Gründe
11. Das Oberlandesgericht hat den Beschwerdeführer am nach 28 Tagen Hauptverhandlung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Den getroffenen Feststellungen zufolge war er mehrere Jahre lang in Deutschland Gebietsleiter der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK). Das Urteil ist seit dem rechtskräftig.
2Nachdem der Verurteilte am zwei Drittel seiner Freiheitsstrafe verbüßt sowie am in eine Vollstreckungsaussetzung eingewilligt hatte und mündlich angehört worden war, hat es der Staatsschutzsenat mit Beschluss vom abgelehnt, die Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung auszusetzen. Die Entscheidung ist der Verteidigerin des Verurteilten, Rechtsanwältin B. , aufgrund Vorsitzendenverfügung am , einem Montag, zugestellt worden. Am Mittwoch, den , hat ein weiterer Verteidiger, Rechtsanwalt Br. , für den Verurteilten sofortige Beschwerde eingelegt.
3Am hat der Verurteilte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat der Verteidiger ausgeführt und anwaltlich versichert, er habe die Beschwerde am Osterdienstag, den , über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) abschicken wollen und auf „senden“ geklickt. Die Nachricht sei allerdings im Postausgangsfach verblieben und tatsächlich erst am Folgetag an das Gericht gelangt, was er nicht weiter kontrolliert und wovon er erst am nach Urlaubsrückkehr erfahren habe. Der Verurteilte sei bis dahin ebenfalls von einer fristgerechten Einlegung der Beschwerde ausgegangen.
4Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Wiedereinsetzungsbegehren mit Schriftsatz vom entgegengetreten.
52. Dem Verurteilten ist Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren. Der Antrag erfüllt die Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 44, 45 StPO und ist auch begründet. Denn der Verteidiger hat nachvollziehbar technische Probleme und eigene Versäumnisse bei der Nutzung seines beA und damit Anwaltsverschulden vorgetragen, das dem Verurteilten nicht zuzurechnen ist (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 80/23, juris Rn. 4; vom - 3 StR 423/20, NStZ 2021, 245 Rn. 9). Entgegen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft gelten im Rahmen einer sofortigen Beschwerde nach § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO in dieser Hinsicht die gleichen Maßstäbe wie bei Rechtsbehelfen gegen den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch (vgl. , juris Rn. 8; , juris Rn. 20). Soweit Beteiligte in Teilbereichen des Strafverfahrens für das Verschulden ihres anwaltlichen Vertreters einzustehen haben (vgl. hierzu etwa , NJW 2023, 3304 Rn. 8 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 44 Rn. 18a f. mwN), stellt dies die Ausnahme dar und betrifft jedenfalls nicht Entscheidungen über das „Ob“ ihrer Haft.
6Bei Wiedereinsetzungsanträgen der vorliegenden Art, in denen ein vorübergehender technischer Defekt oder eine Fehlbedienung die fristgerechte Einreichung eines Schriftsatzes per beA verhindert haben, richten sich die Darlegungsanforderungen wie auch sonst nach § 45 StPO (zutreffend , NStZ-RR 2024, 154, 155; insoweit nicht eindeutig , NStZ-RR 2023, 347). Danach muss der Antrag einen aus sich heraus verständlichen Lebenssachverhalt enthalten, der das fehlende Verschulden des Angeklagten an der Säumnis belegt und Alternativen ausschließt, die der Wiedereinsetzung sonst entgegenstehen. Dazu sind alle zwischen Beginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände zu schildern und glaubhaft zu machen, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zu dem Versäumnis gekommen ist. Ebenfalls mitzuteilen hat der Antragsteller, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist, und zwar auch dann, wenn der Verteidiger eigenes Verschulden geltend macht (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 99/96, NStZ-RR 1996, 338; vom - 4 StR 294/17, NStZ-RR 2017, 381, 382; vom - 3 StR 197/18, juris Rn. 3 mwN; vom - 2 StR 45/20, juris Rn. 7; vom - 3 StR 80/23, juris Rn. 4; BeckOK StPO/Cirener, 51. Ed., § 45 Rn. 6 mwN).
7Diese Anforderungen sind in den vorgenannten Fällen in der Regel erfüllt, wenn der Vortrag ergibt, dass beim Verteidiger eine grundsätzlich einsatzbereite elektronische Infrastruktur existierte, im Zeitpunkt der versuchten fristwahrenden Übermittlung eine technische Störung gegeben war, diese - erkannt oder zunächst unerkannt - zur Fristversäumung führte und die Einreichung unmittelbar nach Behebung beziehungsweise Erkennen des Fehlers nachgeholt wurde. Verschulden des Verurteilten am Fristversäumnis liegt unter diesen Umständen fern, so dass es grundsätzlich keiner Darlegung bedarf, warum der Verteidiger nicht die Möglichkeit einer fristwahrenden Einreichung in Papierform nach § 32d Satz 3 StPO gewählt hat.
83. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg, da es unbegründet ist. Der Senat teilt die Ansicht des Oberlandesgerichts, dass die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung unter Berücksichtigung des Sicher-heitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden kann (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB), und nimmt auf die auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens fortgeltenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug. Dem Verurteilten ist keine hinreichend günstige Legalprognose zu stellen (zu den rechtlichen Maßstäben s. BGH, Beschlüsse vom - StB 4/14, juris Rn. 3; vom - StB 3/18, NStZ-RR 2018, 228; jeweils mwN).
9Zu diesem Ergebnis ist das Oberlandesgericht zutreffend aufgrund einer Gesamtschau der prognoserelevanten Faktoren gelangt. Neben der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt hat es unter anderem Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung und der Anhörung des Beschwerdeführers berücksichtigt, aus denen sich jeweils ergibt, dass er weiterhin von der Richtigkeit des bewaffneten Kampfes der PKK und seines Einsatzes für die Vereinigung überzeugt ist.
10Das Oberlandesgericht hat bei seiner Entscheidung bedacht, dass der Verurteilte fortgeschrittenen Alters und krank ist, erstmals eine Haftstrafe verbüßt, ein weitgehend beanstandungsfreies Vollzugsverhalten zeigt sowie im Fall seiner Freilassung bei seiner Schwester Wohnsitz nehmen könnte. Dies alles wiegt im Rahmen der Prognose allerdings weniger schwer als der Umstand, dass der Beschwerdeführer die für den gewaltsamen Widerstand der PKK gegen die türkische Regierung nötige Geldbeschaffung, Propaganda und Logistik in Deutschland seit Jahren zu seinem wesentlichen Lebensinhalt gemacht hat. Vor diesem Hintergrund ist der Staatsschutzsenat zutreffend davon ausgegangen, der Verurteilte werde seinen Einsatz für die Vereinigung nach seiner Freilassung erneut jedenfalls in dem Maße aufnehmen, das die gesundheitlichen Einschränkungen ihm erlauben.
Schäfer Berg Erbguth
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:290524BSTB28.24.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-68921