BGH Beschluss v. - 1 StR 422/23

Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 8/29 KLs 4/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten G.    wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 513 Fällen und wegen Steuerhinterziehung in 65 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten K.     hat es wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 51 Fällen, davon in 50 Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung, eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verhängt. Zudem hat es gegen beide Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe des gesamten im Tatzeitraum vereinnahmten Arbeitslohns angeordnet, und zwar gegen den Angeklagten G.     in Höhe von 264.422,52 € sowie gegen den Angeklagten K.    in Höhe von 82.467,87 € und zudem einen weiteren Betrag von 283.500 €. Die gegen ihre Verurteilungen gerichteten Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts beanstanden, haben zur Einziehung – auch zugunsten des nichtrevidierenden Mitangeklagten S.     – Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); zum Schuld- und Strafausspruch sind die Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte G.     Geschäftsführer der A.                  GmbH, erstellte er die Angebote zur Gebäudereinigung, war er der Ansprechpartner der Vergabestellen bei den Ausschreibungen und wickelte er die Aufträge technisch ab. Gemäß dem mit dem gesondert Verfolgten E.      verabredeten Tatplan ließ der Angeklagte G.     einen erheblichen Teil der Arbeitslöhne nicht in der Buchhaltung der Einziehungsbeteiligten erfassen, um Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern nur im geringeren Umfang zu zahlen. Um den Geldabfluss für die Schwarzlohnzahlungen in der Buchhaltung zu verschleiern, erwarb die Einziehungsbeteiligte Abdeckrechnungen. Zugunsten der Einziehungsbeteiligten führte der Angeklagte G.    gegenüber den Einzugsstellen der verschiedenen Sozialversicherungsträger im Zeitraum von Oktober 2015 bis März 2021 fast 8,15 Millionen € an Sozialversicherungsbeiträgen nicht ab und verkürzte bis Februar 2021 rund 1,96 Millionen € an Lohnsteuer inklusive Solidaritätszuschlag. Der Angeklagte G.     verdiente im Tatzeitraum gemeldeten Lohn in Höhe von insgesamt 30.934,31 €; daneben vereinnahmte er rund 5.000 € monatlich in bar, insgesamt 230.345 €. Von der  R.               GmbH bezog er weitere 3.143,21 €.

3Der Angeklagte K.   , als Betriebsleiter bei der A.                  GmbH angestellt, ermittelte durch Auswertung der Stundenzettel die Löhne der Arbeitnehmer und bestimmte, welche Teile bar und welche unbar ausgezahlt wurden; dazu führte er eine Schattenbuchhaltung. Der Angeklagte K.    verdiente gemeldeten Lohn in Höhe rund 3.000 € monatlich; 2.167,87 € wurde auf das Konto seiner Ehefrau überwiesen. Daneben vereinnahmte der Angeklagte K.    insgesamt 80.300 € „schwarz“. Bei seiner Verhaftung im April 2021 hatte er 19 Uhren im Gesamtwert von 472.500 € im Besitz.

4Der Mitangeklagte S.     war Vorarbeiter und Objektleiter. Er verdiente „offiziell“ 34.112,14 € im Tatzeitraum und „schwarz“ 44.228,47 €; daneben bezog er weitere 3.540,51 €.

52. Die Revisionen sind teilweise begründet. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1 Alternative 2, § 73c Satz 1 StGB) hält mitsamt den zugehörigen Feststellungen der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

6a) „Für die Tat“ sind Vorteile erlangt, die einem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruhen (st. Rspr.; Rn. 27 mwN). Von diesem Tatlohn sind Zuwendungen abzugrenzen, die der Tatbeteiligte aus einem anderen, von der Tatbegehung unabhängigen Rechtsgrund erhält. Ob ein solcher Rechtsgrund tatsächlich besteht oder ob der Tatlohn lediglich unter dem Deckmantel eines vorgetäuschten Anspruchs weitergeleitet wird, ist Tatfrage und im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 67/22 Rn. 14 und vom – 1 StR 233/22 Rn. 19; Urteile vom – 6 StR 227/21 Rn. 45 und vom – 5 StR 443/19 Rn. 100).

7b) Diesem Maßstab werden die Einziehungsanordnungen nicht gerecht. Das Landgericht hat sämtlichen Arbeitslohn abgeschöpft, da die Einziehungsbeteiligte ohne das Ersparen von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuern nicht weiter werbend hätte tätig sein können. Es hat dabei jedoch außer Acht gelassen, dass das Ersparen von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer durch (teilweise) „Schwarzlohnzahlungen“ nicht dazu führte, dass die Einziehungsbeteiligte ausschließlich illegal tätig war. Die Strafkammer hätte vielmehr – naheliegender Weise durch vorsichtige Schätzung (§ 73d Abs. 2 StGB) – den Teil der Vergütung ermitteln müssen, der den Angeklagten ausschließlich für ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Hinterziehung von Beiträgen und der Verkürzung von Steuer gewährt wurde (vgl. zum Ganzen Rn. 27-30). Dies gilt auch für den den Angeklagten „schwarz“ ausbezahlten Teil ihres Arbeitslohns. Allein aus der Zahlung unter Verkürzung von Beiträgen und Steuern kann nicht darauf geschlossen werden, dass damit die Begehung von bzw. Beteiligung an Straftaten vergütet wurde.

8c) Die Aufhebung ist auf den Mitangeklagten S.     zu erstrecken (§ 357 Satz 1 StPO), da das Landgericht auch insoweit zwischen Entgelt für legale und illegale Tätigkeiten hätte unterscheiden müssen. Dies gilt indes nicht für die Mitangeklagte So.  . Denn sie war – als weitere (Schein-)Geschäftsführerin – nahezu ausschließlich in den illegalen Scheinrechnungsverkehr eingebunden.

9d) Beim Angeklagten K.   begegnet zudem die Einziehung in Höhe von 60 % des Wertes der aufgefundenen Uhren (§ 73a Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) jedenfalls deswegen durchgreifenden Bedenken, weil ein ausreichender Bezug zu den Anlasstaten nicht festgestellt ist. Voraussetzung für eine erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB ist, dass die Taterträge aus den anderen nicht weiter aufklärbaren Taten zum Zeitpunkt zumindest einer der Anlasstaten gegenständlich in seinem Vermögen vorhanden waren (st. Rspr.; etwa Rn. 59 mit weiteren umfangreichen Nachweisen). Dazu fehlen jegliche Feststellungen. Zudem ist gerade nicht auszuschließen, dass der Angeklagte K.     mit seinem Tatlohn aus den gegenständlichen Taten die Uhren erwarb; dann würde aber zum Teil doppelt abgeschöpft.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:110124B1STR422.23.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-64128