Körperschaftsteuer | Beitrittsaufforderung an das BMF zu § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG (BFH)
Der BFH hat das BMF aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten, um zu diversen Fragen zu § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG Stellung zu nehmen (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die Klägerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, betrieb u.a. die Wasserversorgung und ein Freibad. Im Jahr 2007 entschied sich die Klägerin dafür, die alte Kesselanlage zur Beheizung des zwischen Mai und September betriebenen Freibades zu ersetzen und stattdessen ein auf die Wärmebedürfnisse des Freibades ausgerichtetes Blockheizkraftwerk (BHKW I) auf dem Gelände des Freibades zu errichten. Das BHKW I wird mit Biogas betrieben. Eine Biogasanlage befindet sich an einem anderen Ort auf gemeindlichem Gebiet. Die für die Biogaserzeugung notwendige Wärme wurde durch ein zweites, kleineres BHKW (BHKW II) an der Biogasanlage produziert. Der in beiden BHKWs erzeugte Strom wurde an die Stadtwerke als Stromversorger verkauft.
Die im BHKW I in der fünfmonatigen Freibadsaison produzierte Wärme wurde in den Streitjahren 2009 bis 2014 ganz überwiegend zur Erwärmung des Freibades verwandt, während in den Wintermonaten ein in unmittelbarer Nähe des Freibades errichtetes Neubaugebiet mit Fernwärme versorgt wurde.
In ihren Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen verrechnete die Klägerin die negativen Einkünfte aus dem Betrieb des Freibades im Rahmen eines BgA „Versorgung“ mit den Einkünften aus der Wasserversorgung und aus der Strom- und Wärmeerzeugung aus dem Betrieb der zwei BHKWs. Dem hielt das Finanzamt im Rahmen einer Betriebsprüfung entgegen, dass der Freibadbetrieb nicht mit einem BgA „Versorgung“ zusammengefasst werden könne. Eine nach dem Gesamtbild der Verhältnisse objektive enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG bestehe insoweit nicht.
Das FG der ersten Instanz gab der hiergegen gerichteten Klage statt und ließ eine Verrechnung der Verluste aus dem Betrieb des Freibades mit den Einkünften aus einem zusammengefassten Versorgungs-BgA "Betrieb von BHKW/Wasserversorgung" zu (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 1.7.2022).
Mit seiner Revision macht das FA geltend, das FG habe zu Unrecht eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung im Sinne von § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG zwischen dem BgA Freibad und dem BgA BHKW angenommen, weil es diese ausschließlich aus der Sicht des Freibades betrachtet habe. Außerdem rügt das FA die fehlerhafte Anwendung des (BStBl I 2016, 479).
Im Streitfall stellt sich nach Auffassung des BFH zum einen die Frage, ob § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG eine Zusammenfassung ohne organisatorische Verflechtung der zusammenzufassenden BgA ermöglicht. Zum anderen sei zu entscheiden, ob diese Vorschrift eine mehrstufige Zusammenfassung von mehr als zwei BgA gestatte, bei der auf einer ersten Stufe zwei BgA zusammengefasst würden und es dann auf einer zweiten Stufe für die Zusammenfassung dieser zusammengefassten BgA mit einem weiteren BgA ausreiche, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG nur zu einem der bereits zusammengefassten BgA vorliegen.
Für die Anwendung von § 4 Abs. 6 KStG verlange die Finanzverwaltung keine organisatorische Verflechtung, sondern lasse es ausreichen, dass zur Ausübung des steuerlichen Wahlrechts für den zusammengefassten BgA lediglich eine eigenständige Gewinnermittlung vorgenommen werde (, BStBl I 2009, 1303, Rz 1 Satz 5, Rz 3). Ob die Finanzverwaltung damit § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG zutreffend auslegt, erscheint den Richter des BFH zweifelhaft. Sie halten es für möglich, dass die Regelungen des , BStBl I 2009, 1303 nicht mit geltendem Recht in Einklang stehen.
Die Richter des BFH haben daher das BMF aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten, um zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
Ermöglicht § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG eine Zusammenfassung ohne organisatorische Verflechtung der zusammenzufassenden Betriebe gewerblicher Art (BgA)?
Gestattet § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG eine mehrstufige Zusammenfassung von mehr als zwei BgA, bei der auf einer ersten Stufe zwei BgA zusammengefasst werden und es dann auf einer zweiten Stufe für die Zusammenfassung dieser zusammengefassten BgA mit einem weiteren BgA ausreicht, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG nur zu einem der bereits zusammengefassten BgA vorliegen?
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
BAAAJ-61078