Strafverfahren: Nachträgliche Berichtigung der Urteilsformel wegen offensichtlichen Verkündungsversehens
Gesetze: § 260 Abs 1 StPO, § 260 Abs 4 StPO
Instanzenzug: Az: 37 KLs 3/23
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte ausweislich der Sitzungsniederschrift unter Freisprechung im Übrigen wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und in weiteren vier Fällen sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Durch einen Berichtigungsbeschluss vom hat das Landgericht den Tenor des angefochtenen Urteils auf die gleiche Formel gebracht, wie sie der Senat nunmehr gefasst hat. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten hat – abgesehen von der Berichtigungsmaßnahme – keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils führt zur Berichtigung der protokollierten Urteilsformel durch den Senat.
3a) Der mit dem es für die Fälle II.3.b) bis II.3.e) der Urteilsgründe den Schuldspruch von Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und in weiteren vier Fällen) berichtigt hat, ist unzulässig und damit unwirksam.
4aa) Eine Berichtigung der Urteilsformel nach Abschluss der mündlichen Urteilsverkündung kommt nur bei einem offensichtlichen Schreib- bzw. Verkündungsversehen in Betracht (vgl. Rn. 4 mwN). Insbesondere in Ansehung der überragenden Bedeutung der Urteilsformel, die – anders als die schriftlichen Urteilsgründe – bei Verkündung schriftlich vorliegen muss, ist bei einer Berichtigung der Urteilsformel ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Rn. 18). Ein der Berichtigung zugängliches offensichtliches Verkündungsversehen kann nur angenommen werden, wenn sich der Fehler ohne Weiteres aus solchen Tatsachen ergibt, die für alle Verfahrensbeteiligten – auch ohne Berichtigung – klar zu Tage liegen, und der auch nur entfernte Verdacht einer späteren inhaltlichen Änderung des verkündeten Urteils ausgeschlossen ist; die Berichtigung also lediglich dazu dient, die äußere Übereinstimmung der Urteilsformel mit der tatsächlich beschlossenen herzustellen (vgl. Rn. 8).
5bb) Gemessen hieran lagen die Voraussetzungen für die vom Landgericht vorgenommene Berichtigung der Urteilsformel nicht vor. Die ausweislich der Sitzungsniederschrift verkündete Urteilsformel lässt einen offensichtlichen Fehler oder eine sonstige offensichtliche Unrichtigkeit bei der Bezeichnung der Straftatbestände nicht erkennen. Die Sitzungsniederschrift weist unter der Urteilsformel keine Liste der angewendeten Vorschriften aus (§ 260 Abs. 5 StPO), die ggf. einen Rückschluss auf die Anwendung des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ermöglicht hätte (vgl. Rn. 5). Der Senat vermag daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass das Auseinanderfallen von Schuldspruch und Urteilsgründen auf einem bloßen Verkündungsversehen beruht.
6b) Der Senat hat die protokollierte Urteilsformel wie aus der Beschlussformel ersichtlich berichtigt. Zwar führt die Unwirksamkeit der Berichtigung des Urteilstenors durch das Landgericht dazu, dass der Berichtigungsbeschluss im Revisionsverfahren unbeachtlich und maßgeblich allein die protokollierte Urteilsformel ist (vgl. Rn. 15 mwN). Einer Aufhebung des angefochtenen Urteils bedarf es im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil die erschöpfenden tatsächlichen Feststellungen zu den Taten II.3.b) bis II.3.e) der Urteilsgründe einwandfrei den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in zwei tateinheitlich zusammentreffenden und in vier weiteren Fällen ausweisen. Unter diesen Umständen besteht kein Hinderungsgrund, das Urteil von hier aus zu berichtigten.
72. Die Einzelstrafen und der Ausspruch über die Gesamtstrafe können bestehen bleiben. Denn der Irrtum des Landgerichts über die Zulässigkeit des Berichtigungsbeschlusses kann keinen Einfluss auf das Strafmaß gehabt haben. Wie sich aus den Urteilsgründen selbst ergibt, hat das Landgericht in den Fällen II.3.b) bis II.3.e) der Urteilsgründe die Einzelstrafen nach Ablehnung von minder schweren Fällen ausdrücklich dem Strafrahmen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 BtMG entnommen.
83. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:160124B4STR342.23.0
Fundstelle(n):
LAAAJ-60885