BGH Beschluss v. - StB 59/23

Beschwerde gegen die einstweilige Sicherstellung und Durchsicht von Gegenständen nach Durchsuchung bei unverdächtiger Person

Gesetze: § 98 Abs 2 StPO, § 102 StPO, § 103 StPO, § 108 StPO, § 110 Abs 1 StPO, § 110 Abs 3 StPO, § 304 Abs 1 StPO, § 304 Abs 5 StPO, § 46 Abs 1 OWiG, § 42a Abs 1 WaffG, § 53 Abs 1 Nr 21 WaffG

Gründe

I.

1Der Generalbundesanwalt führt gegen zahlreiche Personen aus dem Umfeld des gesondert verfolgten    R.   ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung und anderer Straftaten (2 BJs 274/22-5). Bei den Ermittlungen ist bekannt geworden, dass eine Vielzahl weiterer - derzeit zumeist noch nicht bekannter - Personen als Mitglieder oder Unterstützer der Gruppierung in Betracht kommt. Vor diesem Hintergrund hat der Generalbundesanwalt das vorliegende, gegen unbekannt gerichtete Ermittlungsverfahren eingeleitet (2 BJs 21/23-5).

2Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des die Durchsuchung der Person des Betroffenen, seiner Wohnräume in N.     und der von ihm genutzten Fahrzeuge angeordnet (1 BGs 486/23). Auf weiteren Antrag des Generalbundesanwalts vom hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am selben Tag mündlich ergänzend entschieden, dass die Durchsuchung an der neuen Anschrift des Betroffenen in Se.    zu vollziehen ist (1 BGs 527/23).

3Am gegen 06:15 Uhr hat sich der Betroffene an einen in O.       wohnhaften Zeugen gewandt und diesem drei Koffer sowie drei Taschen mit der Bemerkung übergeben, er müsse diese bei ihm „zwischenlagern“, da die Polizei gerade bei ihm durchsuche. Der Zeuge hat diese Gegenstände einige Stunden später der Polizei übergeben. Die vorgenannten sechs Behältnisse enthielten insgesamt 71 Messer teils mit zugehörigen Messertaschen und -etuis, Bargeld im Umfang von über 175.000 €, zahlreiche Schmuckstücke, Unterlagen, Dokumente und weitere Gegenstände. Sie sind durch die Polizei gemäß § 94 StPO sichergestellt worden.

4Nachfolgend ist am selben Tag die Durchsuchung des Betroffenen, seiner Wohnräume und Fahrzeuge vollzogen worden. Dabei sind zwei Laptops, ein Tablet, eine Festplatte, ein USB-Stick, eine SD-Karte, eine Drohne und ein Navigationsgerät vorläufig zur Durchsicht gemäß § 110 Abs. 1 StPO sichergestellt worden; die Durchsicht dauert noch an.

5Mit Schriftsatz vom hat der Betroffene nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog beantragt, die „vorläufige Sicherstellung der Gegenstände und der sichergestellten Geldbeträge aufzuheben sowie deren Herausgabe anzuordnen“. Er macht geltend, es fehle an einem Rechtsgrund für die Sicherstellung. Der Generalbundesanwalt hat daraufhin am die Herausgabe des Bargelds, des Schmucks, der Unterlagen und weiterer Gegenstände angeordnet, wobei unklar geblieben ist, wann die Sachen dem Betroffenen ausgehändigt bzw. ausgezahlt worden sind.

6Der Ermittlungsrichter des den Antrag des Betroffenen „auf Herausgabe der vorläufig sichergestellten Gegenstände zurückgewiesen, soweit diese nicht ohnehin wieder ausgehändigt worden sind“ (1 BGs 930/23). Zur Begründung hat er ausgeführt, die Voraussetzungen der vorläufigen Sicherstellung der Datenträger nach § 110 StPO und der Sicherstellung der übrigen Gegenstände nach § 94 StPO lägen weiterhin vor. Sämtlichen Asservaten komme Beweisbedeutung zu.

7Der Betroffene hat gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters vom mit Schriftsatz vom Beschwerde eingelegt und zugleich (erneut) nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog beantragt, das sichergestellte Bargeld und die Messersammlung herauszugeben. Er macht geltend, ein Rechtsgrund für die Fortdauer der Beschlagnahme der Gegenstände bestehe nicht. Hinsichtlich des Bargeldes, das aus seinem Geschäftsbetrieb stamme und das er als Barmittel zur Fortführung seines Geschäfts dringend benötige, fehle vollständig eine Begründung. Ferner komme den Messern keine Beweisbedeutung zu, da es sich um Sammlerobjekte im Wert von mindestens 60.000 € handele, die für kämpferische Aktivitäten ungeeignet und nicht dem gesondert verfolgten W.    zuzurechnen seien.

