BSG Urteil v. - B 3 KR 9/22 R

(Krankenversicherung - ambulante spezialfachärztliche Versorgung - Berufsausübungsgemeinschaft - keine Teilnahmeberechtigung im Wege der institutionellen Benennung - Vereinbarkeit mit Art 3 Abs 1 GG)

Leitsatz

Eine Berufsausübungsgemeinschaft ist nicht selbst zur Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung berechtigt, weil sie im Sinne der Regelungen zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung kein an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmender Leistungserbringer ist.

Gesetze: § 116b Abs 2 S 1 SGB 5, § 116b Abs 4 S 1 SGB 5, § 95 Abs 1 S 1 SGB 5, § 2 Abs 1 S 1 ASVRL, § 2 Abs 2 S 3 ASVRL, § 2 Abs 2 S 4 ASVRL, § 2 Abs 2 S 5 ASVRL, § 2 Abs 2 S 7 ASVRL, § 2 Abs 3 S 1 ASVRL, § 3 Abs 1 S 1 ASVRL, § 3 Abs 2 ASVRL, § 4 ASVRL, Art 3 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: S 28 KR 499/21 Urteilvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 12 KR 546/21 Urteil

Tatbestand

1Im Streit steht ein Anspruch einer örtlichen Berufsausübungsgemeinschaft auf Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) nach § 116b SGB V im Rahmen einer institutionellen Benennung.

2Die klagende, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisierte örtliche Berufsausübungsgemeinschaft begehrte vom beklagten erweiterten Landesausschuss im Anzeigeverfahren ihre institutionelle Benennung als von einem an der ASV-Versorgung bereits teilnehmenden ASV-Kernteam zur Leistungserbringung hinzuzuziehende fachärztliche Institution. Der Beklagte teilte mit, dass die Klägerin hierzu nicht berechtigt sei (Negativmitteilung), weil sie selbst kein an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmender Leistungserbringer iS des § 116b Abs 2 Satz 1 SGB V sei (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Die ASV-Berechtigung knüpfe bei den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern an deren zulassungsrechtlichen Status an; eine Berufsausübungsgemeinschaft verfüge aber, anders als ein medizinisches Versorgungszentrum, als Institution nicht selbst über eine Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V. Die zuvor mitgeteilte ASV-Berechtigung eines in der klagenden Berufsausübungsgemeinschaft tätigen, namentlich benannten Vertragsarztes (Positivmitteilung) bleibe hiervon unberührt.

3Klage und Berufung blieben ohne Erfolg ( und des ). SG und LSG haben darauf abgestellt, dass nach § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V Berufsausübungsgemeinschaften keine an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer und somit auch nicht als Institution leistungsberechtigt iS des § 116b Abs 2 Satz 1 SGB V seien. Ihr vertragsarztrechtlicher Status - Genehmigung nach § 33 Abs 3 Ärzte-ZV - sei zwar dem eines zugelassenen medizinischen Versorgungszentrums angenähert, entspreche diesem jedoch mangels eines eigenen Zulassungsstatus nicht. Diese gesetzliche Unterscheidung im vertragsärztlichen Zulassungsrecht rechtfertige die unterschiedliche Behandlung auch im Rahmen der ASV. Anderes ergebe sich nicht aus den Tragenden Gründen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu seiner ASV-Richtlinie vom .

4Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts (insbesondere § 116b Abs 2 Satz 1 SGB V). Allein der formale Unterschied zwischen der Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums und der Genehmigung einer Berufsausübungsgemeinschaft rechtfertige nicht die Ungleichbehandlung, dass die eine Einrichtung als Institution zur Teilnahme an der ASV berechtigt sei und die andere nicht.

Gründe

7Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Berufsausübungsgemeinschaften können nicht als im Rahmen der ASV hinzuzuziehende fachärztliche Einrichtung institutionell benannt werden.

81. Der erkennende Senat ist zuständig, den Rechtsstreit zu entscheiden. Das Verfahren betrifft eine Angelegenheit der Sozialversicherung (§ 10 Abs 1 Satz 1 SGG), nämlich der Krankenversicherung, und nicht eine solche des Vertragsarztrechts.

