Anordnung der Unterbringung in Entziehungsanstalt trotz prognoseungünstiger Faktoren
Gesetze: § 2 Abs 6 StGB, § 21 StGB, § 46 StGB, § 64 S 2 StGB, § 67d Abs 1 S 1 StGB, § 67d Abs 1 S 3 StGB
Instanzenzug: LG Magdeburg Az: 21 Ks 1/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung in zweifacher Hinsicht nicht stand.
3Zum einen hat das Landgericht bei der Strafrahmenwahl die „erhebliche Brutalität“ und bei der konkreten Strafzumessung die „Vielzahl der Verletzungshandlungen“ ohne Abstriche zum Nachteil des Angeklagten gewertet, obwohl diese Tatausführung wegen der festgestellten erheblichen Einschränkung seiner Steuerungsfähigkeit nach ständiger Rechtsprechung nur nach dem Maß der geminderten Schuld hätte berücksichtigt werden dürfen (vgl. , BGHSt 16, 360, 364; vom – 2 StR 17/93, NJW 1993, 3210, 3211; Beschlüsse vom – 5 StR 186/21, NStZ-RR 2021, 336; vom – 6 StR 412/22).
4Zum anderen hat das Landgericht strafschärfend berücksichtigt, dass der Getötete dem Angeklagten „keinen nachvollziehbaren Grund geliefert hatte, diesen zu verletzen“. Diese Erwägung lässt besorgen, dass es ihm das Fehlen eines Milderungsgrundes strafschärfend angelastet hat (vgl. ; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1162; Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 57i mwN).
52. Auch die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB begegnet durchgreifenden Bedenken.
6a) Der Senat hat gemäß § 2 Abs. 6 StGB über die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB in der am in Kraft getretenen Fassung zu entscheiden. Nach § 64 Satz 2 StGB nF darf eine solche Anordnung nur ergehen, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten ist, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist des § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
7b) Das Landgericht hat sich dem von ihm gehörten Sachverständigen angeschlossen, der im Wesentlichen ausgeführt hat, dass ein grundsätzliches Therapieversagen aus den bisherigen Behandlungsmaßnahmen und der komorbiden Persönlichkeitsstörung nicht abzuleiten sei, so dass abschließend „eine positive Behandlungsprognose attestiert werde“. Damit ist eine Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB nF nicht hinreichend belegt. Die Ausführungen lassen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte erkennen, die die Erwartung zu begründen vermögen, die Behandlung werde trotz der prognoseungünstigen Faktoren (Persönlichkeitsstörung, mehrere Therapieversuche) im Sinne des § 64 Satz 2 StGB nF erfolgreich sein. Allein die vom Angeklagten geäußerte Therapiebereitschaft genügt insoweit nicht.
83. Die Sache bedarf daher hinsichtlich der Rechtsfolgen neuer Verhandlung und Entscheidung. Die dem Rechtsfolgenausspruch zugrundeliegenden Feststellungen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:041023B6STR405.23.0
Fundstelle(n):
DAAAJ-51473