Notwendige Darlegungen in Urteilsgründen bei Vergewaltigungsvorwurf zu Aussage-gegen-Aussage-Konstellation; Darstellung der Ergebnisse einer DNA-Analyse
Gesetze: § 261 StPO, § 177 StGB
Instanzenzug: LG Lüneburg Az: 21 KLs 18/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
21. Das Landgericht hat festgestellt: Der Angeklagte und der 18-jährige Geschädigte waren Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft. Sie befanden sich am Tattag im Zimmer des Geschädigten. Der Angeklagte forderte den Geschädigten unter dem Vorwand auf, er sei Arzt und wolle sich dessen schmerzende Beine ansehen, sich auf das Bett zu legen und die Hose auszuziehen. Da sich der Geschädigte weigerte, drohte der Angeklagte, ihn zu würgen und forderte ihn auf, still zu sein. Aus Angst zog sich der Geschädigte die Hose bis zu den Knien herunter. Der Angeklagte manipulierte an dessen Penis, bis dieser erigiert war, führte diesen in seinen Anus ein und bewegte sich hin und her, bis der Geschädigte in ihm ejakulierte. Als der Angeklagte nun am Geschädigten den Analverkehr vollziehen wollte, gelang jenem die Flucht aus dem Zimmer.
32. Die landgerichtliche Beweiswürdigung (§ 261 StPO) hält auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabes (vgl. ; Beschlüsse vom – 6 StR 281/22; vom – 6 StR 285/23 mwN) sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
4In Fällen, in denen – wie hier – „Aussage gegen Aussage“ steht, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in einer Gesamtschau gewürdigt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 281/22; vom – 6 StR 285/23 mwN). Ein wesentliches Element der Aussageanalyse ist die Prüfung der Aussagekonstanz (vgl. , BGHSt 45, 164, 172; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 261 Rn. 101, 121 mwN). Dazu bedarf es zunächst einer geschlossenen – wenn auch gerafften – Darstellung der Angaben des Belastungszeugen in den Urteilsgründen. Daran hat sich die Prüfung auf Übereinstimmungen, Widersprüche, Ergänzungen und Auslassungen anzuschließen. Erst auf Grundlage dessen ist es dem Revisionsgericht möglich zu prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts den bei dieser Beweislage geltenden besonderen Anforderungen an die Beweiswürdigung entspricht (vgl. ; Beschlüsse vom – 1 StR 408/17; vom – 4 StR 299/21).
5Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat zwar die Notwendigkeit einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung der Aussage des Geschädigten angesprochen. Die nachfolgende Darstellung ist indes lückenhaft. Sie beschränkt sich im Wesentlichen auf die Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten und deren Würdigung sowie die Schilderung der Angaben von zwei in der Unterkunft beruflich tätigen Zeugen zu den Bekundungen des Geschädigten ihnen gegenüber. Den Urteilsgründen lässt sich dagegen nicht entnehmen, wann und wie die Tatvorwürfe Eingang in das Ermittlungsverfahren gefunden haben. Darüber hinaus fehlen Angaben dazu, ob und gegebenenfalls wie sich der Geschädigte gegenüber den Strafverfolgungsbehörden geäußert hat. Auf Grundlage dessen ist die Annahme des Landgerichts, die aussageübergreifende Konstanz spreche für die Glaubhaftigkeit der Angaben, nicht überprüfbar.
63. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Hierfür weist der Senat auf Folgendes hin:
7a) Die Darstellung der Ergebnisse der DNA-Analyse genügt nicht den vom Bundesgerichtshof gestellten Anforderungen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187; vom – 6 StR 211/20). Sie beschränkt sich auf die Mitteilung, dass DNA des Geschädigten am und im After des Angeklagten sowie dessen DNA am Penis des Geschädigten gefunden worden seien. Sie enthält weder Angaben zur Art der untersuchten Spuren noch zur biostatistischen Wahrscheinlichkeit in numerischer Form.
8b) Die Erwägung, es habe sich um die „lebensprägende erste sexuelle Erfahrung des Geschädigten“ gehandelt, dürfte nur dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn der Angeklagten dies hätte erkennen können.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:200224B6STR37.24.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-63316