9Nach § 10 Abs 2 Satz 1 SGG sind für Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten, Psychotherapeuten, Vertragszahnärzten (Vertragsarztrecht) einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände eigene Kammern zu bilden. Zu diesen Streitigkeiten gehören ua auch Klagen im Zusammenhang mit der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung aufgrund von Ermächtigungen nach den §§ 116, 116a und 117 bis 119b SGB V (§ 10 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGG idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom , BGBl I 3057; vgl zum Verhältnis von § 10 Abs 2 Satz 2 zu Satz 1 SGG zuletzt - BSGE 131, 215 = SozR 4-2500 § 140a Nr 3, RdNr 13 ff). In der Aufzählung des § 10 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGG nicht erwähnt ist die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen der ASV nach § 116b Abs 2 Satz 1 SGB V (idF des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom , BGBl I 2983). In den Gesetzesmaterialien ist betont, dass "Klagen, die die Versorgung auf der Grundlage der §§ 115a, 115b und 116b SGB V betreffen", nicht zum Vertragsarztrecht zählen, "weil diese nicht der vertragsärztlichen Versorgung zuzuordnen sind" (BT-Drucks 17/6764 vom S 26). Zwar bezog sich dies noch auf die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V in der bis zum geltenden Fassung. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren hat der Gesetzgeber indes § 10 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGG ergänzt um Streitigkeiten mit der Beteiligung stationärer Leistungserbringer, die zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt sind, und die maßgeblichen Vorschriften des SGB V ausdrücklich benannt (BT-Drucks 17/7991 vom S 17). Die Leistungserbringung im Rahmen des eigenständigen Versorgungsbereichs der ASV nach § 116b SGB V in der ab geltenden Fassung hat dagegen keine Aufnahme gefunden, obgleich zum Zeitpunkt der Ergänzung des § 10 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGG deren gesetzliche Einführung bereits Gegenstand der Gesetzesberatungen war (BT-Drucks 17/6906 vom , BT-Drucks 17/8005 vom ). Hieran hat sich seit Inkrafttreten sowohl des § 10 Abs 2 Satz 2 SGG als auch des § 116b SGB V am nichts geändert.

102. Die im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

11a) Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in der die Mitglieder der klagenden Berufsausübungsgemeinschaft zusammengeschlossen sind, ist klagebefugt und aktiv legitimiert (vgl - SozR 4-2500 § 87b Nr 15 RdNr 15 mwN).

12b) Richtiger Beklagter ist der erweiterte Landesausschuss, der als Behörde zum Erlass der angegriffenen Bescheide berechtigt war. § 116b Abs 3 Satz 1 SGB V bestimmt, dass für die Wahrnehmung der Aufgaben nach § 116b Abs 2 SGB V (ua Mitteilung über die Nichterfüllung der Anforderungen und Voraussetzungen zur Teilnahme an der ASV) der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 90 Abs 1 SGB V um Vertreter der Krankenhäuser in der gleichen Zahl erweitert wird, wie sie nach § 90 Abs 2 SGB V jeweils für die Vertreter der Krankenkassen und die Vertreter der Ärzte vorgesehen ist (erweiterter Landesausschuss). Der erweiterte Landesausschuss kann für die Beschlussfassung über Entscheidungen im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach § 116b Abs 2 SGB V in seiner Geschäftsordnung abweichend von § 116b Abs 3 Satz 1 SGB V die Besetzung mit einer kleineren Zahl von Mitgliedern festlegen (§ 116b Abs 3 Satz 7 SGB V; vgl zu den Motiven BT-Drucks 17/8005 S 116). Dies ist hier durch § 10 der Geschäftsordnung des erweiterten Landesausschusses nach § 116b SGB V in Bayern vom idF des Beschlusses vom geschehen.

133. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile der Vorinstanzen sowie der Bescheid des Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom . Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zu Recht allein in der Form einer isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG), gerichtet auf Aufhebung der Negativmitteilung. Einer Verpflichtungsklage bedarf es daneben nicht. Nach § 116b Abs 2 Satz 4 SGB V ist der Leistungserbringer nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach Eingang seiner Anzeige zur Teilnahme an der ASV berechtigt, es sei denn, der erweiterte Landesausschuss teilt ihm innerhalb dieser Frist mit, dass er die Anforderungen und Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt. Bei Aufhebung der angefochtenen Negativmitteilung ist die Klägerin unmittelbar von Gesetzes wegen zur Teilnahme berechtigt.

