BGH Beschluss v. - 3 StR 216/23

Jugendstrafverfahren: Anrechenbarkeit vollstreckten Beugearrestes bei Verhängung einer neuen Einheitsjugendstrafe

Leitsatz

Zur Anrechenbarkeit vollstreckten Beugearrestes bei Verhängung einer neuen Einheitsjugendstrafe.

Gesetze: § 11 Abs 3 S 1 JGG, § 15 JGG, § 31 Abs 2 S 2 JGG, § 105 Abs 1 JGG

Instanzenzug: Az: 3 StR 216/23 Beschlussvorgehend LG Duisburg Az: 33 KLs 15/22nachgehend Az: 3 StR 216/23 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Wesel vom wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Diebstahls, versuchten Diebstahls in zwei Fällen, Besitzes von Betäubungsmitteln und Hausfriedensbruchs zu einer zur Bewährung ausgesetzten Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die auf die unausgeführte allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt lediglich zu einer Ergänzung des Strafausspruchs und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben. Der Strafausspruch ist allein insofern rechtsfehlerhaft, als das Landgericht die Prüfung der Anrechnung von in dem Verfahren des einbezogenen Urteils vollstreckten Arrestzeiten nach § 31 Abs. 2 Satz 2 JGG verabsäumt hat. Bei dieser Ermessensentscheidung wäre über den - im Antrag des Generalbundesanwalts zutreffend benannten - verbüßten mit diesem Urteil festgesetzten Freizeitarrest von zwei Tagen hinaus allerdings auch ein verbüßter Beugearrest von einer Woche zum Gegenstand der Prüfung zu machen gewesen; diese Maßnahme hatte das Amtsgericht Wesel nachträglich durch Beschluss vom gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 JGG angeordnet, weil der Angeklagte eine mit dem Urteil erteilte Auflage schuldhaft nicht erfüllt hatte (zur gleichgelagerten Frage der Einbeziehung eines unerledigten Beugearrestes in eine neue Einheitsjugendstrafe vgl. , juris Rn. 2; für eine Anrechenbarkeit weiterhin LG Limburg, Beschluss vom - 2 Qs 56/21, NStZ-RR 2021, 189 f.; Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 26a Rn. 26, § 31 Rn. 51; NK-JGG/Ostendorf, 11. Aufl., § 31 Rn. 23; Meier/Rössner/Trüg/Wulf, JGG, 2. Aufl., § 26 Rn. 13; Schady, ZIS 2015, 593, 596 ff.; aA BeckOK JGG/Schlehofer, 30. Ed., § 31 Rn. 47a f.; Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 31 Rn. 43; Brunner/Dölling, JGG, 14. Aufl., § 31 Rn. 39).

3Entscheidend für eine grundsätzliche Anrechenbarkeit auch von Beugearresten spricht trotz aller Unterschiedlichkeiten der verschiedenen Arrestformen die Erwägung, dass hierdurch dem Einheitsprinzip am besten Rechnung getragen wird (vgl. LG Limburg, Beschluss vom - 2 Qs 56/21, NStZ-RR 2021, 189, 190; Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 26a Rn. 26). Dieses soll eine verhältnismäßige jugendstrafrechtliche Sanktion, die auf den aktuell erzieherisch erforderlichen Einwirkungsbedarf abgestimmt ist, sicherstellen und eine Mehrheit sich womöglich widersprechender oder miteinander unverträglicher Sanktionen verhindern (vgl. Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 31 Rn. 3; Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 31 Rn. 3; Streng, Jugendstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 266; Beulke/Swoboda, Jugendstrafrecht, 16. Aufl., Rn. 279, 281). Das Gegenargument, der Beugearrest sei aufgrund seiner abweichenden Rechtsnatur nicht anrechnungsfähig (vgl. Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 31 Rn. 43; BeckOK JGG/Schlehofer, 30. Ed., § 31 Rn. 47a f.), überzeugt indessen nicht. Die formalen Umstände, dass derselbe außerhalb des Urteils durch Beschluss verhängt wird und unmittelbar ein anderes Sanktionsbedürfnis erfüllen soll, besagen nicht, dass er als mit der durch Urteil bestimmten Weisung oder Auflage untrennbar verbundene, mithin akzessorische Maßnahme (vgl. Schady, ZIS 2015, 593, 597; vgl. auch LG Limburg, Beschluss vom - 2 Qs 56/21, NStZ-RR 2021, 189, 190: „aus Anlass einer Tat“) bei der Bestimmung der verhältnismäßigen jugendstrafrechtlichen Sanktion keine Berücksichtigung finden darf.

4Der Senat holt die gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 105 Abs. 1 JGG erforderliche Anrechnungsentscheidung nach und ordnet, um jedwede Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen, die Anrechnung beider verbüßten Arrestzeiten auf die erkannte Einheitsjugendstrafe an (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 409/13, juris Rn. 2; vom - 4 StR 15/16, juris Rn. 2).

5Angesichts des geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:190923B3STR216.23.0

Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 10 Nr. 49
NJW 2023 S. 3745 Nr. 51
AAAAJ-52553