BGH Beschluss v. - VIII ZB 85/22

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Anforderungen an die Ausgangskontrolle bei der Versendung fristgebundener Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach

Leitsatz

Zu den Anforderungen an die Ausgangskontrolle bei der Versendung fristgebundener Schriftsätze - hier: Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA; im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 44 ff.; vom - XI ZB 18/21, NJW-RR 2022, 1069 Rn. 12; vom - VIII ZB 80/22, NJW 2023, 1668 Rn. 19 ff.; jeweils m.w.N.).

Gesetze: § 85 Abs 2 ZPO, § 130a Abs 5 S 2 ZPO, § 130d ZPO, § 233 ZPO, § 234 ZPO, § 520 Abs 2 S 3 ZPO

Instanzenzug: Az: 63 S 198/22vorgehend AG Schöneberg Az: 6 C 8/22

Gründe

I.

1Die Klägerin als Vermieterin nimmt den Beklagten als ihren ehemaligen Mieter auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage weit überwiegend abgewiesen.

2Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Ihr Antrag auf Verlängerung der am ablaufenden Berufungsbegründungsfrist ist erst am Folgetag bei dem Berufungsgericht eingegangen. Die Klägerin hat am die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt. Das Berufungsgericht hat sowohl diesen Antrag als auch denjenigen auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

3Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist sei unbegründet, da die Klägerin nicht ohne das ihr zuzurechnende Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) an der Wahrung dieser Frist gehindert gewesen sei. Zwar seien die Angestellten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin angewiesen, zweimal am Tag zu prüfen, ob die gefertigten Schriftsätze von den Rechtsanwälten mit einer digitalen Signatur versehen worden seien, die Schriftsätze danach unverzüglich über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zu versenden und sich von der erfolgreichen Zustellung zu überzeugen. Hinsichtlich des Schriftsatzes, mit welchem vorliegend die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt worden sei, habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ferner an eine Kanzleiangestellte eine Einzelanweisung zum Versand erteilt.

4Jedoch stelle sich die seitens der Klägerin im Rahmen ihres Wiedereinsetzungsantrags dargelegte Organisation zum Versand fristgebundener Schriftsätze in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten verschuldet als nicht ausreichend dar, was zu der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist geführt habe. Es wäre ein Fristenkalender zu führen gewesen, in dem eine zu wahrende Frist eingetragen und erst dann gestrichen werde, wenn die erforderliche Handlung auch tatsächlich ausgeführt worden sei. Anhand einer abendlichen Kontrolle des Fristenkalenders wäre zu überprüfen gewesen, ob die an dem Tag ablaufenden Fristen als erledigt anzusehen seien. Vorliegend sei nicht erkennbar, dass diese Sorgfaltspflichten eingehalten worden seien. Anhand des Vorbringens der Klägerin zur Begründung der beantragten Wiedereinsetzung sei nicht ersichtlich, ob in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten ein Fristenkalender existiere und wer aufgrund welcher Anweisungen in diesem Eintragungen und Streichungen vornehme beziehungsweise auf wen die Verantwortung für die abschließende Kontrolle des Fristenkalenders delegiert worden sei.

5Der Antrag auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung sei zurückzuweisen, da dieser erst am und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei; eine abgelaufene Frist könne nicht verlängert werden.

6Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.

II.

7Die Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (§ 577 Abs. 1 ZPO).

81. Soweit sich die Klägerin gegen die Zurückweisung des Antrags auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung wendet, ist die Rechtsbeschwerde bereits nicht statthaft. Denn gemäß § 225 Abs. 3 ZPO findet eine Anfechtung der Entscheidung, durch die das Gesuch um Verlängerung einer Frist zurückgewiesen wird, nicht statt (vgl. IVb ZR 86/86, BGHZ 102, 37, 39; Beschlüsse vom - VIII ZB 18/84, BGHZ 93, 300, 302 f.; vom - V ZB 15/22, NJW 2023, 2883 Rn. 6; vom - III ZB 4/23, juris Rn. 14; MünchKommmZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl., § 520 Rn. 20; Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 23. Aufl., § 520 Rn. 17; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 5. Aufl., § 520 Rn. 55).

92. Soweit die Rechtsbeschwerde die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung betrifft, ist sie - auch wenn die Berufung, wie hier, noch nicht als unzulässig verworfen worden ist - zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 103/18 und VIII ZB 104/18, NJW-RR 2020, 52 Rn. 8; vom - III ZB 72/22, juris Rn. 7 mwN) und genügt den Form- und Fristerfordernissen. Sie ist jedoch ebenfalls unzulässig, wobei dahinstehen kann, ob dies bereits daraus folgt, dass die Rechtsbeschwerde in der Sache beantragt, der Klägerin "wegen der Versäumung der Frist zur Beantragung der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren", was keine Grundlage im Gesetz hat (§ 233 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Beschlüsse vom - III ZB 30/86, VersR 1987, 308; vom - IX ZB 52/89, juris Rn. 2 [jeweils zu § 233 ZPO aF]; vgl. auch Senatsbeschluss vom - VIII ZB 90/22, juris Rn. 21).