8Der Generalbundesanwalt hat mit Antragsschrift vom erklärt, dass ausweislich der weiteren Ermittlungen seit dem Beschluss des Ermittlungsrichters des die Messer keinen Bezug zum geführten Ermittlungsverfahren hätten. Diese seien aber in einem neu einzuleitenden Ordnungswidrigkeitenverfahren gemäß § 108 Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG, § 42a Abs. 1 WaffG einstweilen in Beschlag zu nehmen. Denn der Betroffene habe, indem er die Messer in einem unverschlossenen Behältnis zum Zeugen transportiert habe, diese verbotswidrig gemäß § 42a Abs. 1 und 2 WaffG geführt.

9Auf die Zuschrift des Generalbundesanwalts vom hat der Betroffene erklärt, das Rechtsmittel richte sich nur noch gegen die Beschlagnahme der Messersammlung und der Datenträger, nachdem zwischenzeitlich eine Übergabe der übrigen Asservate mit den Ermittlungsbehörden vereinbart worden sei. Überdies wendet er ein, es liege nahe, dass die Messer in einem verschlossenen PKW transportiert worden seien. Auch aus Rechtsgründen scheide eine einstweilige Beschlagnahme nach § 46 Abs. 1 OWiG, § 108 Abs. 1 StPO, § 42a Abs. 1 WaffG aus.

10Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Mit weiterem - nicht verfahrensgegenständlichem - Beschluss vom (1 BGs 1222/23) hat er den erneuten Antrag des Betroffenen nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog auf gerichtliche Entscheidung über die Herausgabe der Messersammlung und weiterer Asservate zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Messer wiesen ausweislich der weiteren Ermittlungsergebnisse keinen Bezug zum hiesigen Ermittlungsverfahren auf. Der Generalbundesanwalt habe die Messer aber nunmehr entsprechend § 108 StPO vorläufig in Beschlag genommen; es handele sich ungeachtet seines mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses vom um eine geänderte Sachlage. Gegen die Beschlagnahmeanordnung des Generalbundesanwalts nach § 108 StPO könne sich der Betroffene mit einem neuen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO wenden. Dieser sei jedoch unbegründet. Die Messer unterlägen der einstweiligen Beschlagnahme nach § 46 Abs. 1 OWiG, § 108 StPO, § 53 Abs. 1 Nr. 21, § 42a Abs. 1 WaffG, da der Betroffene diese in nicht verschlossenen Aufbewahrungsbehältern zum Zeugen verbracht und sie damit verbotswidrig geführt habe.

II.

11Das Rechtsmittel ist gemäß § 304 Abs. 5 StPO zulässig, aber unbegründet, soweit der Betroffene die Herausgabe der Datenträger verlangt. Soweit er die Herausgabe der Messersammlung begehrt, ist die Beschwerde unzulässig.

121. a) Die Beschwerde ist zulässig, soweit das Rechtsmittel sich gegen die richterliche Bestätigung der noch nicht erledigten vorläufigen Sicherstellung der Datenträger zum Zwecke der Durchsicht richtet; denn die angefochtene Entscheidung betrifft insoweit die Durchsuchung im Sinne des § 304 Abs. 5 StPO (s. BGH, Beschlüsse vom - StB 21/21, NStZ 2021, 623 Rn. 6; vom - StB 5/23, juris Rn. 5).

13b) Soweit der Betroffene mit seiner Beschwerde die Herausgabe der Messersammlung begehrt, ist das Rechtsmittel durch den Beschluss des Ermittlungsrichters des wegen prozessualer Überholung unstatthaft geworden. Sowohl seine Umdeutung in eine Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss als auch eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der prozessual überholten Bestätigung der Sicherstellung scheiden aus.

