Stufenzuordnung - Prüfungsmaßstab Inhaltskontrolle AVR
Leitsatz
Arbeitsvertragsrichtlinien als auf dem von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV geschützten Dritten Weg zustande gekommene kirchliche Arbeitsrechtsregelungen dienen der Verwirklichung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Sie sind daher Allgemeine Geschäftsbedingungen besonderer Art, die von staatlichen Gerichten nur darauf zu überprüfen sind, ob sie mit höherrangigem zwingenden Recht und den guten Sitten vereinbar sind.
Gesetze: § 16 Abs 2 DDiakArbVtrRL, Art 137 Abs 3 WRV, Art 140 GG, Art 3 Abs 1 GG, § 133 BGB, § 157 BGB, § 310 Abs 4 S 2 BGB
Instanzenzug: ArbG Bielefeld Az: 3 Ca 1549/21 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 18 Sa 161/22 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die nach einer Herabgruppierung vorzunehmende Stufenzuordnung der Klägerin nach den Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland.
2Die Klägerin ist seit bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR DW-EKD) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Am wurde deren Umbenennung in Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland (AVR-DD) beschlossen.
3Bis zum lautete § 16 AVR-DD (iF AVR-DD aF) auszugsweise wie folgt:
4In der seit dem geltenden Fassung des § 15 und in der seit dem geltenden Fassung des § 16 AVR-DD ist die Stufenzuordnung ua. wie folgt geregelt:
5Mit der Neufassung des § 15 AVR-DD mit Wirkung zum wurde erstmals eine Erfahrungsstufe 3 eingeführt.
6Die Klägerin war vom bis zum als Fachkraft im Pflege- und Betreuungsdienst tätig und erhielt hierfür zunächst eine Vergütung nach dem Bundes-Angestellten-Tarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF) und ab dem nach Entgeltgruppe 7 der Anlage 2 AVR DW-EKD, nunmehr AVR-DD. In dieser Entgeltgruppe war sie zuletzt der Erfahrungsstufe 2 zugeordnet.
7In der Zeit vom bis zum wurde die Klägerin als Bereichskoordinatorin eingesetzt und deshalb in die Entgeltgruppe 9 höhergruppiert. Dort wurde sie zunächst der Basisstufe zugeordnet. Ab dem bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit als Bereichskoordinatorin wurde die Klägerin nach Entgeltgruppe 9 Erfahrungsstufe 1 vergütet. Mit Wirkung vom wurde sie auf eigenen Wunsch wieder als Fachkraft im Pflege- und Betreuungsdienst beschäftigt und erhielt ab dem Entgelt nach der Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 1 der Anlage 2 AVR-DD.
8Mit Schreiben vom forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Zahlung von Vergütung nach Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 3 der Anlage 2 AVR-DD auf. Mit ihrer Klage hat die Klägerin diese Vergütung für die Zeit von April bis August 2021 im Wege einer auf den Differenzbetrag gerichteten Zahlungsklage und für die Zeit ab September 2021 im Wege der Feststellungsklage begehrt.
9Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, für ihre Tätigkeit als Fachkraft im Pflege- und Betreuungsdienst sei eine Vergütung nach Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 3 der Anlage 2 AVR-DD geschuldet. Bei der Stufenzuordnung sei ihre gesamte bisherige Verweildauer als Fachkraft in der Entgeltgruppe 7 seit dem maßgeblich. Nach § 16 Abs. 2 AVR-DD seien Verweildauer und Erfahrungszeit kumulativ zu berücksichtigen. Nur dies vermeide das nicht sachgerechte Ergebnis, dass sie nach der Übernahme einer höherwertigeren Tätigkeit ein geringeres Entgelt erhalte als zuvor und bei einer Neueinstellung ein höheres Entgelt bezöge als nach ihrer Herabgruppierung.
10Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
11Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
12Sie hat die Ansicht vertreten, die Klägerin habe lediglich Anspruch auf eine Vergütung nach Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 1 der Anlage 2 AVR-DD. § 16 Abs. 2 AVR-DD ordne eine stufengleiche Herabgruppierung an. Im Laufe ihrer Tätigkeit als Bereichskoordinatorin sei die Klägerin bis zum in die Erfahrungsstufe 1 der Entgeltgruppe 9 heraufgestuft worden. Mit dieser Stufenzuordnung sei die Klägerin nach Aufnahme der Tätigkeit als Fachkraft seit dem in die Entgeltgruppe 7 herabgruppiert worden. Dabei habe die Beklagte die zwölfmonatige Verweildauer in der Erfahrungsstufe 1 bis März 2021 berücksichtigt.
13Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungs- und Feststellungsantrag weiter.
Gründe
14Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Entgelts nach Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 3 der Anlage 2 AVR-DD.
15I. Die Klage ist zulässig. Der Zahlungsantrag ist insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Feststellungsantrag ist als sog. Stufenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig (vgl. zum öffentlichen Dienst - Rn. 13; - 6 AZR 10/19 - Rn. 14), das notwendige Feststellungsinteresse ist gegeben. Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die Stufenzuordnung der Klägerin beizulegen. Die Klage weist den erforderlichen Gegenwartsbezug auf (vgl. - Rn. 20). Das Feststellungsinteresse besteht auch für die Verzinsung der Bruttoentgeltdifferenzen ( - Rn. 14; - 6 AZR 9/21 - Rn. 13 mwN).
16II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung erkannt, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nach der Herabgruppierung gemäß § 16 Abs. 2 AVR-DD keinen Anspruch auf ein Grundentgelt nach Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 3 der Anlage 2 AVR-DD hat. Ein solcher folgt nicht aus § 16 Abs. 2 AVR-DD. Nach der Herabgruppierung mit Wirkung zum bestimmt sich die Entgeltstufe der Klägerin nach der in der höheren Entgeltgruppe erworbenen Stufe. Nur die in dieser Stufe erworbene Erfahrungszeit wird besitzstandswahrend in die neue Entgeltgruppe „mitgenommen“. Das ergibt die Auslegung der Regelung.
171. Die AVR-DD sind kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anwendbar.
18a) Bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, welchen mangels normativer Wirkung in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen nur über Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen Wirkung verschafft werden kann. Sie unterliegen der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB (vgl. - Rn. 27; - 6 AZR 377/20 - Rn. 24 mwN). Unerheblich ist dabei, dass die kirchlichen Dienstgeber die AVR nicht selbst formuliert haben, sondern diese in Arbeitsrechtlichen Kommissionen ausgehandelt worden sind. Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB schon dann als vom Arbeitgeber gegenüber Arbeitnehmern als Verbrauchern gestellt, wenn sie nicht vom Arbeitnehmer selbst in den Vertrag eingeführt worden sind (vgl. Reichold/Ludwig Anm. AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 52 unter II 3).
19b) Allerdings unterscheiden sich AVR nach ihrem Zustandekommen auf dem im kirchlichen Selbstverständnis wurzelnden und daher von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV geschützten Dritten Weg sowie ihrem Regelungsgegenstand grundlegend von solchen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf die die AGB-Kontrolle in §§ 305 ff. BGB zugeschnitten ist. Diese betreffen anders als AVR keine Hauptleistungspflichten und werden nicht unter paritätischer Beteiligung der Arbeitnehmer in Arbeitsrechtlichen Kommissionen ausgehandelt. Im Unterschied zu einem weltlichen Arbeitgeber, der Allgemeine Geschäftsbedingungen stellt, können nach der Konzeption des Dritten Wegs weder der einzelne Dienstgeber noch die Dienstgeberseite ihre Vorstellungen vom Inhalt des Arbeitsverhältnisses einseitig verfolgen und durchsetzen. AVR sind darum Allgemeine Geschäftsbedingungen besonderer Art, die der Verwirklichung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts dienen („verfassungsrechtlich verdichtete AGB“, vgl. Schmid Die arbeitsgerichtliche Kontrolle kirchlicher AVR sowie von AVR-Verweisungsklauseln S. 116). Das ist bei ihrer Kontrolle als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB; vgl. BT-Drs. 14/7052 S. 189) angemessen zu berücksichtigen. Sie sind deshalb von den staatlichen Gerichten nur auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem zwingenden Recht und den guten Sitten zu überprüfen (seit - Rn. 23 ff.; grundlegend - Rn. 30 ff., BAGE 135, 163).