144. Rechtsgrundlage für die ASV ist § 116b SGB V (hier idF des Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetzes vom , BGBl I 960). Danach umfasst die ASV die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern (§ 116b Abs 1 Satz 1 SGB V). Nach § 116b Abs 2 Satz 1 SGB V sind an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer und nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser berechtigt, Leistungen der ASV nach § 116b Abs 1 SGB V, deren Behandlungsumfang der GBA nach § 116b Abs 4 und 5 SGB V bestimmt hat, zu erbringen, soweit sie die hierfür jeweils maßgeblichen Anforderungen und Voraussetzungen nach § 116b Abs 4 und 5 SGB V erfüllen und dies gegenüber dem nach Maßgabe des § 116b Abs 3 Satz 1 SGB V erweiterten Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 90 Abs 1 SGB V unter Beifügung entsprechender Belege anzeigen.

155. Eine Berufsausübungsgemeinschaft ist nicht selbst zur Teilnahme an der ASV berechtigt, weil sie im Sinne der Regelungen zur ASV kein an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmender Leistungserbringer ist.

16a) Mit der ASV nach § 116b SGB V hat der Gesetzgeber einen eigenständigen, die Sektoren der ambulanten und stationären Versorgung verbindenden Versorgungsbereich neu etabliert. § 116b Abs 2 Satz 1 SGB V kann für diesen Versorgungsbereich keine eigenständige Definition des Begriffs "an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer" entnommen werden. Vielmehr ist hiermit auf § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V Bezug genommen.

17§ 95 Abs 1 Satz 1 SGB V bestimmt, dass an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teilnehmen. Diese aufgezählten Teilnahmeformen sind abschließend (Hannes in Hauck/Noftz, § 95 SGB V RdNr 25 ff, Stand 6. Ergänzungslieferung 2017: "Numerus clausus der Teilnahmeformen").

18Berufsausübungsgemeinschaften haben als Einrichtung bzw Institution in diese abschließende Aufzählung der Teilnahmeformen an der vertragsärztlichen Versorgung keinen Eingang gefunden. Anders als zugelassene medizinische Versorgungszentren und ermächtigte Einrichtungen verfügen sie nicht selbst über eine vertragsarztrechtliche Zulassung oder Ermächtigung. Die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit, die unter allen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern in Form einer Berufsausübungsgemeinschaft zulässig ist, erfordert keine vertragsarztrechtliche Zulassung zur Versorgung, sondern bedarf der vorherigen Genehmigung des Zulassungsausschusses (§ 33 Abs 2 und 3 Ärzte-ZV auf der Grundlage von § 98 Abs 2 Nr 13a SGB V), die von den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern zu beantragen ist und ihnen gegenüber erteilt wird. Diese Genehmigung ist - anders als eine vertragsarztrechtliche Zulassung oder Ermächtigung und ungeachtet ihrer vertragsarztrechtlichen Statusrelevanz - lediglich die Gestattung einer besonderen Form der Berufsausübung (vgl - BSGE 111, 240 = SozR 4-2500 § 95 Nr 25, RdNr 14; vgl auch Hannes in Hauck/Noftz, § 95 SGB V RdNr 31, Stand 6. Ergänzungslieferung 2017).

