BGH Beschluss v. - XIII ZB 5/23

Instanzenzug: LG Krefeld Az: 7 T 112/22vorgehend AG Krefeld Az: 29 XIV (B) 147/22

Gründe

1I. Der Betroffene, ein nordmazedonischer Staatsangehöriger, reiste am nach Deutschland ein und stellte am einen Asylantrag. Mit bestandskräftigem Bescheid vom wurde das Asylverfahren wegen mangelnder Mitwirkung des Betroffenen eingestellt. Seit dem war der Aufenthaltsort des Betroffenen unbekannt. Am wurde er festgenommen.

2Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am mit sofortiger Wirkung Abschiebehaft bis zum angeordnet. Dagegen hat der Betroffene am Beschwerde eingelegt. Nachdem er am abgeschoben worden war, hat das Landgericht die nunmehr noch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene sein Feststellungsbegehren weiter.

3II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

41. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Abschiebehaft sei zu Recht angeordnet worden. Es liege ein zulässiger Haftantrag vor. Das Amtsgericht sei für die Anordnung der Haft zuständig. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig, und die Abschiebung sei ihm bestandskräftig angedroht worden. Es habe der Haftgrund der Fluchtgefahr bestanden. Der in mazedonischer Sprache belehrte Betroffene habe entgegen § 50 Abs. 4 AufenthG keine Mitteilung von seinem Aufenthaltsort gemacht und sei nach Ablauf der Ausreisefrist fünf Monate unbekannten Aufenthalts gewesen. Das Amtsgericht habe seinen Beschluss ausreichend begründet und auch die Prognoseentscheidung zutreffend getroffen. Stellten sich die Angaben der beteiligten Behörde nach eigener Prüfung des Gerichts als zutreffend dar, sei die (wörtliche) Übernahme dieser Angaben in die Haftanordnung zulässig.

52. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

6a) Gegen die Zulässigkeit des Haftantrags der beteiligten Behörde bestehen nach den dafür bestehenden Maßgaben (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8; vom - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8; vom - XIII ZB 74/19, juris Rn. 7; vom - XIII ZB 116/19, NVwZ 2023, 1523 Rn. 7; vom - XIII ZB 40/20, juris Rn. 7) keine Bedenken; solche macht auch die Rechtbeschwerde nicht geltend.

7b) Die Rechtsbeschwerde rügt allein, dass das Amtsgericht die Dauer der Haft nicht ausreichend begründet habe. Der Richtervorbehalt gemäß Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG sei nicht gewahrt, weil das Amtsgericht - mit Ausnahme einer inhaltlich unbedeutenden Umformulierung des Eingangssatzes - die Ausführungen zur erforderlichen Dauer der Haft aus dem Haftantrag vollständig in die Haftanordnung übernommen habe. Das greift indes nicht durch. Der Inhalt des Beschlusses rechtfertigt nicht die Annahme, dass eine richterliche Prüfung bei Anordnung der Haft (gar) nicht stattgefunden hat.

8aa) Die Haftgerichte sind nach Art. 20 Abs. 3, Art. 104 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich und nach § 26 FamFG einfachrechtlich verpflichtet, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend zu prüfen. Die Freiheitsgewährleistung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG setzt auch insoweit Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für die Anforderungen in Bezug auf die tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht. Der Richter hat nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG die Verantwortung für das Vorliegen der Voraussetzungen der von ihm angeordneten oder bestätigten Haft zu übernehmen. Dazu muss er die Tatsachen feststellen, die die Freiheitsentziehung rechtfertigen (, NVwZ-RR 2020, 801 Rn. 48 ff.; BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 14/19, juris Rn. 14; vom - XIII ZB 5/20, juris Rn. 12 mwN). Die wörtliche Übernahme von Teilen eines Haftantrags durch den Haftrichter rechtfertigt (allein) nicht die Annahme, eine eigenverantwortliche Prüfung durch den Richter habe nicht stattgefunden. Durch seine Unterschrift bezeugt der Haftrichter vielmehr, dass er den von der Unterschrift gedeckten Text geprüft und in seinen Willen aufgenommen hat und damit als Richter verantwortet. Die gegenteilige Annahme kann nur bei Vorliegen hinreichender und konkreter Anhaltspunkte - etwa der nicht korrigierten Übernahme sinnentstellender sprachlicher Fehler oder sonst offenkundiger Mängel - begründet sein (, NJW 2015, 851 Rn. 18 f. zu einer Durchsuchungsanordnung; vgl. auch LG Paderborn, NZWiSt 2021, 366 Rn. 11). Nicht hinnehmbar ist es, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände die Notwendigkeit der Erörterung eines offensichtlichen Problems aufdrängen musste und gleichwohl eine Prüfung vollständig fehlt (, NJW 2009, 2516 Rn. 29 zu einer Durchsuchungsanordnung; , z.Veröff.best. Rn. 16 f.).

9bb) Solche Anhaltspunkte zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf und sind auch nicht ersichtlich. Allein die wörtliche Übernahme der Ausführungen unter Ziffer II des Haftantrags reicht dafür nach den obigen Ausführungen nicht aus. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist nicht erforderlich, dass der Haftrichter - wenn dies aus inhaltlichen Gründen nicht geboten ist - in die Begründung seines Beschlusses zusätzliche Erkenntnisse aus den Ausländerakten oder aus der persönlichen Anhörung des Betroffenen aufnimmt, wenn die aus dem Haftantrag übernommenen Ausführungen bereits ausreichen, um seine Entscheidung zu begründen. Dass der Haftrichter den Eingangssatz angepasst hat, stellt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde keine inhaltlich unbedeutende Umformulierung dar. Es handelt sich vielmehr um eine tatsächlich erforderliche inhaltliche Anpassung. Daraus lässt sich im Gegenteil entnehmen, dass der Haftrichter die erforderliche Prüfung vorgenommen hat.

103. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:260324BXIIIZB5.23.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-68404