10Auch wenn man dieses mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Begehren zugunsten der Klägerin dahingehend auslegt, dass sie - ebenso wie in der Berufungsinstanz - (zutreffend) die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist begehrt, ist das Rechtsmittel unzulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Wiedereinsetzung ablehnenden Beschluss gewahrt sein müssen (siehe nur Senatsbeschlüsse vom - VIII ZB 55/21, NJW 2023, 1812 Rn. 14; vom - VIII ZB 80/22, NJW 2023, 1668 Rn. 13; vom - VIII ZB 60/22, NJW 2024, 83 Rn. 17; jeweils mwN; siehe auch , juris Rn. 8), nicht erfüllt sind. Denn die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Insbesondere verletzt die angegriffene Entscheidung - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht die Verfahrensgrundrechte der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip).

11a) Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden beziehungsweise die den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom - VIII ZB 55/21, aaO Rn. 16; vom - VIII ZB 80/22, aaO Rn. 16; vom - VIII ZB 60/22, aaO Rn. 18; jeweils mwN).

12b) Gemessen hieran verletzt die Versagung einer Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist die Klägerin in ihren vorgenannten Verfahrensgrundrechten nicht, da die Fristversäumung auf einem der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden anwaltlichen Organisationsmangel (§ 233 Satz 1 ZPO) bei der Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten beruht.

13aa) Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - VIII ZB 103/18 und VIII ZB 104/18, NJW-RR 2020, 52 Rn. 11; vom - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 44; vom - VIII ZB 80/22, NJW 2023, 1668 Rn. 18; jeweils mwN).

14Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen. Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax kommt der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Frist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VII ZB 36/15, NJW 2016, 1740 Rn. 8; vom - VI ZB 99/19, NJW 2020, 1809 Rn. 12; vom - VIII ZB 80/22, aaO Rn. 19; jeweils mwN).

15Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen - wie hier - mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) entsprechen nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs denjenigen bei der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 21; vom - VII ZR 94/21, NJW 2021, 3471 Rn. 12; vom - XI ZB 14/22, NJW 2022, 3715 Rn. 7). Daher hat der Rechtsanwalt in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend anzuweisen, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 9/20, aaO Rn. 24; vom - IV ZB 23/21, NJW-RR 2023, 425 Rn. 14). Die Kontrollpflichten erstrecken sich zudem unter anderem darauf, ob die Übermittlung vollständig und an das richtige Gericht erfolgte sowie ob die richtige Datei übermittelt wurde (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XI ZB 14/22, aaO Rn. 7 ff.; vom - VIII ZB 80/22, aaO Rn. 20, 26; jeweils mwN).

16bb) Dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine den vorstehenden Maßstäben gerecht werdende Ausgangskontrolle besteht, hat diese weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Der darin liegende Organisationsmangel ist für die Fristversäumung auch ursächlich geworden.

17(1) Die Klägerin hat in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch vom - worauf das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend abgestellt hat - nichts zur Führung eines Fristenkalenders vorgebracht, anhand dessen eine den vorgenannten Anforderungen genügende Ausgangskontrolle durchgeführt wird.

18Die Klägerin hat lediglich ausgeführt, in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten bestehe die Arbeitsanweisung, dass die Mitarbeiterinnen sich davon zu überzeugen hätten, dass ein - per beA - versandtes Schriftstück erfolgreich zugestellt worden sei. Ungeachtet bereits fehlender Angaben zur Führung eines Fristenkalenders ergibt sich weder aus den vorgenannten Ausführungen noch aus dem Vorbingen der Klägerin in der Rechtsbeschwerde - wobei dahinstehen kann, ob dieses Vorbringen im vorliegenden Verfahrensstadium überhaupt noch zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu nur Senatsbeschluss vom - VIII ZB 96/20, NJW-RR 2022, 644 Rn. 31 mwN) -, in welcher erstmals (allgemein) von einer Eingangsbestätigung die Rede ist, nach deren Eingang die Frist erst zu streichen sei, wie die Überprüfung der erfolgreichen Zustellung genau erfolgt. Insbesondere ist nichts dazu vorgetragen, ob diese den Erhalt sowie den Inhalt der elektronischen Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO (vgl. hierzu auch , NJW-RR 2022, 1069 Rn. 12) umfasst. Überdies lässt sich den Ausführungen der Klägerin nicht entnehmen, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten eine Anweisung besteht, wonach erst nach einer solchen Überprüfung der Eingangsbestätigung eine Frist im Fristenkalender als erledigt vermerkt beziehungsweise gestrichen werden darf.