19b) Es bedurfte im Zusammenhang mit der Regelung der Teilnahmeberechtigung an der ASV in § 116b Abs 2 Satz 1 SGB V auch keines eigenständigen, allein für die ASV relevanten Begriffs des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers. In systematischer Hinsicht finden sich beide hier einschlägigen Vorschriften (§§ 95, 116b SGB V) im Vierten Kapitel des SGB V, das die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern betrifft. In dessen Zweiten Abschnitt (Beziehungen zu Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten) Siebter Titel (Voraussetzungen und Formen der Teilnahme von Ärzten und Zahnärzten an der Versorgung) regelt § 95 SGB V die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Im Vierten Abschnitt (Beziehungen zu Krankenhäusern und Vertragsärzten) regelt § 116b SGB V die ASV. Soweit dort für die ASV-Berechtigung an die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung angeknüpft wird, bedurfte es wegen der im Vierten Kapitel mit § 95 SGB V getroffenen Bestimmung keiner eigenständigen Regelung, soweit nicht in § 116b SGB V von § 95 SGB V Abweichendes bestimmt sein sollte. Nicht erforderlich war wegen dieses systematischen Zusammenhangs beider Vorschriften eine ausdrückliche Bezugnahme in § 116b SGB V auf § 95 SGB V. Den Gesetzesmaterialien lässt sich nicht entnehmen, dass entgegen diesem systematischen Zusammenhang der Begriff "an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer" iS des § 116b Abs 2 Satz 1 SGB V abweichend von § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V verstanden werden könnte. Dort wird nur auf "die in Betracht kommenden Leistungserbringer" Bezug genommen (BT-Drucks 17/6906 S 81).

206. Eine Erweiterung der ASV-Berechtigung über § 116b Abs 2 Satz 1 iVm § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V hinaus ergibt sich nicht aus der auf § 116 Abs 4 und 5 SGB V gestützten Richtlinie des GBA über die ASV nach § 116b SGB V (ASV-RL) vom (BAnz AT B 1).

21a) Zu den personellen Anforderungen einer Teilnahme an der ASV hat der GBA ua festgelegt, dass diese eine spezielle Qualifikation und regelmäßig eine Zusammenarbeit in einem interdisziplinären Team voraussetzt (§ 3 Abs 1 Satz 1 ASV-RL). Nach § 3 Abs 2 ASV-RL besteht das interdisziplinäre Team aus einer Teamleitung, dem Kernteam und bei medizinischer Notwendigkeit zeitnah hinzuzuziehenden Fachärztinnen und Fachärzten (Satz 1). Die hinzuzuziehenden Fachärztinnen und Fachärzte sind solche, deren Kenntnisse und Erfahrungen in Abhängigkeit vom jeweiligen Krankheitsverlauf typischerweise bei einem Teil der Patientinnen und Patienten ergänzend benötigt werden (Satz 7). Zu den berechtigten Leistungserbringern ("ASV-Berechtigte") bestimmt § 2 Abs 1 Satz 1 ASV-RL, dass die Leistungen zur ASV an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer und nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser erbringen können, soweit sie die Anforderungen und Voraussetzungen der ASV-RL erfüllen. § 2 Abs 2 Satz 3 ASV-RL bestimmt, dass Leistungserbringer, die zur Erfüllung der personellen und sächlichen Anforderungen gemäß §§ 3 und 4 ASV-RL kooperieren, gemeinsam gegenüber dem erweiterten Landesausschuss nach § 116b Abs 3 Satz 1 SGB V ihre Teilnahme an der ASV anzeigen sollen. Die Teamleitung sowie die übrigen Mitglieder des Kernteams nach § 3 Abs 2 ASV-RL sind namentlich zu benennen (§ 2 Abs 2 Satz 4 ASV-RL). Für die hinzuzuziehenden Fachärztinnen und Fachärzte ist auch eine institutionelle Benennung als Beleg ausreichend (§ 2 Abs 2 Satz 5 und 7 ASV-RL).

22b) Soweit die bezeichneten, unverändert fortgeltenden Regelungen des GBA neben der sonst erforderlichen namentlichen Benennung für bei medizinischer Notwendigkeit vom ASV-Kernteam hinzuzuziehende Fachärztinnen und Fachärzten eine institutionelle Benennung ausreichen lassen, kann dem eine ASV-Berechtigung einer hinzuzuziehenden Institution auch ohne deren vertragsarztrechtliche Zulassung oder Ermächtigung nicht entnommen werden.