20Auch die Auslegung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen erfolgt wegen dieser Besonderheit nicht nach einem abstrakt-generellen Maßstab wie bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern nach den gleichen Grundsätzen, wie sie für die Auslegung von Gesetzen und Tarifverträgen maßgeblich sind. Danach ist vom Wortlaut der Regelung auszugehen und dabei deren maßgeblicher Sinn zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Richtliniengeber und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen, soweit sie in den Richtlinien ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den systematischen Zusammenhang der Regelungen ist abzustellen (vgl. - Rn. 27; - 6 AZR 377/20 - Rn. 24). Ungeachtet dieses Prüfungs- und Auslegungsmaßstabs sind AVR aber keine Tarifverträge, sondern bleiben Allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. - Rn. 51, BAGE 168, 254).
212. Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze vergütet die Beklagte die Tätigkeit der Klägerin seit zutreffend mit einem Grundentgelt nach Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 1 der Anlage 2 AVR-DD. Mit der Herabgruppierung war die Klägerin nach § 16 Abs. 2 AVR-DD ihrer in der höheren Entgeltgruppe erworbenen Erfahrungsstufe zuzuordnen.
22a) Bei der Übertragung der Tätigkeit einer Fachkraft im Pflege- und Betreuungsdienst zum handelte es sich um eine Herabgruppierung iSd. § 16 Abs. 2 AVR-DD. Eine Herabgruppierung ist nach dem allgemeinen Wortsinn die Eingruppierung des Beschäftigten in eine niedrigere Entgeltgruppe infolge der Übertragung einer geringer bewerteten Tätigkeit oder einer Veränderung der Wertigkeit der schon bislang ausgeübten Tätigkeit. Dies setzt die dauerhafte Übertragung von entsprechenden Tätigkeiten in einem bestehenden Arbeitsverhältnis voraus (vgl. zu § 17 Abs. 4 TV-L: - Rn. 19, BAGE 174, 63; - 6 AZR 432/14 - Rn. 14). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde die Klägerin zum auf eigenen Wunsch wieder als Fachkraft im Pflege- und Betreuungsdienst beschäftigt. Diese Tätigkeit ist niedriger bewertet als die zuvor ausgeübte Tätigkeit als Bereichskoordinatorin. Die Voraussetzungen einer Herabgruppierung sind damit erfüllt.
23b) Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 AVR-DD bestimmt sich das Grundentgelt nach einer Herabgruppierung nach der niedrigeren Entgeltgruppe der bisherigen Entgeltstufe unter Berücksichtigung der Verweildauer (Erfahrungszeit). Dies ist ungeachtet der missglückten Formulierung der Regelung diejenige Stufe, der der Mitarbeiter in der höheren Entgeltgruppe unmittelbar vor der Herabgruppierung zugeordnet war. Das ergibt sich aus der allgemeinen Bedeutung des Wortes „bisherig“. „Bisherig“ bedeutet „bisher gewesen“ oder „bisher vorhanden“ (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort: bisherig) bzw. „bisher stattgefunden habend“, „vergangen“ (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort: bisherig) und bezieht sich damit unmissverständlich auf den Zeitpunkt der Herabgruppierung und die zu diesem Tag in der höheren Entgeltgruppe bestehende Stufenzuordnung.
24c) Entgegen der Revision folgt aus § 16 Abs. 2 AVR-DD, wonach die Bestimmung der Entgeltstufe „unter Berücksichtigung der Verweildauer (Erfahrungszeit)“ zu erfolgen hat, nicht, dass die im Zeitraum von 2009 bis 2016 in der Entgeltgruppe 7 der Anlage 2 AVR-DD zurückgelegten Zeiten bei der Stufenzuordnung anzurechnen sind. Verweildauer und Erfahrungszeit sind nicht kumulativ zu berücksichtigen. Die Verweildauer in einer Entgeltgruppe bestimmt die Erfahrungszeit, die für die Stufenzuordnung maßgeblich ist. Beide Begriffe werden in § 16 Abs. 2 AVR-DD synonym verwandt, wie sich aus der Systematik des § 16 AVR-DD ergibt.
25aa) Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AVR-DD erhält der Mitarbeiter nach der Höhergruppierung das Grundentgelt der höheren Entgeltgruppe in der gleichen Entgeltstufe, wobei die Verweildauer (Erfahrungszeit) in der bisherigen Stufe auf die entsprechende Stufe der höheren Entgeltgruppe übertragen wird (§ 16 Abs. 1 Satz 2 AVR-DD). Der Begriff der Erfahrungszeit hat dabei gegenüber der Verweildauer eindeutig keine eigenständige Bedeutung iSd. Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses, weil dies im Widerspruch dazu stünde, dass nach dem Wortlaut ausdrücklich nur die Zeit „in der bisherigen Stufe“ übertragen werden soll. Zudem käme bei einem anderen Verständnis der Regelung in § 16 Abs. 1 Satz 1 AVR-DD keine eigenständige Bedeutung zu, wonach das Grundentgelt „in der gleichen Entgeltstufe“ zu zahlen ist.
