BGH Beschluss v. - 4 StR 364/23

Gesetze: § 64 StGB

Instanzenzug: LG Essen Az: 22 Ks 10/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln, Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren und fahrlässiger Tötung (durch Unterlassen) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt zu einer Schuldspruchänderung und ist im Übrigen offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Schuldspruch im Fall II. 2. der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung insoweit nicht stand, als die Strafkammer den Angeklagten (auch) wegen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige verurteilt hat.

3a) Nach den insoweit relevanten Urteilsfeststellungen vereinbarten der Angeklagte und die 17-jährige Geschädigte, deren Alter ihm bekannt war, für den Abend des eine „Drogenparty“. Beide sollten hierfür diverse Betäubungsmittel bereitstellen, die sie gemeinsam konsumieren wollten. Im Rahmen der plangemäßen Umsetzung überließ der Angeklagte der Geschädigten von ihm mitgeführte Betäubungsmittel zum sofortigen Konsum, insbesondere das für ihr späteres Versterben ursächliche Opioid Polamidon.

4b) Nach diesen Feststellungen hat sich der Angeklagte – wie der Generalbundesanwalt zu Recht ausführt – nicht wegen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige strafbar gemacht. Denn eine Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG ist jede Gewahrsamsübertragung an eine andere Person zur freien Verfügung. An einer solchen fehlt es jedoch, wenn das Betäubungsmittel – wie hier – zum sofortigen Gebrauch an Ort und Stelle hingegeben wird. In dieser Konstellation ist vielmehr der Tatbestand des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch erfüllt (§ 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG; vgl. Rn. 8; Urteil vom – 1 StR 329/16 Rn. 23).

5c) Der Senat ändert den Schuldspruch in analoger Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn der geständige Angeklagte hätte sich nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.

62. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Schuldspruchänderung lässt den zugehörigen Einzelstrafausspruch mit Blick auf den unverändert gebliebenen Strafrahmen unberührt.

7Der Maßregelausspruch hat ebenfalls Bestand. Die Feststellungen rechtfertigen die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt auch nach Maßgabe von § 64 StGB in der Fassung vom (BGBl. 2023 I Nr. 203), die am in Kraft getreten und vom Senat gemäß § 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO zu berücksichtigen ist (vgl. Rn. 6; Beschluss vom – 3 StR 390/07 Rn. 3). Insbesondere lässt sich den Urteilsgründen entnehmen, dass die Anlasstaten überwiegend auf den Hang des Angeklagten zurückgehen. Denn dessen festgestellte Substanzkonsumstörung im Sinne der Neuregelung war auch für das oben (auszugsweise) dargestellte Tatgeschehen am 28./ „mehr als andere Umstände ausschlaggebend“ (vgl. BR-Drucks. 687/22, S. 79, zudem S. 50 ff.; Krumm, NJ 2023, 442, 444). Es hatte seine Hauptursache nicht etwa in einem suchtunabhängigen dissozialen Verhalten des Angeklagten. Vielmehr führte er mit der Geschädigten eine zuvor verabredete „Drogenparty“ durch, bei der sie sich gegenseitig Betäubungsmittel zum unmittelbaren Verbrauch überließen. Die dem zugrunde liegende Tatmotivation wie die Tatmodalitäten gehen damit auf den Hang des Angeklagten zurück, in dem nach den Urteilsfeststellungen zumindest die vorrangige Ursache für die Tatbegehung lag.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:241023B4STR364.23.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-53578