23In systematischer Hinsicht ergibt sich dies bereits daraus, dass § 2 Abs 1 Satz 1 ASV-RL die ASV-Berechtigung gemäß der begrenzten Ermächtigung des GBA in § 116b Abs 4 Satz 1 SGB V ("das Nähere") in Übereinstimmung mit § 116b Abs 2 Satz 1 SGB V definiert. Diese Definition gilt auch für die hinzuzuziehenden Fachärztinnen und Fachärzte, die ihre Leistungen als ASV-Berechtigte erbringen (§ 2 Abs 4 Satz 2 ASV-RL). Die Teilnahme an der ASV endet zudem nach § 2 Abs 3 Satz 1 ASV-RL durch Verzicht oder mit dem Ende der entsprechenden vertragsarztrechtlichen bzw krankenhausrechtlichen Zulassung. Als Institution kann danach nur eine solche benannt werden, die - wie etwa ein medizinisches Versorgungszentrum - selbst über eine vertragsarztrechtliche Zulassung verfügt. Für eine ASV-Berechtigung einer Berufsausübungsgemeinschaft, die selbst nicht über eine vertragsarztrechtliche Zulassung verfügt, bieten die Regelungen der ASV-RL keinen Anhaltspunkt.

24c) Anderes folgt nicht aus den Tragenden Gründen des GBA zur ASV-RL vom . Soweit in diesen als Beispiel einer nach § 2 Abs 2 Satz 5 ASV-RL hinzuzuziehenden Institution neben einem medizinischen Versorgungszentrum oder einem Krankenhaus auch eine Berufsausübungsgemeinschaft genannt ist (S 4), trägt allein dies nicht den Schluss, dass mit der ASV-RL die gesetzlich in § 116b Abs 2 Satz 1 iVm § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V geregelte ASV-Berechtigung aufgrund einer vertragsarztrechtlichen Zulassung auf eine Berufsausübungsgemeinschaft erweitert worden ist. Dieser Schluss ist auch nicht durch den insbesondere in einer Verfahrenserleichterung und Verwaltungsvereinfachung liegenden Sinn und Zweck der Ermöglichung einer institutionellen Benennung geboten. Die Schaffung einer über die Vorgaben des § 116b Abs 2 Satz 1 iVm § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V hinausgehenden ASV-Berechtigung der Berufsausübungsgemeinschaft durch den GBA stünde vielmehr in Widerspruch hierzu, weil sie sich von der vertragsarztrechtlichen Zulassung als Voraussetzung für die ASV-Berechtigung einer Institution als einem klaren rechtlichen und verwaltungspraktikablen Kriterium lösen würde. Ohnehin wären einer solchen Erweiterung durch den GBA kompetenzielle Schranken gesetzt (vgl - in anderem Zusammenhang - - SozR 4-5520 § 19 Nr 4 RdNr 24 ff).

257. Verfassungsrecht steht dem nicht entgegen. Die § 116b Abs 2 Satz 1 iVm § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V zu entnehmende fehlende Teilnahmeberechtigung der Berufsausübungsgemeinschaft als Institution an der ASV steht mit dem GG in Einklang. Insbesondere verstößt es nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG, dass Berufsausübungsgemeinschaften anders als medizinische Versorgungszentren nicht im Rahmen der ASV als hinzuzuziehende fachärztliche Institution benannt werden können.

26a) Art 3 Abs 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen (ebenso wie Gleichbehandlungen) bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung (bzw Gleichbehandlung) angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders (oder gleich) behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine (bzw zu bejahende) Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche (bzw gleiche) Behandlung rechtfertigen können. Dabei gilt ein am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierter, stufenloser Prüfungsmaßstab, der nach dem jeweils betroffenen Sach- und Regelungsbereich näher zu bestimmen ist. In diesem Zusammenhang kommt dem weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der sozialstaatlichen Ordnung Bedeutung zu, wonach dessen Entscheidungen anzuerkennen sind, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des GG unvereinbar sind (vgl letztens - BSGE 130, 219 = SozR 4-2500 § 13 Nr 52, RdNr 23 mwN).