26bb) Es finden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Begriffe Verweildauer und Erfahrungszeit in § 16 Abs. 1 Satz 2 und § 16 Abs. 2AVR-DD unterschiedliche Bedeutung haben sollen. Dementsprechend erläutert auch in Abs. 2 der Begriff „Erfahrungszeit“ als Klammerzusatz im Einklang mit dem regelmäßig mit solchen Zusätzen verbundenen Sinn lediglich den vor der Klammer stehenden Begriff der „Verweildauer“. Zwar kann im Einzelfall der durch den Klammerzusatz erklärte Begriff einen anderen Sinn erhalten, als ihm nach seinem Wortlaut und dem allgemeinen Sprachgebrauch ohne den Klammerzusatz zuzuerkennen wäre (vgl. zur Auslegung von Tarifverträgen - Rn. 19). In § 16 AVR-DD bestätigt die Arbeitsrechtliche Kommission jedoch durch den Klammerzusatz lediglich, dass sie die Begriffe Erfahrungszeit und Verweildauer einheitlich synonym verwenden will, auch wenn Abs. 2 der Regelung insoweit sprachlich einfacher hätte gefasst werden können.
27cc) Der Annahme der Klägerin, es bedürfe der Passage „unter Berücksichtigung der Verweildauer (Erfahrungszeit)“ in § 16 Abs. 2 AVR-DD nicht, wenn die Begriffe Verweildauer und Erfahrungszeit nicht kumulativ zu berücksichtigen seien, ist nicht zu folgen. Erst diese Passage stellt sicher, dass bei der - stufengleichen - Herabgruppierung die Verweildauer in der jeweiligen Stufe nicht auf „null“ gesetzt wird, sondern die in der betreffenden Stufe der höheren Entgeltgruppe erreichte Verweildauer in die niedrigere Entgeltgruppe „mitgenommen“ wird (im Gegensatz zur Regelung des § 16 Abs. 4 TVöD-AT (Bund) und des § 16 Abs. 3 TVöD-AT (VKA), vgl. zu Letzterem - Rn. 17, BAGE 159, 214).
28dd) Die Systematik der AVR-DD bestätigt diese Auslegung.
29(1) § 15 Abs. 3 und Abs. 4 AVR-DD bezeichnen die Zeiten, die ein Mitarbeiter in einer Stufe verbringt, als „Erfahrungszeit“. Dabei regelt Abs. 3 Satz 2 die Erfahrungszeit in der Basisstufe, Abs. 4 den Aufstieg in die Erfahrungsstufen 1 bis 3 und die dortige Erfahrungszeit. Für die Dauer der Erfahrungszeit in der Basisstufe verweist Abs. 3 Satz 2 auf die in der Entgelttabelle (Anlage 2 AVR-DD) angegebenen Monate. Wenngleich Abs. 4 für die weiteren Entgeltstufen nicht ausdrücklich auf die Anlage 2 AVR-DD verweist, so werden doch für alle Entgeltstufen die Erfahrungszeiten in der Entgelttabelle angegeben. Die Entgelttabelle enthält für sämtliche Entgeltstufen jeder Entgeltgruppe neben der Höhe des Entgelts auch die Angabe einer in Monaten bestimmten „Verweildauer“. Der in § 15 AVR-DD verwendete Begriff der Erfahrungszeit findet sich in der Entgelttabelle hingegen nicht wieder. Die Regelungen von § 15 Abs. 3 und Abs. 4 AVR-DD beziehen den Begriff Erfahrungszeit erkennbar nur auf die jeweilige Entgeltstufe, nicht jedoch auf die Erfahrung im gesamten Arbeitsverhältnis. In Abs. 3 wird ausdrücklich die „Erfahrungszeit in der Basisstufe“ genannt, Abs. 4 knüpft an diese Erfahrungszeit in der Basisstufe an und spricht für die weiteren Stufen jeweils von „einer weiteren Erfahrungszeit“.
