Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 11 U 165/20vorgehend LG Limburg Az: 2 O 424/19 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin erwarb im September 2016 von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten Neuwagen Porsche Cayenne Diesel Platinum Edition, der mit einem von der Audi AG hergestellten V6 Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Sie macht geltend, der Motor sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet und nimmt die Beklagte deshalb auf Schadensersatz in Anspruch.
2Die auf Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen "Rückübereignung" des Fahrzeugs, Ersatz von Aufwendungen nebst Zinsen, Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren mit Ausnahme des Aufwendungsersatzes weiter.
Gründe
3Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
I.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
5Die Klägerin könne von der Beklagten nicht gemäß §§ 826, 31 BGB Schadensersatz verlangen. Das Verhalten der Beklagten sei schon objektiv nicht als sittenwidrig zu qualifizieren. Es könne insoweit dahinstehen, ob das Fahrzeug aufgrund des dort verbauten Motors eine unzulässige Abschalteinrichtung und/oder eine unzulässige Prüfstanderkennung besitze. Der Vortrag der Klägerin zu einem eigenen sittenwidrigen und vorsätzlichen Verhalten der Beklagten beim Inverkehrbringen des Fahrzeugs sei pauschal und daher ungeeignet, eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten hinsichtlich der Kenntnis ihrer verfassungsmäßigen Vertreter von der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszulösen. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 beziehungsweise mit § 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV seien nicht gegeben, weil die Klägerin nicht dargelegt habe, warum den Bestimmungen drittschützende Wirkung zukommen solle.
II.
6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
71. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat (vgl. , NJW 2021, 1669 Rn. 15 ff.; Urteil vom - VII ZR 623/21, WM 2023, 140 Rn. 17 ff.). Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
10Die angefochtene Entscheidung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
11Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben der (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) und vom (VIa ZR 26/21, WM 2023, 2190 Rn. 14) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und gegebenenfalls dem Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:190324UVIAZR1682.22.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-65377