27b) Die Ungleichbehandlung von Berufsausübungsgemeinschaften und medizinischen Versorgungszentren hinsichtlich der Teilnahmeberechtigung als hinzuzuziehende fachärztliche Institution im Rahmen der ASV ist durch Unterschiede zwischen diesen Kooperationsformen gerechtfertigt, die mit der gesetzgeberischen Entscheidung zur Zulassung von institutionellen Leistungserbringern zur vertragsärztlichen Versorgung in § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V unter Berücksichtigung nur der Kooperationsform eines medizinischen Versorgungszentrums verbunden sind. An diese gesetzgeberische Grundentscheidung durfte der Gesetzgeber mit § 116b Abs 2 Satz 1 SGB V anknüpfen, ohne gleichzeitig für die Berufsausübungsgemeinschaft als Kooperationsform eine eigenständige Berechtigung als Leistungserbringer im Rahmen der ASV schaffen zu müssen. Anders als medizinische Versorgungszentren verfügen Berufsausübungsgemeinschaften nach wie vor nicht selbst über einen eigenen vertragsarztrechtlichen Zulassungsstatus; in ihr kooperieren vielmehr zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Leistungserbringer und der Status der Berufsausübungsgemeinschaft ist dem eines einzelnen Vertragsarztes angenähert (vgl im Einzelnen - BSGE 121, 154 = SozR 4-2500 § 103 Nr 19, RdNr 14 f; - SozR 4-2500 § 87b Nr 15 RdNr 15; - BSGE 126, 96 = SozR 4-2500 § 103 Nr 25, RdNr 29 ff). An diesem rechtlich geprägten unterschiedlichen Status durfte der Gesetzgeber mit der ASV-Berechtigung festhalten, ohne gegen Art 3 Abs 1 GG zu verstoßen, zumal neben dem unterschiedlichen vertragsarztrechtlichen Status weitere Unterschiede zwischen Berufsausübungsgemeinschaften und medizinischen Versorgungszentren bestehen, etwa bei vertragsarztrechtlichen und zivilrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (vgl eingehend dazu Pawlita in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 95 RdNr 142 ff und 375 ff, Stand ).

28c) Änderungen des Rechts der medizinischen Versorgungszentren (vgl etwa § 95 Abs 1a SGB V zur Einschränkung zulässiger Organisationsformen) sowie die Rechtsprechung des für das Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senats des BSG zu Berufsausübungsgemeinschaften (vgl etwa zu einer der Berufsausübungsgemeinschaft und nicht einem ihr angehörenden einzelnen Mitglied zu erteilenden Genehmigung zur Anstellung eines Arztes - BSGE 121, 154 = SozR 4-2500 § 103 Nr 19, RdNr 12 ff; vgl zur Stellung der Berufsausübungsgemeinschaft in einem Nachbesetzungsverfahren - BSGE 126, 96 = SozR 4-2500 § 103 Nr 25, RdNr 29 ff) haben zwar zu einer Annäherung beider Kooperationsformen geführt. Die neben dem formal unterschiedlichen Status bestehenden Unterschiede zwischen Berufsausübungsgemeinschaft und medizinischem Versorgungszentrum sind hierdurch indes nicht vollständig entfallen.

29d) War es dem Gesetzgeber danach verfassungsrechtlich unbenommen, an die fortbestehenden Unterschiede von Berufsausübungsgemeinschaften und medizinischen Versorgungszentren mit der derzeit geltenden ASV-Berechtigung sachgerecht anzuknüpfen, dürften allein diese Unterschiede die gesetzliche Regelung einer ASV-Berechtigung von Berufsausübungsgemeinschaften als hinzuzuziehende fachärztliche Institution nicht ausschließen. Auch dies ist indes dem Gesetzgeber vorbehalten.

30e) Ohnehin unberührt von der unterschiedlichen Behandlung von Berufsausübungsgemeinschaften und medizinischen Versorgungszentren im Rahmen der ASV-Berechtigung nach Maßgabe ihres unterschiedlichen vertragsarztrechtlichen Status bleibt die Berechtigung zur Teilnahme an der ASV von in einer Berufsausübungsgemeinschaft kooperierenden und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern. Entsprechend war auch vorliegend die ASV-Berechtigung eines der Klägerin angehörenden Vertragsarztes als von einem ASV-Team hinzuzuziehender, namentlich benannter Facharzt vom Beklagten mitgeteilt worden und ist dies von der festgestellten fehlenden Berechtigung der Berufsausübungsgemeinschaft unberührt geblieben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2023:210923UB3KR922R0

Fundstelle(n):
KAAAJ-54939