30(2) Soweit in den AVR-DD die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses Berücksichtigung finden soll, wird der in § 11a AVR-DD definierte Begriff der „Beschäftigungszeit“ verwendet. Dabei handelt es sich nach § 11a Abs. 1 Satz 1 AVR-DD im Grundsatz um die bei demselben Dienstgeber in einem Dienstverhältnis zurückgelegte Zeit. Die Dauer der Beschäftigungszeit hat ua. Auswirkungen auf die Zulage nach § 14 Abs. 2 Buchst. c AVR-DD, den Krankengeldzuschuss nach § 24 Abs. 4 AVR-DD sowie die Kündigungsfristen nach § 30 Abs. 1 Satz 2 AVR-DD. Dies lässt den Schluss zu, dass der Richtliniengeber ein kohärentes Gesamtsystem schaffen wollte und von einem einheitlichen Verständnis des Begriffs „Beschäftigungszeit“ ausgegangen ist. Diesen hat er jedoch in Bezug auf die Regelung zur Neufestsetzung des Grundentgelts bei Herabgruppierung nach § 16 Abs. 2 AVR-DD gerade nicht verwendet.
31d) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) war die bisherige Entgeltstufe der Klägerin iSd. § 16 Abs. 2 AVR-DD die Erfahrungsstufe 1 in Entgeltgruppe 9 der Anlage 2 AVR-DD. Damit war sie gemäß den Regelungen der § 15 Abs. 1 bis Abs. 4, § 16 Abs. 1 Satz 1 AVR-DD aF auch zutreffend stufenzugeordnet.
32Im Zeitpunkt vor der Höhergruppierung zum war die Klägerin in Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 2 der Anlage 2 AVR-DD aF eingruppiert. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AVR-DD aF erhielt ein Mitarbeiter nach der Höhergruppierung das Grundentgelt aus der höheren Entgeltgruppe, mindestens entsprechend der Basisstufe, wobei das bisherige Entgelt nicht unterschritten werden durfte. Danach wurde die Klägerin mit Übertragung der Tätigkeit als Bereichskoordinatorin zutreffend in Entgeltgruppe 9 der Basisstufe der Anlage 2 AVR-DD aF zugeordnet, in der sie ein höheres Entgelt erzielte als zuvor. Das Grundentgelt in Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 2 der Anlage 2 AVR-DD aF betrug gemäß Entgelttabelle 3.105,01 Euro brutto. Mit der Höhergruppierung in Entgeltgruppe 9 Basisstufe der Anlage 2 AVR-DD aF wurde die Klägerin mit einem Grundentgelt von 3.395,51 Euro brutto vergütet. Nach der in der Entgelttabelle angegebenen Verweildauer von 48 Monaten in Entgeltgruppe 9 erreichte die Klägerin am die Erfahrungsstufe 1, der sie im Zeitpunkt ihrer Herabgruppierung am noch zugeordnet war.
333. Die Regelung des § 16 Abs. 2 AVR-DD ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht hilfsweise dahin auszulegen, dass die außerhalb Entgeltgruppe 9 der Anlage 2 AVR-DD gesammelte Erfahrungszeit bei der Stufenzuordnung nach Herabgruppierung zu berücksichtigen ist. Dies ließe sich nur durch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB begründen. Deren Voraussetzungen liegen nicht vor.
34a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind grundsätzlich in Fällen, in denen eine planwidrige Lücke in vorformulierten Verträgen nicht auf AGB-rechtlichen Einbeziehungs- oder Inhaltskontrollschranken beruht, einer ergänzenden Auslegung zugänglich ( - Rn. 54, BAGE 162, 247; - Rn. 12, 14). Dies gilt auch für kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien. Wegen des besonderen, verfassungsrechtlich geschützten Charakters der auf dem Dritten Weg gefundenen und vom Dienstgeber gestellten AVR (Rn. 19) scheidet eine ergänzende Auslegung solcher Regelungen nicht nur dann aus, wenn die Arbeitsrechtliche Kommission regelungsbedürftige Fragen bewusst ungeregelt gelassen hat und diese Entscheidung im Einklang mit höherrangigem Recht steht. Sie ist auch dann nicht möglich, wenn der Kommission ein Spielraum zur Schließung der Regelungslücke verbleibt. Dann muss es dieser überlassen bleiben, zu entscheiden, ob und wie sie die Lücke schließen will. Kommt eine Lückenschließung in Betracht, hat sich die ergänzende Auslegung an dem bestehenden System und dessen Konzeption und damit am Regelungsplan der Arbeitsrechtlichen Kommission zu orientieren.