14aa) Dadurch, dass der Ermittlungsrichter des die einstweilige Beschlagnahme der Messer gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 108 StPO, § 53 Abs. 1 Nr. 21, § 42a Abs. 1 WaffG gerichtlich bestätigt hat (1 BGs 1222/23), hat er einen Beschluss gefasst, der seinerseits nach § 304 Abs. 1 und 5 StPO beschwerdefähig ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - StB 17/22, BGHR StPO § 304 Abs. 5 Rechtsschutzbedürfnis 2 Rn. 12; vom - StB 21/21, NStZ 2021, 623 Rn. 6; vom - StB 4/18, juris Rn. 10). Dieser Beschluss ist maßgebend; denn der nach § 98 Abs. 1 StPO zuständige Richter ist regelmäßig sachverhaltsnäher als das Beschwerdegericht. Seine Entscheidung ist zudem aktueller; sie kann auch - wie hier - spätere tatsächliche Entwicklungen berücksichtigen. Denn die neuerliche Beschlagnahme durch den Generalbundesanwalt beruht sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht auf einer neuen Grundlage. Die Annahme prozessualer Überholung in dieser Konstellation entspricht zudem der Rechtslage im Haftrecht; auch hier kann der Beschuldigte nur die jeweils letzte Haftentscheidung anfechten (vgl. , juris Rn. 65; , juris Rn. 8; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 117 Rn. 8 mwN). Außerdem kann so der Gefahr sachlich widersprechender Entscheidungen begegnet werden, die im Fall der Konkurrenz zwischen Beschwerde und erneuter richterlicher Entscheidung über die gerichtliche Beschlagnahme nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO eintreten könnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom - StB 17/22, BGHR StPO § 304 Abs. 5 Rechtsschutzbedürfnis 2 Rn. 12 mwN).

15bb) Eine Umdeutung des insoweit prozessual überholten Rechtsmittels gegen die Bestätigung der Sicherstellung mit Beschluss des Ermittlungsrichters des in eine Beschwerde gegen die richterliche Beschlagnahmebestätigung mit Beschluss vom scheidet aus. Gemäß § 304 Abs. 1 StPO ist eine Beschwerde nur gegen eine im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung bereits erlassene Entscheidung statthaft. Zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde am war die vorgenannte richterliche Entscheidung jedoch noch nicht existent (vgl. , BGHR StPO § 98 Abs. 2 Bestätigung 1).

16cc) Ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der prozessual überholten Bestätigung mit Beschluss vom besteht nicht (vgl. Meyer-Goßner/Schmidt, StPO, 66. Aufl., Vor § 296 Rn. 18, 18a; KK-StPO/Greven, 9. Aufl., § 98 Rn. 28). Denn der Betroffene kann Beschwerde gegen die Bestätigung vom einlegen und dadurch die Rechtmäßigkeit des Vorgehens überprüfen lassen.

172. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. Die Voraussetzungen für die richterliche Bestätigung betreffend die Durchsicht der Datenträger gemäß § 94 Abs. 1, § 98 Abs. 2 Satz 2 (entsprechend), §§ 102, 110 Abs. 1, 3 und 4, § 162 Abs. 1, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO lagen und liegen vor.

18Rechtsgrundlage für die vorläufige Sicherstellung der elektronischen Speichermedien sowie der Papiere zum Zwecke der Durchsicht ist § 110 Abs. 1 und 3 StPO. Da das Verfahren im Stadium der Durchsicht noch einen Teil der Durchsuchung nach § 102 oder § 103 StPO bildet, kommt es für die Rechtmäßigkeit der richterlichen Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung darauf an, ob die Voraussetzungen für eine Durchsuchung im Zeitpunkt der Entscheidung noch vorliegen. Sind diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Durchsicht dagegen nicht mehr gegeben, dann ist auch sie als Teil der Durchsuchung nicht mehr zulässig (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 708/18, NJW 2018, 3571 Rn. 25; vom - 2 BvR 1111/08, juris Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom - StB 21/21, BGHR StPO § 98 Abs. 2 Bestätigung 2 Rn. 12 mwN; vom - StB 5/23, juris Rn. 7). Es muss also weiterhin ein Anfangsverdacht bestehen und die Durchsicht zur Auffindung von Beweismitteln geeignet und verhältnismäßig sein. Hierzu im Einzelnen:

19a) Gegen die gesondert Verfolgten lag und liegt ein die Durchsuchung nach § 102 StPO rechtfertigender Anfangsverdacht vor.

20aa) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen durchzuführenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (st. Rspr.; vgl. , BVerfGK 9, 149, 153; BGH, Beschlüsse vom - StB 40/23, juris Rn. 14; vom - StB 5/23, juris Rn. 9; vom - StB 29/22, NStZ 2022, 692 Rn. 6).

