Umsatzsteuer / Verfahrensrecht | Vertrauensschutz bei rechtswidrigem Verwaltungshandeln (BFH)
Es besteht keine Änderungsbefugnis nach § 27 Abs. 19 UStG, wenn der Organträger einer Bauleistungen erbringenden Organgesellschaft keinen Anspruch der Organgesellschaft gegen den Leistungsempfänger abtreten kann, da über das Vermögen der Organgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die Klägerin war im Jahr 2012 (Streitjahr) Organträgerin einer GmbH. Die GmbH erbrachte gegenüber einer AG, einer Bauträgerin, im Streitjahr Bauleistungen ohne gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer, da die Vertragspartner von der Steuerschuldnerschaft der Bauträgerin gem. § 13b UStG ausgingen.
Über das Vermögen der GmbH wurde 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet. In der Umsatzsteuerjahreserklärung 2012 ging die Klägerin wiederum von einer Steuerschuldnerschaft der Bauträgerin für die an diese erbrachten Leistungen aus. Die Bauträgerin beantragte aufgrund des im Jahr 2015 die Erstattung der von ihr entrichteten Umsatzsteuer. Daher setzte das FA im Jahr 2016 gem. § 164 Abs. 2 AO ggü. der Klägerin als Organträgerin die Umsatzsteuer für das Streitjahr um 49.487,02 € höher fest.
Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Im Jahr 2019 bot die Klägerin dem FA an, einen ihr ggü. der GmbH aufgrund der seinerzeitigen Organschaft zustehenden Anspruch auf Ausgleich der Umsatzsteuer abzutreten, und meldete diese Forderung zur Insolvenztabelle an. Das FA nahm die Abtretung nicht an. Die Insolvenzverwalterin der GmbH übersandte der Bauträgerin keine geänderten Rechnungen und machte gegenüber dieser auch keine Nachforderung geltend.
Demgegenüber gab das FG der Klage statt. Es fehlte für den Änderungsbescheid in 2016 an einer Korrekturgrundlage. Eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO scheitere an § 176 AO. Zwar sei beim Eingang der nach § 168 Satz 1 AO als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung geltenden Umsatzsteuerjahreserklärung das Senatsurteil bereits veröffentlicht gewesen. Es sei aber das "Steuerjahr 2012" zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen.
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück:
Der Änderung nach § 164 Abs. 2 AO steht § 176 Abs. 2 AO entgegen. Danach darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
Das FA war auch nicht zu einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG berechtigt. Diese Vorschrift eröffnet keine Änderungsbefugnis, wenn der Organträger einer Bauleistungen erbringenden Organgesellschaft keinen Anspruch der Organgesellschaft gegen den Leistungsempfänger abtreten kann, da über das Vermögen der Organgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
Quelle: ; NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
PAAAJ-48881