35b) Vorliegend fehlt es bereits an der für eine ergänzende Auslegung erforderlichen planwidrigen Lücke in den AVR-DD. § 16 Abs. 2 AVR-DD regelt die Neufestsetzung des Grundentgelts für alle Fälle einer Herabgruppierung abschließend und schließt damit bewusst auch die im Streitfall vorliegende Konstellation mit ein.
36aa) Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die Tätigkeit als Bereichskoordinatorin zahlreiche Überschneidungen zur Tätigkeit als Fachkraft für Pflege- und Betreuungsdienst enthält.
37(1) Diesen erstmals in der Revisionsbegründung gehaltenen Vortrag kann der Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigen, auch wenn es an ausdrücklichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hierzu fehlt. Es handelt sich nicht um in der Revisionsinstanz neuen Sachvortrag, der nach § 559 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigungsfähig wäre. Die Klägerin hat bereits mit der Klageschrift und mit Schriftsatz vom in der Tatsacheninstanz vorgetragen, die Tätigkeit als Bereichskoordinatorin beinhalte alle wesentlichen Tätigkeiten einer Fachkraft im Pflege- und Betreuungsdienst sowie darüberhinausgehende leitende Tätigkeiten. Diesen Vortrag hat die Beklagte nicht bestritten, vielmehr mit Schriftsatz vom sogar bestätigt, dass zu den Tätigkeiten als Fachkraft koordinierende Tätigkeiten hinzukamen. Dieses unstreitige Vorbringen ist berücksichtigungsfähig.
38(2) Doch auch wenn die Klägerin während ihrer Zeit als Bereichskoordinatorin weitere Berufserfahrung und Qualifikation auf dem Gebiet des Pflege- und Betreuungsdienstes angesammelt hat, besteht keine Regelungslücke, die vom Senat im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden könnte. Angesichts des Facettenreichtums der Berufsbilder, die von den Entgeltgruppen der AVR-DD erfasst werden (vgl. Anlage 1 zu den AVR-DD „Eingruppierungskatalog“), vermitteln Tätigkeiten in einer höheren Entgeltgruppe dem Mitarbeiter nicht zwingend auch Berufserfahrung in der niedrigeren Entgeltgruppe. Die erworbene Erfahrung in der neuen Tätigkeit kann sich auch als unzureichend oder sogar nutzlos erweisen (vgl. zu § 17 Abs. 4 Satz 5 TVöD-AT aF - Rn. 21, BAGE 159, 214). Daher durfte die Arbeitsrechtliche Kommission typisierend davon ausgehen, dass eine mit einer höherwertigen Tätigkeit erlangte Berufserfahrung nicht per se der Tätigkeit in einer niedrigeren Entgeltgruppe zugutekommt (vgl. zu § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L - Rn. 41). Die in § 16 Abs. 2 AVR-DD geregelte stufengleiche Zuordnung bei Herabgruppierung belegt daher nicht den Willen des Normgebers, die in der Stufe abgebildete Berufserfahrung, die in der höheren Entgeltgruppe erreicht worden ist, in die niedrigere Entgeltgruppe mitzunehmen, sondern bestimmt lediglich die Mitnahme der angebrochenen Stufenlaufzeit. Es handelt sich um eine auf die erreichte Stufe beschränkte Besitzstandswahrung, die die finanziellen Folgen der Herabgruppierung teilweise kompensieren soll (vgl. zu § 17 Abs. 4 Satz 5 TVöD-AT aF - aaO).
39bb) Die Klägerin wird im Vergleich zu ihrer möglichen Neueinstellung als Fachkraft im Pflege- und Betreuungsdienst zum nicht schlechter gestellt, auch wenn sie noch unter der Geltung von § 16 Abs. 2 AVR-DD aF höhergruppiert, jedoch unter der nunmehr geltenden Fassung der Regelung herabgruppiert wurde. Insoweit liegt ebenfalls keine ergänzungsbedürftige Regelungslücke vor. Mit ihrem Einwand nimmt die Klägerin die Regelung des § 15 Abs. 6 Satz 1 AVR-DD in Bezug, wonach bei der Bemessung des Grundentgelts nachgewiesene förderliche Zeiten beruflicher Tätigkeit der letzten fünf Jahre vor der Einstellung auf die Zeiten des Erreichens der jeweiligen Stufe angerechnet werden. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut können maximal fünf Jahre Berufserfahrung berücksichtigt werden.
