Verfassungsmäßigkeit der Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG für die rückwirkende Stellung von Kindergeldanträgen
Leitsatz
2. Die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes wird nach der gesetzgeberischen Konzeption des Familienleistungsausgleichs
entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG bewirkt (§ 31 Satz 1 EStG).
Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG). Im laufenden Kalenderjahr
wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt (§ 31 Satz 3 EStG). Bewirkt der Anspruch auf Kindergeld für den gesamten
Veranlagungszeitraum die nach § 31 Satz 1 EStG gebotene steuerliche Freistellung nicht vollständig und werden deshalb bei
der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG vom Einkommen abgezogen, erhöht sich die unter Abzug
dieser Freibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum
(§ 31 Satz 4 Halbsatz 1 EStG).
1. Das Kindergeld dient nur der vorläufigen Freistellung des Existenzminimums während des laufenden Veranlagungszeitraums
(§ 31 Satz 3 EStG). Die endgültige Freistellung erfolgt erst durch die nach Ablauf des Veranlagungszeitraums durchzuführende
Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 EStG. Entsprechend hat die Verfassungsmäßigkeitsprüfung auch erst bei der Günstigerprüfung
anzusetzen (vgl. BFH III R 37/19 vom ).
Ein durch die Frist des § 66 Abs. 3 EStG a. F. ausgeschlossener Kindergeldanspruch ist bei der Günstigerrechnung und Hinzurechnung
nach § 31 Satz 4 EStG i. H. v. 0 € zu berücksichtigen. (vgl. BFH III R 50/19 vom ).
Soweit das Kindergeld der Förderung der Familie dient (§ 31 Satz 2 EStG), ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber
dem Steuerpflichtigen die Obliegenheit auferlegt, Kindergeld innerhalb von sechs Monaten nach Entstehung des Anspruchs zu
beantragen (vgl. u. a. BFH III R 37/19 vom BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2 BvR 1240/02 vom 6. 11.
2003).
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Finanzgericht Nürnberg, Urteil v. 04.05.2023 - 8 K 467/21
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