BGH Beschluss v. - 3 StR 480/23

Strafverfahren: Verkündung der Urteilsformel in nichtöffentlicher Sitzung

Gesetze: § 338 Nr 6 StPO, § 173 Abs 1 GVG

Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 1 KLs 2/23

Gründe

1Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, so dass es auf die ebenfalls erhobene Sachrüge nicht mehr ankommt.

2Das Landgericht hat auf Antrag des erwachsenen Angeklagten gemäß § 171a GVG unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Die Öffentlichkeit ist zur Verkündung der Urteilsformel nicht wiederhergestellt worden, so dass auch diese in nicht öffentlicher Hauptverhandlung stattgefunden hat.

3Ein solches prozessuales Vorgehen verletzt § 173 Abs. 1 GVG und begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO.

4Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz ist die Verkündung der Urteilsformel in nicht öffentlicher Sitzung grundsätzlich unzulässig (, BGHSt 4, 279; vom - 3 StR 102/69, juris Rn. 7; Beschlüsse vom - 3 StR 129/70, juris Rn. 3; vom - 3 StR 352/79, juris Rn. 2; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 338 Rn. 112; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 338 Rn. 126). Ausnahmen sind nach § 48 Abs. 1 und 3 Satz 2, § 104 Abs. 1 Nr. 4a, § 109 Abs. 1 Satz 5 JGG insoweit nur in Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende vorgesehen (, BGHSt 42, 294, 295 f.).

5Es führt zu keiner abweichenden Beurteilung, dass der Angeklagte den Ausschluss der Öffentlichkeit - generell und auch bei der Urteilsverkündung, dies allerdings unter Hinweis auf § 173 Abs. 2 GVG - selbst beantragt hatte. Denn die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens sind grundsätzlich unverzichtbar und nicht disponibel (MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 338 Rn. 127; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 338 Rn. 90 mwN; s. auch , BGHSt 22, 83, 85). Der Angeklagte hat das Anfechtungsrecht durch die Antragstellung auch nicht verwirkt (vgl. dazu , BGHR StPO § 338 Nr. 6 Ausschluss 5 Rn. 10 f.; Beschluss vom - 5 StR 612/12, BGHR GVG § 174 Abs. 1 Satz 1 Ausschluss 4 Rn. 16; s. auch , BGHR StPO § 338 Nr. 5 Verteidiger 4; Urteil vom - 3 StR 441/97, NStZ 1998, 267; Beschlüsse vom - 5 StR 494/05, BGHR StPO § 218 Ladung 6; vom - 1 StR 411/05, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 16 Rn. 14 ff.).

6Der Verfahrensfehler hat die Aufhebung des Urteils im Ganzen zur Folge.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:210224B3STR480.23.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-65360