Online-Nachricht - Mittwoch, 15.11.2023

Einkommensteuer | Keine ermäßigte Besteuerung der Auszahlung einer Rente im Wege der Kapitalabfindung (FG)

Zumindest bei vorheriger Vereinbarung eines Kapitalwahlrechts kommt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 EStG für die Einmalauszahlung einer Rente nicht in Betracht (; Revision zugelassen).

Sachverhalt: Die Klägerin hatte mit ihrem damaligen Arbeitgeber im Jahr 2005 die Umwandlung eines Teils ihres Gehalts in einen Anspruch auf Versicherungsschutz in Form von Beiträgen zu einer Direktversicherung nach dem BetrAVG vereinbart. Der Arbeitgeber schloss daraufhin für die Klägerin eine solche Versicherung mit einer Beitragszahlungsdauer von 14 Jahren ab. Danach sollte an die Klägerin eine lebenslängliche monatliche Rente gezahlt werden oder auf Antrag eine einmalige Kapitalabfindung erfolgen. Im Streitjahr 2019 übte die Klägerin das Kapitalwahlrecht aus und erhielt ca. 44.500 € ausbezahlt.

Diesen Betrag behandelte das Finanzamt als steuerpflichtige Rente nach § 22 Nr. 5 EStG und besteuerte ihn mit dem regulären Steuersatz. Die Klägerin machte mit ihrer Klage dagegen die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes geltend, da der Gesetzeswortlaut von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG erfüllt sei. Ein weiteres Tatbestandsmerkmal der Atypik sei im Gesetz nicht enthalten. Die vom Gesetzeszweck geforderte Zusammenballung von Einkünften in einem Veranlagungszeitraum sei eingetreten. Soweit der BFH für die Bestimmung der Atypik auf statistische Auswertungen abstelle, entspreche dies nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit.

Das FG Münster wies die Klage ab:

  • Die Kapitalauszahlung ist nicht als außerordentliche Einkünfte ermäßigt zu besteuern.

  • Der Wortlaut des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, wonach Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten außerordentliche Einkünfte darstellen, ist zwar erfüllt. Der Begriff der Vergütung ist weit auszulegen und erfasset alle Vorteile von wirtschaftlichem Wert. Die Tätigkeit besteht bei Alterseinkünften in der früheren Beitragsleistung.

  • Es fehlt allerdings an dem für diese Vorschrift zusätzlich erforderlichen ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der Außerordentlichkeit.

  • Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal ist nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur als Korrektiv für die weite Auslegung des Begriffs der „Vergütung“ erforderlich.

  • Im Hinblick auf die Kapitalauszahlung von Renten ist es nach der früheren Rechtsprechung des BFH allein auf die vertragliche Vereinbarung eines Kapitalwahlrechts angekommen ().

  • In späteren Entscheidungen hat der BFH jedoch darauf abgestellt, ob das Kapitalwahlrecht nur in atypischen Einzelfällen tatsächlich ausgeübt wird, wofür statistisches Material von Organisationen und Verbänden der Anbieter ausgewertet werden muss ( und v. - X R 24/19). Der daraufhin im zweiten Rechtsgang vom FG Köln unternommene Versuch, derartiges statistisches Material zu erhalten, ist jedoch unergiebig geblieben, da die angefragten Organisationen keine entsprechenden Statistiken geführt hatten ().

  • Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob die vom BFH aufgestellten Kriterien noch Bestand haben können. Dies folgt auch daraus, dass die Besteuerung vor Ausübung des Kapitalwahlrechts für den Steuerpflichtigen nicht hinreichend klar ist. Zudem hat der BFH nicht entschieden, ab welchem Prozentsatz eine Außerordentlichkeit vorliegt.

  • Im Ergebnis kann dies jedoch offenbleiben. Wendet man die neuere Rechtsprechung trotz der Bedenken an, liegt keine Außerordentlichkeit vor, da die Klägerin die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen trägt. Lehnt man diese Rechtsprechung ab und stellt mit der früheren Rechtsprechung auf die Vereinbarung eines Kapitalwahlrechts ab, liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ebenfalls nicht vor, da im Streitfall ein Kapitalwahlrecht von vornherein vereinbart war.

Hinweis:

Der Senat hat die Revision zugelassen. Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW veröffentlicht.

Quelle: FG Münster, Newsletter November 2023 (il)

Fundstelle(n):
AAAAJ-52472