Erbschaftsteuer | Umfang der Befreiung eines Familienheims (FG)
Nur die Grundfläche des mit dem Familienheim bebauten Flurstücks oder bei größeren Flurstücken eine angemessene Zubehörfläche unterfällt dem verfassungsrechtlichen Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraums und ist erbschaftsteuerlich nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG begünstigt (; Revision anhängig, BFH-Az. II R 27/23).
Hintergrund: Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG ist u.a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB).
Sachverhalt: Im Streitfall hatte der Kläger durch Erbschaft sechs Flurstücke erworben. Fünf dieser Flurstücke waren nach § 890 BGB zusammengefasst als ein Grundstück im Grundbuch vereinigt.
Bei der Erbschaftsteuer erfolgt die Bewertung von Grundbesitz grundsätzlich durch das Finanzamt, in dessen Bezirk das entsprechende Grundstück liegt. Die so festgestellten Werte sind dann vom für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt als sog. Grundlagenbescheide in den Erbschaftsteuerbescheid zu übernehmen. Über die Steuerbefreiung für ein Familienheim wiederum entscheidet das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt. Im Streitfall gab es die Besonderheit, dass das für die Bewertung zuständige Finanzamt drei der fünf im Grundbuch vereinigten Flurstücke in einem Bescheid zusammengefasst und für diese einen Gesamtwert festgestellt hatte. In der Erläuterung des Bescheides hatte das Bewertungsfinanzamt ausgeführt, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim ggf. nur für das eine Flurstück zu gewähren sei, auf dem das Haus steht. So sah es auch das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt. Es übernahm in den Erbschaftsteuerbescheid nicht den festgestellten Gesamtwert für die drei Flurstücke und gewährte hierfür die Steuerbefreiung. Stattdessen rechnete es aus dem Gesamtwert den Wert des mit dem Einfamilienhaus bebauten Flurstücks heraus und gewährte nur in dieser Höhe die Steuerbefreiung. Der Kläger begehrte hingegen die Steuerbefreiung für den gesamten vom Bewertungsfinanzamt festgestellten Grundbesitzwert (also für alle drei Flurstücke).
Das niedersächsische FG wies die Klage ab:
Bereits mit Urteil v. - II R 29/19) hat der BFH mit ausgeführt, dass ein Grundstück im Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG entweder im Sinne des BGB oder des BewG zu verstehen ist. Im Fall des Bundesfinanzhofs kam es auf eine Entscheidung zu dieser Frage jedoch nicht an, sodass diese offenblieb.
Betrachtet man das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne, so handelt es sich hierbei um einen vermessenen, im Liegenschaftskataster bezeichneten Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch als ein Grundstück eingetragen ist (). Folgt man dem BewG - auf das § 12 Abs. 3 ErbStG grundsätzlich zur Bewertung von Grundbesitz verweist -, so ist auf die wirtschaftliche Einheit im Sinne von § 2 Abs. 1 BewG abzustellen.
Die wirtschaftliche Einheit bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung, wobei örtliche Gewohnheit, tatsächliche Übung, Zweckbestimmung und wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen sind (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 BewG).
Vorliegend traf das Finanzgericht eine weder-noch-Entscheidung. Weder folgte es der zivilrechtlichen Sichtweise, da das mit dem Haus bebaute Flurstück nicht einzeln, sondern mit vier weiteren Flurstücken vereinigt im Grundbuch eingetragen war. Noch folgte das Gericht der vom Bewertungsfinanzamt vorgenommenen Grundstücksbewertung, die drei Flurstücke umfasste.
Das Gericht vertrat die Ansicht, dass das Erbschaftsteuerfinanzamt zu Recht nur das tatsächlich mit dem Familienheim bebaute Flurstück von der Steuer befreit hatte. Dies folgt aus der primären Anknüpfung des Erbschaftsteuerrechts an das Zivilrecht.
Zudem ist es verfassungsrechtlich geboten, die Befreiungsnorm restriktiv auszulegen. Deswegen kann für die Steuerbefreiung nicht auf die wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsrechts abgestellt werden. Stattdessen ist die Befreiung auf eine vorhandene katastermäßig kleinere Grundstücksfläche (und sollte diese nicht gegeben sein, gegebenenfalls auf eine Teilfläche) zu begrenzen.
Den Hintergrund der restriktiven Auslegung der Norm sah das Gericht in einer möglichen Doppelbegünstigung naher Familienmitglieder durch hohe Freibeträge einerseits und die Freistellung des Familienheims andererseits. Personen mit „großem" Familienheim profitieren von der Befreiungsvorschrift nämlich in größerem Maße, als z.B. Personen mit kleiner oder keiner Immobilie, weil die Freibeträge zusätzlich zur Steuerbefreiung des Familienheims gewährt werden.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das FG die Revision zugelassen. Diese wurde vom unterlegenen Kläger auch bereits eingelegt und unter dem Az. II R 27/23 geführt. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der BFH zu dieser Frage positioniert.
Quelle: Niedersächsisches FG, Pressemitteilung v. (il)
Fundstelle(n):
NWB WAAAJ-48711