21bb) Gemessen hieran lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses sachlich zureichende Gründe für die Anordnung derselben vor. Wie der Senat bereits vielfach entschieden hat, bestand der Anfangsverdacht, dass die gesondert Verfolgten sich an einer terroristischen Vereinigung als Mitglied gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB beteiligten und durch dieselbe Handlung (§ 52 Abs. 1 StGB) ein hochverräterisches Unternehmen gemäß § 83 Abs. 1 StGB vorbereiteten bzw. die terroristische Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB unterstützten. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zu diesem Ermittlungskomplex ergangenen Beschlüsse des Senats vom 11., 12. und Bezug genommen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - AK 35/23, juris Rn. 5 ff. [vorgesehen für BGHSt]; vom - AK 38/23, juris Rn. 5 ff.; vom - AK 21/23, juris Rn. 4 ff.). An der Verdachtslage hat sich bis zum jetzigen Zeitpunkt nichts geändert.

22b) Es lagen auch hinreichende Tatsachen dafür vor, dass bei dem Betroffenen bestimmte Beweismittel im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO aufgefunden werden konnten.

23aa) Eine Ermittlungsdurchsuchung, die eine nichtverdächtige Person betrifft, setzt nach § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO Tatsachen dahin voraus, dass sich das gesuchte Beweismittel in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Es müssen konkrete Gründe im Zeitpunkt der Anordnung, mithin aus ex ante-Sicht dafür sprechen (vgl. , NJW 2019, 3633 Rn. 35; BGH, Beschlüsse vom - StB 40/23, juris Rn. 16; vom - StB 5/23, juris Rn. 19; vom - StB 6/21 u.a., NJW 2022, 795 Rn. 11; vom - StB 6/19, juris Rn. 18; vom - StB 51/78, BGHSt 28, 57, 59), dass der gesuchte Beweisgegenstand in den Räumlichkeiten des Unverdächtigen gefunden werden kann (vgl. , BVerfGK 1, 126, 132 f.; BGH, Beschlüsse vom - StB 5/23, juris Rn. 19 mwN; vom - StB 9/99, BGHR StPO § 103 Gegenstände 1).

24Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Es lagen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung dafür vor, dass sich Beweismittel, die in dem anhängigen Ermittlungsverfahren von Bedeutung sein können, beim Beschwerdeführer befinden. Ausweislich der bisherigen Ermittlungsergebnisse bestand Kontakt zwischen dem Betroffenen, auf den im Nationalen Waffenregister drei Waffen registriert sind, und dem gesondert verfolgten W.    , der mit hoher Wahrscheinlichkeit Mitglied des Führungsstabs des militärischen Arms der terroristischen Vereinigung war. Ferner kommunizierte der Betroffene mit dem gesondert verfolgten Ri.   , der hochwahrscheinlich die Funktion des Referatsleiters in der für die Beschaffung von militärischen Ausrüstungsgegenständen gegründeten Abteilung der Gruppierung ausübte. Zudem wurde bei der gesondert verfolgten   Pe.             eine vom Betroffenen unterzeichnete Verschwiegenheitsverpflichtung aufgefunden. Aufgrund dieser Umstände lag eine Auffindewahrscheinlichkeit für Gegenstände vor, die zu einer weiteren Aufklärung des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts, insbesondere zur Organisation, Struktur und Zielsetzung der Vereinigung beitragen konnten. Hierzu zählten auch elektronische Kommunikationsmittel, die nicht nur Aufschluss über den Inhalt von Gesprächen zwischen den gesondert Verfolgten und dem Betroffenen erbringen konnten, sondern auch über (noch unbekannte) weitere Kontaktpersonen der Vereinigung.

25bb) Die Durchsuchung bei einer nichtverdächtigen Person setzt nach § 103 StPO überdies voraus, dass hinreichend individualisierte (bestimmte) Beweismittel für die aufzuklärende Straftat gesucht werden. Diese Gegenstände müssen im Durchsuchungsbeschluss so weit konkretisiert werden, dass weder bei dem Betroffenen noch bei dem die Durchsuchung vollziehenden Beamten Zweifel über die zu suchenden und zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können (, BGHR StPO § 103 Gegenstände 2). Ausreichend ist dafür allerdings, dass die Beweismittel der Gattung nach näher bestimmt sind; nicht erforderlich ist, dass sie in allen Einzelheiten bezeichnet werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom - StB 40/23, juris Rn. 16; vom - StB 5/23, juris Rn. 21; vom - StB 29/22, NStZ 2022, 692 Rn. 14; vom - StB 14/18, juris Rn. 16; vom - StB 9/99, BGHR StPO § 103 Gegenstände 1, jeweils mwN).

26Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss ebenfalls gerecht. Es wurden die zu sichernden Gegenstände, insbesondere elektronische Kommunikationsmittel, Dokumente und Unterlagen, auch in elektronischer Form, Waffen und militärische Ausrüstungsgegenstände dahin konkretisiert, dass diese mit der terroristischen Vereinigung in Zusammenhang stehen mussten. Durch diese Einschränkung der möglicherweise aufzufindenden Beweismittel war den durchsuchenden Beamten hinreichend deutlich aufgezeigt, worauf sie ihr Augenmerk zu richten hatten.

27c) Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses ergibt sich aus § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 2 und 6, § 142 Abs. 1 Nr. 1, § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG.

28d) Die Durchsuchungsanordnung entspricht auch unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Belange des Betroffenen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

29aa) Sie war zur weiteren Aufklärung einer Beteiligung bislang unbekannt gebliebener Personen an dem Tatgeschehen geeignet, da unter den gegebenen Umständen zu erwarten war, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Gegenständen, insbesondere von elektronischen Kommunikationsmitteln, führen wird, die nicht nur eine inhaltliche Kommunikation zwischen den gesondert Verfolgten und dem Betroffenen nachweisen oder widerlegen, sondern auch Aufschluss über weitere Kontaktpersonen der Vereinigung erbringen können.

30bb) Die Anordnung der Durchsuchung steht zudem in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung und Schwere der aufzuklärenden Straftat. Die von der in Rede stehenden Gruppierung ausgehende Gefahr ist erheblich. Dies zeigt sich insbesondere an den konkreten vielfältigen Vorbereitungshandlungen einiger Mitglieder der Vereinigung für eine bewaffnete Erstürmung des Reichstagsgebäudes durch eine Gruppe von bis zu 16 Personen, vornehmlich aus den Reihen aktiver oder ehemaliger Angehöriger des Kommando Spezialkräfte oder anderer Spezialeinheiten der Bundeswehr sowie Polizei, und dem geplanten sowie in Teilen bereits umgesetzten Aufbau von militärischen „Heimatschutzkompanien“ im gesamten Bundesgebiet.

31e) Die vorläufige Sicherstellung der bei der Wohnungsdurchsuchung aufgefundenen elektronischen Speichermedien, Dokumente, Urkunden und sonstigen Unterlagen sowie ihre Durchsicht sind von § 110 Abs. 1 und 3 StPO gedeckt.

32aa) Die vorläufige Sicherstellung der in der angefochtenen Entscheidung bezeichneten Gegenstände hält sich in den Grenzen des Durchsuchungsbeschlusses des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs. Denn dieser nannte als Zweck der Durchsuchung unter anderem die Sicherstellung von Dokumenten und Unterlagen auch in elektronischer Form, die unter anderem Aufschluss über Kontakte des Betroffenen mit Mitgliedern der terroristischen Vereinigung geben.

33bb) Die Asservate durften aus der Wohnung des Betroffenen zur Auswertung mitgenommen werden, weil die Durchsicht auf Beweisrelevanz im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung vor Ort nicht möglich war (vgl. , NJW 2002, 1410, 1411; BGH, Beschlüsse vom - StB 5/23, juris Rn. 28; vom - StB 21/21, BGHR StPO § 98 Abs. 2 Bestätigung 2 Rn. 11; vom - StB 6/19, juris Rn. 17; vom - StB 7/03, NStZ 2003, 670 Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 110 Rn. 2a). Auch zum jetzigen Zeitpunkt bestehen zureichende Anhaltspunkte dafür, dass die (weitere) Untersuchung der Asservate zur Auffindung beweisrelevanter Daten oder Inhalte führen wird (vgl. , NStZ 2021, 623 Rn. 12). In welchem Umfang die inhaltliche Durchsicht des Materials notwendig ist, wie sie im Rahmen von § 110 StPO im Einzelnen zu gestalten und wann sie zu beenden ist, unterliegt zunächst der Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die hierbei einen eigenverantwortlichen Ermessenspielraum hat (BGH, Beschlüsse vom - StB 5/23, juris Rn. 28; vom - StB 7/03, BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 3 mwN). Eine Überschreitung des Ermessenspielraums der Ermittlungsbehörde - auch in zeitlicher Hinsicht - ist entgegen dem Vorbringen des Betroffenen aufgrund der Anzahl der aufgefundenen Speichermedien derzeit noch nicht gegeben.

Schäfer                    Berg                    Voigt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:241023BSTB59.23.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-51844