Umsatzsteuerliche Behandlung von Erzeugerorganisationen und Betriebsfonds im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse
Bezug: BStBl 2023 I S. 1123
Bezug:
1. Allgemeines
1.1 Erzeugerorganisation
Eine Erzeugerorganisation im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse ist eine Vermarktungsgesellschaft in der Rechtsform einer Genossenschaft oder GmbH. Sie erwirbt die gesamte Obst- und Gemüseproduktion der in ihr zusammengeschlossenen Erzeuger (Mitglieder) gegen Entgelt und veräußert diese Ware entgeltlich an Dritte. Sie ist damit Unternehmerin. Einen ideellen Bereich, in dem die Erzeugerorganisation für die allgemeinen Belange ihrer Mitglieder tätig wird, gibt es regelmäßig nicht.
1.2 Betriebsfonds
Eine anerkannte Erzeugerorganisation (Art. 152 der Verordnung (EU) Nr. 1308 /2013, ABl. L 347, vom , S. 671 - 854) kann Betriebsfonds einrichten (Art. 32 der vorgenannten Verordnung). Ein Betriebsfonds wird mit finanziellen Mitteln gespeist, die im Rahmen eines genehmigten operationellen Programms zu verwenden sind. Operationelle Programme können sein:
Planung der Produktion,
die Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse in frischer oder verarbeiteter Form,
die Steigerung des Vermarktungswerts,
die Förderung des Absatzes der Erzeugnisse, in frischer oder verarbeiteter Form,
Umweltmaßnahmen und Methoden der umweltfreundlichen Produktion,
Krisenprävention und Krisenmanagement.
Da ein Betriebsfonds als reine Finanzierungsmasse der Kontrolle der Mittelverwendung dient, ist für jedes genehmigte operationelle Programm ein eigener Betriebsfonds einzurichten. So werden sämtliche Einnahmen und Ausgaben dem jeweiligen Programm zugeordnet.
2. Umsatzsteuerliche Beurteilung im Zusammenhang mit dem Betriebsfonds
2.1 Unternehmereigenschaft des Betriebsfonds
In den Betriebsfonds fließen die finanziellen Beiträge der Mitglieder und die finanziellen Beihilfen der EU. Die finanziellen Beiträge der Mitglieder bemessen sich nach den tatsächlich vermarkteten Obst-und Gemüsemengen oder dem Wert dieser Mengen. Der Entwurf eines operationellen Programms muss Ausführungen zur Berechnungsweise und Höhe der finanziellen Beiträge der Mitglieder enthalten. Die Beihilfe der EU bemisst sich nach den tatsächlichen finanziellen Beiträgen der Mitglieder.
Jeder Betriebsfonds ist Zweckvermögen i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. Er wird für Zwecke der Umsatzsteuer als selbständige Einrichtung angesehen, ist selbst jedoch kein Unternehmer. Denn der Betriebsfonds finanziert lediglich das operationelle Programm oder legt vorübergehend noch nicht benötigte Geldmittel an. Diese Geldverwaltungstätigkeiten sind keine Leistungen im wirtschaftlichen Sinn. Soweit der Betriebsfonds finanzielle Beiträge der Mitglieder und Beihilfen der EG vereinnahmt, liegen deshalb mangels Leistungsaustausch nicht steuerbare echte Zuschüsse vor.
2.2 Verwaltung des Betriebsfonds
Verwaltet die Erzeugerorganisation den Betriebsfonds und erhält sie dafür von dem Betriebsfonds einen Kostenersatz, erbringt sie eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung an den Betriebsfonds. Dem Betriebsfonds steht aus dieser Leistung mangels Unternehmereigenschaft kein Vorsteuerabzug zu.
2.3 Ausarbeitung und Durchführung des operationellen Programms
In der Regel arbeitet die Erzeugerorganisation das operationelle Programm aus und führt es durch. Sie erhält dafür aber - im Unterschied zur Verwaltung des Betriebsfonds - kein Entgelt. Durch die Freigabe der Mittel des Betriebsfonds wird lediglich das operationelle Programm (z. B. Einführung von Verpackungen aus Pappe als Umweltmaßnahme) bezahlt, nicht jedoch die Ausarbeitung oder Durchführung des operationellen Programms. Die Freigabe der Mittel des Betriebsfonds an die Erzeugerorganisation ist folglich nicht steuerbar. Aus den Eingangsleistungen des operationellen Programms steht der Erzeugerorganisation der Vorsteuerabzug zu. Sie bezieht die Leistungen für ihr Unternehmen.
Beauftragt die Erzeugerorganisation einen Dritten mit der Durchführung des operationellen Programms, liegt zwischen dem Dritten und der Erzeugerorganisation ein Leistungsaustausch vor. Der Erzeugerorganisation steht aus der Leistung des Dritten der Vorsteuerabzug zu (s. o.).
Beauftragt der Betriebsfonds einen Dritten mit der Durchführung des operationellen Programms, erbringt der Dritte eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung an den Betriebsfonds. Dem Betriebsfonds steht aus der Leistung jedoch kein Vorsteuerabzug zu, weil er kein Unternehmer ist (s. o.).