19Aufgrund dieses Organisationsverschuldens kann sich die Rechtsbeschwerde nicht mit Erfolg darauf berufen, es liege allein ein Verschulden der zuständigen Mitarbeiterin in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor, die es (lediglich) versäumt habe, "auf den Knopf" zum Versenden der beA-Nachricht mit dem Fristverlängerungsantrag "zu drücken". Zwar ist der bloße Versand der (qualifiziert signierten, § 130a Abs. 3 ZPO) beA-Nachricht durch eine Kanzleiangestellte nicht vom Rechtsanwalt zu kontrollieren und stellt ein diesbezüglicher Fehler der Angestellten ein schlichtes, der Partei nicht zuzurechnendes und bei fehlendem eigenen Verschulden des Rechtsanwalts - etwa in Form eines Organisations- oder Aufsichtsverschuldens - ein der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegenstehendes Büroversehen dar (vgl. hierzu BVerfG, NJW 1996, 309; BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 4/17, juris Rn. 5; vom - VIII ZR 103/18 und VIII ZR 104/18, NJW-RR 2020, 52 Rn. 15 [zum Postversand]; vom - IV ZB 4/23, NJW 2023, 3432 Rn. 11; vom - VIII ZB 60/22, NJW 2024, 83 Rn. 25). Jedoch sind in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht "sämtliche Maßnahmen zur Fristerledigung" getroffen, sondern fehlt es - wie ausgeführt - an einer ordnungsgemäßen Ausgangskontrolle.

20(2) Dieses Versäumnis ist nicht nach den Grundsätzen zum Verschulden eines Prozessbevollmächtigten bei Vorliegen einer konkreten Einzelanweisung deshalb unerheblich, weil die Kanzleiangestellte "noch einmal gesondert" angewiesen wurde, den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am Tag deren Ablaufs dem Gericht per beA zu übermitteln.

21(a) Auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht an, wenn ein Rechtsanwalt für einen bestimmten Fall eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. In einem solchen Fall darf ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, diese konkrete Einzelanweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - V ZB 54/15, NJW-RR 2016, 126 Rn. 11; vom - VIII ZB 70/17, NJW-RR 2018, 1325 Rn. 22; vom - II ZB 4/18, juris Rn. 13). Wird die Anweisung jedoch - wie hier - nur mündlich erteilt, müssen allerdings ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Erledigung in Vergessenheit gerät. Dafür genügt im Regelfall die klare und präzise Anweisung, die Erledigung sofort vorzunehmen, insbesondere wenn zudem eine weitere allgemeine Büroanweisung besteht, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen auszuführen. Die Gefahr, dass eine solche sofort auszuführende Weisung sogleich vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird, macht eine nachträgliche Kontrolle ihrer Ausführung dann nicht erforderlich. Der Rechtsanwalt muss aber, wenn er - wie im Streitfall - nicht die sofortige Ausführung seiner Anweisung anordnet, durch allgemeine Weisung oder besonderen Auftrag Vorkehrungen gegen das Vergessen treffen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - II ZB 4/18, juris Rn. 13; vom - VI ZB 99/19, NJW 2020, 1809 Rn. 11).

22(b) Hieran fehlt es vorliegend. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte weder einen besonderen Auftrag zur sofortigen Erledigung erteilt noch besteht - wie ausgeführt - in der Kanzlei eine ausreichende allgemeine Weisung bezüglich der Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze. Daher hätte sich die Einzelanweisung in gleicher Weise wie allgemeine Organisationsanweisungen auf die gebotene Ausgangskontrolle, insbesondere auf die Kontrolle des Erhalts sowie des Inhalts der automatisierten Eingangsbestätigung (§ 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO) erstrecken müssen (vgl. , aaO Rn. 12). Dies war nach dem Vorbringen der Klägerin in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch jedoch nicht der Fall. Hiernach sei die Kanzleiangestellte lediglich "noch einmal gesondert" darauf hingewiesen worden, den Fristverlängerungsantrag weiterzuleiten. Konkrete Anweisungen, die an die Stelle einer allgemeinen Ausgangskontrolle hätten treten können, fehlen somit.

23(3) Die Pflichtverletzung in Form einer ungenügenden Ausgangskontrolle war für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auch ursächlich. Hätte in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Organisation bestanden, die die ordnungsgemäße Prüfung des Eingangs sowie des Inhalts der Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO gewährleistet hätte, wäre nach gewöhnlichem Lauf der Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten der Beteiligten (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 15/15, NJW 2016, 873 Rn. 11; vom - VIII ZB 103/18 und VIII ZB 104/18, NJW-RR 2020, 52 Rn. 19; vom - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 54) die nicht erfolgte Übermittlung des Fristverlängerungsantrags bekannt geworden und hätte - noch am Tag des Ablaufs der Frist zur Begründung der Berufung - eine Versendung unternommen werden können.

243. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:300124BVIIIZB85.22.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2024 S. 792 Nr. 12
CAAAJ-61205