BGH Urteil v. - VIa ZR 1228/22

Instanzenzug: Az: 23 U 217/21vorgehend Az: 2 O 279/20

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung in Anspruch.

2Der Kläger kaufte am von der Beklagten einen von ihr hergestellten gebrauchten Mercedes-Benz C 220 d, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Das Fahrzeug verfügt über ein sogenanntes "Thermofenster", eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung und ein SCR-System.

3Der Kläger finanzierte den Kaufpreis teilweise über ein Darlehen der Mercedes-Benz Bank AG (im Folgenden Darlehensgeber). Dem Darlehensvertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Darlehensgebers zugrunde, die folgende Regelungen enthielten:

4Der Kläger hat, gestützt auf seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs, zuletzt den Ersatz eines merkantilen Minderwerts des Fahrzeugs in Höhe von 20% des Kaufpreises nebst Zinsen (Berufungsantrag zu 1), die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung resultierender Schäden (Berufungsantrag zu 2), die Feststellung des Herrührens des Zahlungsanspruchs aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten (Berufungsantrag zu 3) sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (Berufungsantrag zu 4) begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge zu 1, zu 3 und zu 4 weiter.

Gründe

5Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

6Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7Der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, weil er etwaige deliktische Ansprüche sicherungshalber an den Darlehensgeber abgetreten habe. Die in den Darlehensvertrag einbezogene Abtretungsklausel in Ziffer II 3 vierter Spiegelstrich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfasse auch deliktische Ansprüche des Klägers und halte einer Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB stand. Weder sei sie - weil bankenüblich - überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB noch benachteilige sie den Kläger unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel sei auch nicht als unklar anzusehen. Aufgrund der Offenlegung der Sicherungsabtretung sei der Kläger nicht berechtigt, eine Zahlung an sich zu verlangen.

II.

8Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die vom Kläger noch geltend gemachten Ansprüche nicht abgelehnt werden. Der Kläger ist als Käufer des Fahrzeugs Inhaber möglicher deliktischer Ansprüche gegen die Beklagte, weil die in der Sicherungsabrede zwischen ihm und dem Darlehensgeber enthaltene Abtretungsklausel nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, §§ 134, 400 BGB, § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO unwirksam ist (vgl. VIa ZR 1141/22, juris Rn. 11 ff.; - VIa ZR 1619/22, juris Rn. 10 ff.; - VIa ZR 1657/22, BGHZ 237, 281 Rn. 10 ff.; Urteile vom - VIa ZR 1498/22, juris Rn. 10 ff.; - VIa ZR 155/23, NJW-RR 2023, 1583 Rn. 10 ff.; Urteile vom - VIa ZR 1620/22, juris Rn. 11; - VIa ZR 1632/22, juris Rn. 7; - VIa ZR 318/23, juris Rn. 7; Urteile vom - VIa ZR 1693/22, juris Rn. 7; - VIa ZR 1707/22, juris Rn. 9).

III.

9Das angefochtene Urteil ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen getroffen, aufgrund derer eine Haftung der Beklagten wegen einer deliktischen Schädigung des Klägers durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs verneint werden könnte. Soweit es in anderem Zusammenhang einen - für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB erforderlichen - Täuschungsvorsatz von Repräsentanten der Beklagten mangels prüfstandsbezogener und grenzwertkausaler Funktionsweise der im Fahrzeug verbauten Einrichtungen (vgl. dazu , juris Rn. 17; Urteil vom - VIa ZR 1012/22, juris Rn. 11 mwN) verneint hat, begegnet seine Annahme zwar keinen rechtlichen Bedenken und greifen die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen nicht durch (§ 564 Satz 1 ZPO). Zu einem in Betracht kommenden Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) hat das Berufungsgericht jedoch nichts festgestellt.

10Der Senat kann im Umfang der Aufhebung des Berufungsurteils nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:190324UVIAZR1228.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-64768