2.4 Finanzielle Beiträge der Mitglieder
Beiträge der Mitglieder an den Betriebsfonds werden häufig durch Aufsplittung der Vermarktungsgebühr über die Erzeugerorganisation an den Betriebsfonds entrichtet. Die Erzeugerorganisation behält von dem Vermarktungserlös auch nach Einrichtung des Betriebsfonds einen unveränderten Betrag ein (z. B. 10 %) und überweist einen Teil in Höhe der Beiträge der Mitglieder an den Betriebsfonds. Für die umsatzsteuerliche Beurteilung des für den Betriebsfonds bestimmten Anteils an den Vermarktungsgebühren ist festzustellen, ob die Erzeugerorganisation die Vermarktungsgebühr satzungsmäßig unverändert lässt oder durch eine Satzungsänderung rechtsverbindlich senkt. Für die umsatzsteuerliche Beurteilung der Vermarktungsgebühr an sich vgl. Tz. 3.
Variante 1:
Senkt
sie rechtsverbindlich die Vermarktungsgebühr (z. B. von 10 % auf
7 %) und überweist sie die freiwerdenden Mittel von 3 % als
finanzielle Beiträge der Mitglieder an den Betriebsfonds, liegt bei der
Erzeugerorganisation ein durchlaufender Posten vor. Unmittelbare
Rechtsbeziehungen bestehen nur zwischen den Mitgliedern als
Zahlungsverpflichteten und dem Betriebsfonds, der einen Anspruch auf die
Beiträge hat. Die Erzeugerorganisation leitet lediglich die Beiträge der
Mitglieder weiter. Sie hat dem nach § 24 UStG versteuernden Mitglied
folgende Gutschrift (unter Berücksichtigung des für das jeweilige Jahr
geltenden Durchschnittssatzes) zu erteilen:
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geliefertes Obst | 1.000,00 EUR |
abzgl. satzungsmäßig gesenkte
Vermarktungsgebühr von 7 % | 70,00
EUR |
Entgelt | 930,00 EUR |
zzgl. 9,0 % USt | 83,70
EUR |
Gutschrift | 1.030,70 EUR |
abzgl. Beitrag Betriebsfonds
3 % | 30,00
EUR |
Auszahlungsbetrag | 983,70 EUR |
Variante 2:
Lässt
die Erzeugerorganisation dagegen die Vermarktungsgebühr satzungsgemäß
unverändert und entrichtet sie gleichwohl Mittel in Höhe der von ihren
Mitgliedern zu tragenden finanziellen Beiträge an den Betriebsfonds, liegt bei
der Erzeugerorganisation kein durchlaufender Posten vor. Sie leitet keine im
fremden Namen vereinnahmten Beiträge weiter, sondern entrichtet sie aus eigenen
Mitteln. Sie übernimmt eine Verpflichtung ihrer Mitglieder.
Umsatzsteuerrechtlich ist die Zahlung nicht steuerbar. Denn ihr steht keine
Leistung der Mitglieder gegenüber. Körperschaftsteuerlich liegt eine verdeckte
Gewinnausschüttung vor. Die Erzeugerorganisation hat dem nach § 24 UStG
versteuernden Mitglied folgende Gutschrift (unter Berücksichtigung des für das
jeweilige Jahr geltenden Durchschnittssatzes) zu erteilen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
geliefertes Obst | 1.000,00 EUR |
abzgl. satzungsmäßige
Vermarktungsgebühr von 10 % | 100,00
EUR |
Entgelt | 900,00 EUR |
zzgl. 9,0 % USt | 81,00
EUR |
Gutschrift/Auszahlungsbetrag | 981,00 EUR |
2.5 Maßnahmen im Interesse einzelner Mitglieder
2.5.1 Zahlungen des einzelnen Mitglieds
Erhebt die Erzeugerorganisation Sonderfondsbeiträge für die dauerhafte Überlassung landwirtschaftlicher Maschinen im Interesse einzelner Mitglieder, erbringt die Erzeugerorganisation eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung an das jeweilige die Maschine nutzende Mitglied ( Az. 14 K 975/13).
2.5.2 Über einen Betriebsfonds gezahlte Zuschüsse der EU zur Anschaffung von Investitionsgütern
Wenn eine Erzeugerorganisation bei Vorlieferanten Gegenstände kauft, diese Gegenstände an ihr angeschlossene Mitglieder weiterliefert und von diesen eine nicht den Einkaufspreis deckende Zahlung erhält, ist der Betrag, den ein Betriebsfonds an die Erzeugerorganisation für die Lieferung dieser Gegenstände an die Erzeuger zahlt, Teil der Gegenleistung für die Lieferung an die Erzeuger und daher als Entgelt von dritter Seite anzusehen ( (XI R 5/17), BStBl II 2020 S. 421).
3. Umsatzsteuerliche Behandlung der Vermarktungsgebühren einer Erzeugerorganisation
Hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung von sog. Marktgebühren, die eine Erzeugerorganisation beim Ankauf von Lebensmitteln von ihren Mitgliedern für die Vermarktung der Lebensmittel erhebt, wird auf das BStBl I 2023 S. 1123, i. V. m. Abschn. 1.1 Abs. 26 UStAE hingewiesen.
Ich bitte, die bisherige Karteikarte S 7100 Karte 34 zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG (Kontroll-Nr. 1339) durch diese Neufassung zu ersetzen.
Die Karteikarte S 7100 Karte 3 zu § 3 Abs. 1 UStG (Kontroll-Nr. 1336) ist aufgrund des BStBl I 2023 S. 1123, auszusondern.
Landesamt für Steuern
Niedersachsen v. - S 7100-St 171-2257/2023
Fundstelle(n):
USt-Kartei
ND UStG § 1 Abs. 1 Nr.
1 Fach S 7100
Karte 34
UR 2023 S. 854 Nr. 21
YAAAJ-54473