40Wäre die Klägerin am nach dem Ende ihrer Tätigkeit als Bereichskoordinatorin als Fachkraft neu eingestellt worden, hätte sie nach § 15 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AVR-DD - ohne Anrechnung von Berufserfahrung - ein Grundentgelt nach der Einarbeitungsstufe erhalten, die nach Anlage 2 AVR-DD in Entgeltgruppe 7 eine Verweildauer von 24 Monaten hat. Danach wäre sie gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 AVR-DD der Basisstufe mit einer Verweildauer von 48 Monaten zugeordnet worden. Somit hätte die Klägerin erst nach Ablauf von sechs Jahren ein Grundentgelt nach Erfahrungsstufe 1 erhalten (§ 15 Abs. 4 Satz 1 AVR-DD). Wäre bei einer solchen Neueinstellung die Berufserfahrung der Klägerin in Anwendung von § 15 Abs. 6 Satz 1 AVR-DD angerechnet worden, wären dies maximal fünf Jahre gewesen. Damit wäre die Klägerin in Entgeltgruppe 7 der Basisstufe zuzuordnen gewesen, in der sie weitere zwölf Monate hätte verbringen müssen, bis sie die Verweildauer von 48 Monaten erfüllt hätte, um in die Einarbeitungsstufe 1 aufzusteigen. Bei einer Neueinstellung wäre die Klägerin somit nicht günstiger eingestuft worden als geschehen.
414. § 16 Abs. 2 AVR-DD verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
42a) Die Kontrolle der AVR-DD umfasst auch die Prüfung der Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Dieser gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierungen bedürfen der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind ( - Rn. 26). Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reicht er vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse ( - Rn. 6 mwN; - Rn. 45, BAGE 154, 162).
43b) Die für die Stufenzuordnung nach Herabgruppierung maßgebliche Regelung des § 16 Abs. 2 AVR-DD verletzt Art. 3 Abs. 1 GG nicht.
44aa) Ein Vergleich mit Mitarbeitern, die bereits unter Geltung der Neufassung des § 16 AVR-DD höhergruppiert wurden, lässt keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes erkennen. Die Stufenzuordnung bei Höher- und Herabgruppierung unter dem Geltungsbereich von § 16 AVR-DD aF folgte eigenständigen Regeln im Vergleich zur Stufenzuordnung nach der Neufassung des § 16 AVR-DD. Die betragsbezogene Stufenzuordnung wurde stichtagsbezogen durch eine stufengleiche Zuordnung abgelöst. Zugleich wurde die Mitnahme der bereits in der betreffenden Stufe zurückgelegten Verweildauer, also der Anzahl an Monaten, die die Erfahrungszeit ausdrücken, eingeführt. Dagegen begann bei § 16 AVR-DD aF sowohl bei Höher- als auch bei Herabgruppierung in der neuen Entgeltgruppe die Laufzeit der Verweildauer erneut zu laufen (vgl. dazu Joussen/Steuernagel/Busch AVR.DD § 16 Rn. 4), diese wurde auf „null“ gesetzt.
45bb) Diese stichtagsbezogene Differenzierung zwischen unterschiedlichen Gruppen von Mitarbeitern, mithin solchen, die unter Geltung der alten Fassung und solchen, die erst unter Geltung der neuen Fassung von § 16 AVR-DD höhergruppiert wurden, ist lediglich daraufhin zu überprüfen, ob der Stichtag willkürlich gewählt ist. Hier ergeben sich für § 16 AVR-DD keine Anhaltspunkte. Die ausschließlich zukunftsbezogene Umstellung der Regelungen zur Stufenzuordnung im Fall der Höher- oder Herabgruppierung ist Teil eines Gesamtkonzeptes und rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. zu einer Stichtagsregelung bzgl. des Inkrafttretens von § 17 Abs. 4 TVöD-K nF - Rn. 20).
46III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:051023.U.6AZR308.22.0
Fundstelle(n):
BB 2024 S. 243 Nr. 5
MAAAJ-57004