Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Begründungsanforderungen im Strafurteil
Gesetze: § 267 Abs 3 S 1 Halbs 2 StPO, § 358 Abs 2 S 1 StPO, § 54 Abs 1 S 2 StGB, § 54 Abs 1 S 3 StGB, § 55 StGB
Instanzenzug: Az: 9 KLs 11/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls (Ziffer II.1 der Urteilsgründe), tätlichen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit tätlichem Angriff gegen Vollstreckungsbeamte, versuchter Körperverletzung und Beleidigung (Ziffer II.2 der Urteilsgründe) sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Diebstahl (Ziffer II.3 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Das hiergegen mit der Sachrüge geführte Rechtsmittel des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Richtigstellung des Schuldspruchs im Fall II.1 sowie zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe. Im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Der Schuldspruch im Fall II.1 der Urteilsgründe bedarf der Richtigstellung. Die vollendete Verwirklichung des Qualifikationstatbestands ist im Tenor kenntlich zu machen; § 358 Abs. 2 StPO steht dem nicht entgegen (vgl. Rn. 60).
32. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat keinen Bestand, weil das Landgericht insoweit seiner aus § 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO folgenden sachlich-rechtlichen Begründungspflicht nicht nachgekommen ist.
4Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Einzelstrafe gebildet. Das Gesetz schreibt vor, dass hierbei die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt werden müssen (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB). Bei der Bildung der Gesamtstrafe handelt es sich daher um einen eigenständigen Strafzumessungsvorgang, der gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO gesondert zu begründen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 379/20; vom – 4 StR 564/14 jeweils mwN). Im angefochtenen Urteil fehlen jegliche Erwägungen zur Bestimmung der Gesamtstrafe. Sie lassen sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Einer Aufhebung der getroffenen Feststellungen bedarf es nicht. Diese können durch nicht widersprechende Feststellungen ergänzt werden.
53. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: Das Urteil verhält sich nicht zum Vollstreckungsstand des (hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts vgl. , NStZ-RR 2020, 7 f.). Auch mit Blick auf eine mögliche Zäsurwirkung früherer Urteile fehlen Angaben zu den Tatzeitpunkten und dem jeweiligen Vollstreckungsstand. Das neue Tatgericht wird die notwendigen Feststellungen nachzuholen und zu entscheiden haben, ob aus den Strafen des Urteils vom unter Auflösung der dortigen Gesamtstrafe und der im Fall II.1 verhängten Einzelstrafe gemäß § 55 StGB eine neue Gesamtstrafe zu bilden ist. Soweit hierdurch die Bildung von mehreren Gesamtstrafen erforderlich werden sollte, ist § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu beachten (vgl. ).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:150923B5STR134.23.0
Fundstelle(n):
LAAAJ-49516