249 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB sowie tateinheitlich (§ 52 StGB) wegen gefährlicher Körperverletzung in den Varianten der gemeinschaftlichen Tatbegehung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB und einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB strafbar gemacht.

12Vielmehr ist er auch - in weiterer Tateinheit - des Raubes gemäß § 249 Abs. 1 StGB schuldig. Denn er veranlasste nicht nur das Tatopfer durch die Gewaltanwendung, das mitgeführte Heroin herauszugeben, sondern nahm ihm - gemeinschaftlich mit dem Dritten agierend - zudem unter Einsatz körperlicher Gewalt Bargeld ab. Raub und räuberische Erpressung sind nach dem äußeren Erscheinungsbild des Tatgeschehens abzugrenzen, und zwar danach, ob der Täter dem Opfer die betreffende Sache unter Anwendung beziehungsweise Androhung körperlicher Gewalt wegnimmt (Raub) oder das Opfer sie ihm eingedenk der Gewaltanwendung beziehungsweise -androhung herausgibt (räuberische Erpressung) (st. Rspr.; vgl. , juris Rn. 12; Beschluss vom - 5 StR 606/17, juris Rn. 13; Urteil vom - 3 StR 372/09, NStZ-RR 2010, 46, 48). Die Wegnahme des Bargelds erfüllt mithin den Tatbestand des Raubes. Da es sich bei dem Geld um ein anderes Tatobjekt als das vom Opfer hergegebene Heroin handelt, tritt der Tatbestand des Raubes tateinheitlich zu dem der räuberischen Erpressung hinzu (vgl. , NStZ 2011, 519, 520; Beschluss vom - 3 StR 358/92, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung 3; Urteil vom - 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92 f.; Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 255 Rn. 3; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 255 Rn. 9; MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 249 Rn. 43).

13Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO erstreckt sich auf eine Schuldspruchänderung zum Nachteil des Angeklagten nicht (vgl. , juris Rn. 66; Beschlüsse vom - 3 StR 123/23, juris Rn. 28; vom - 3 StR 308/21, NStZ-RR 2022, 108; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 358 Rn. 18). Auch § 265 StPO steht ihr nicht entgegen, weil sich der Angeklagte insofern nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

14b) Ferner bedarf es keiner Kennzeichnung der mittäterschaftlichen Tatbegehung in der Urteilsformel (vgl. , juris Rn. 2; MüKoStPO/Maier, 2. Aufl., § 260 Rn. 294; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 260 Rn. 24). Der Senat lässt daher die Bezeichnung der räuberischen Erpressung als „gemeinschaftlich“ entfallen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:140524B3STR121.24.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-69729