Konkurrentenstreit; "wünschenswerte" Anforderungskriterien; Förderung von Soldatinnen
Leitsatz
1. Die bei gleicher Qualifikation bevorzugte Berücksichtigung von Soldatinnen in einem Auswahlverfahren zur Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens (§ 8 Satz 1 und 2 SGleiG) kann erst dann zum Tragen kommen, wenn zuvor alle Verfahrensschritte des Eignungs- und Leistungsvergleichs nach dem Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG) ausgeschöpft wurden.
2. Der Antragsteller, der erfolgreich die Auswahlentscheidung zur Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens angefochten hat, ist unter dem Blickwinkel der Folgenbeseitigung (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO) in einem erneuten Auswahlverfahren auch dann teilnahmeberechtigt, wenn er inzwischen selbst auf einen (anderen) höherwertigen Dienstposten versetzt worden ist. Das gleiche gilt für den ausgewählten Bewerber, der als Beigeladener am Konkurrentenstreit beteiligt ist.
Gesetze: Art 33 Abs 2 GG, § 3 Abs 1 SG, § 4 SGleiG, § 8 S 1 SGleiG, § 8 S 2 SGleiG, § 113 Abs 1 S 2 VwGO
Tatbestand
1Der Antrag betrifft einen Konkurrentenstreit um die Besetzung eines nach Besoldungsgruppe A 9 MZ bewerteten Dienstpostens im ...
2Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich zum 30. September ... Er war mit Wirkung vom zum Stabsfeldwebel befördert und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 M eingewiesen worden. Während seiner Dienstzeit wurde er überwiegend als Rechnungsführerfeldwebel eingesetzt, zuletzt beim ... am Standort ...
3Die ... geborene Beigeladene ist ebenfalls Berufssoldatin mit voraussichtlichem Dienstzeitende am 30. September ... Sie war am zum Stabsbootsmann befördert und mit Wirkung vom in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 M eingewiesen worden. Zuletzt war sie als Personalfeldwebel beim ... in ... eingesetzt.
4Am forderte das Bundesministerium der Verteidigung (...) das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr auf, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten für die Nachbesetzung des zum zu besetzenden, nach Besoldungsgruppe A 9 MZ (Oberstabsfeldwebel/Oberstabsbootsmann) bewerteten Dienstpostens Bürosachbearbeiter Feldwebel beim ... in ... (DP-ID ...) zu nominieren. Beigefügt war ein "Dienstpostenanforderungsprofil ...", das als Qualifikationserfordernis u. a. ein (zwingendes) Englisch SLP 2221 und ein erwünschtes Englisch SLP 3332 enthielt.
5Unter dem traf das Bundesamt für das Personalmanagement für die Besetzung des Dienstpostens die Organisationsgrundentscheidung "Aufsteiger oder Förderungsbewerber".
6Am entschied der Unterabteilungsleiter ... beim Bundesamt für das Personalmanagement, den Dienstposten Bürosachbearbeiter Feldwebel beim ... mit der Beigeladenen zu besetzen. Die Beigeladene wurde zum auf den Dienstposten versetzt und trat ihren Dienst dort am an. Am wurde sie zum Oberstabsbootsmann befördert und mit Wirkung vom in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 MZ eingewiesen.
7Die Dokumentation des Auswahlverfahrens bezieht sich auf die genannte Organisationsgrundentscheidung und fordert im Anforderungsprofil eine "Vorverwendung im Bereich Stabsdienst (hart)" und die "Sicherheitsstufe Ü 2/erweiterter Sabotageschutz (hart)" sowie als wünschenswerte Kriterien eine "Erfahrung auf Ebene höhere Kommandobehörde/Amt" und ein "Englisch SLP 2221". In der Personalauswahl wurden in einem ersten Verfahrensstadium zunächst sieben Kandidaten im Dienstgrad Stabsfeldwebel/Stabsbootsmann, darunter der Antragsteller und die Beigeladene, betrachtet, die allesamt die Vorgaben der Organisationsgrundentscheidung und die harten Kriterien des Anforderungsprofils erfüllten. Nach einer Reihung dieser Kandidaten nach dem Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung in der letzten planmäßigen dienstlichen Beurteilung (2018) wurden die drei letztplatzierten Kandidaten aus der weiteren Betrachtung ausgenommen (Durchschnittswerte zwischen "8,00" und "8,30") und die vier Spitzenkandidaten, darunter der Antragsteller und die Beigeladene, als im Wesentlichen gleich leistungsstark eingeschätzt (StFw E. "8,78", Antragsteller "8,57", Beigeladene "8,57", StFw P. "8,50"; alle mit Entwicklungsprognose "5"). Diese Einschätzung wurde auch unter Berücksichtigung der Leistungsentwicklung anhand der planmäßigen dienstlichen Beurteilungen aus 2016 und 2014 aufrechterhalten. Anschließend findet sich der Vermerk: "Die Entscheidung über die Besetzung wird nach Rückmeldung BMVg getroffen".
8Mit E-Mail vom teilte das Bundesamt für das Personalmanagement dem Bundesministerium der Verteidigung (...) mit, dass es für die Besetzung des Dienstpostens die vier in die engere Wahl gezogenen Kandidaten "nominiere" und "unter Beachtung des SGleiB (wohl gemeint: SGleiG) und der Zielvereinbarung AL P im BMVg und der Präsidentin BAPersBw" die Beigeladene und Frau StFw E. "für die Besetzung priorisiert" würden. Mit E-Mail vom erklärte das Bundesministerium der Verteidigung (...), dass für die Besetzung des Dienstpostens die Beigeladene "akzeptiert" werde; es werde vorgeschlagen, den Dienstposten mit ihr zu besetzen. Die vom Unterabteilungsleiter ... gezeichnete Entscheidungsvorlage schließt sodann mit folgendem Passus: "Da bei der Besetzung des Dienstpostens ... die Akzeptanz seitens BMVg ein entscheidendes Kriterium darstellt, wurden alle vier Kandidatinnen/Kandidaten für die Besetzung des Dienstpostens nominiert. Gemäß Rückmeldung BMVg vom wird [die Beigeladene] für die Besetzung des Dienstpostens akzeptiert", sowie der Entscheidung "In der Gesamtbetrachtung wird [die Beigeladene] für die Besetzung des Dienstpostens ausgewählt".
9Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Bundesamts für das Personalmanagement vom - ohne inhaltliche Begründung - darüber informiert, dass er für den Dienstposten nicht ausgewählt worden sei. Das Schreiben wurde ihm mit E-Mail vom übermittelt; eine Empfangsbestätigung liegt nicht vor. In einer dienstlichen Erklärung vom führte der Antragsteller aus, er habe sich bis zum im Erholungsurlaub befunden; danach habe er viele auswärtige Termine absolviert und sei nur wenige Stunden im Büro gewesen. Er habe vorrangig die dienstlichen Belange abgearbeitet und könne nicht mehr genau sagen, wann er die E-Mail zur Auswahlentscheidung geöffnet habe.
10Am richtete der Antragsteller eine Nachfrage an das Bundesamt für das Personalmanagement mit der Bitte, ihm die Gründe der Auswahlentscheidung mitzuteilen. Das Bundesamt für das Personalmanagement erklärte hierauf, dass "im letzten Schritt der Verwendungsentscheidung" zu Gunsten der Beigeladenen "das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz (SGleiG) zum Tragen" gekommen sei.
11Mit Schreiben vom erhob der Antragsteller Beschwerde gegen die Auswahlentscheidung. In seiner Begründung vom machte er geltend, dass die Beigeladene zwei "harte" Kriterien der Bedarfsträgeranforderung nicht erfülle, weil sie über keine aktuelle Sicherheitsüberprüfung verfüge und das geforderte Sprachleistungsprofil nicht aufweise. Da die Beigeladene mit ihm nicht gleichauf liege, scheide eine Bevorzugung auf der Grundlage des SGleiG aus.
12Der Antragsteller wurde zum auf einen nach Besoldungsgruppe A 9 MZ dotierten Dienstposten als Rechnungsführerfeldwebel beim ... versetzt und von dort zum auf einen ebenso dotierten Dienstposten beim ... weiterversetzt. Am wurde er zum Oberstabsfeldwebel befördert und mit Wirkung vom in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 MZ eingewiesen.
13Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom hat der Antragsteller die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht angemahnt, weil seit Begründung seiner Beschwerde im April 2021 in der Sache nichts geschehen sei. Das Bundesministerium der Verteidigung hat dies als (Untätigkeits-)Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und diesen dem Senat mit seiner Stellungnahme vom vorgelegt.
14Zur Begründung macht der Antragsteller geltend, dass auch nach seiner Beförderung zum Oberstabsfeldwebel ein Rechtsschutzbedürfnis fortbestehe. Bei einer Wiederholung der Auswahlentscheidung sei - auch im Hinblick auf die ebenfalls beförderte Beigeladene - davon auszugehen, dass die Organisationsgrundentscheidung "Aufsteiger und Querversetzung" getroffen würde, da die Beteiligten andernfalls nicht länger zum Kreis der zu betrachtenden Bewerber gehörten. Die erstmalige Bezugnahme des Bundesministeriums der Verteidigung auf historische Beurteilungen im Vorlageschreiben stelle einen Fall des Nachschiebens von Gründen dar, der im gerichtlichen Verfahren unzulässig sei. Die Beigeladene erfülle zwei "harte" Kriterien des als ausschlaggebend anzusehenden Anforderungsprofils des Bundesministeriums der Verteidigung nicht. Sie verfüge weder über einen aktuellen Sicherheitsbescheid noch einen aktuellen SLP 2221. Damit sei auch das erwünschte Kriterium eines höheren SLP als 2221 nicht erfüllt. Die Änderung des Anforderungsprofils des Bundesministeriums der Verteidigung in der Dokumentation des Bundesamts für das Personalmanagement erkläre sich nicht und sei rechtswidrig. Bei der Änderung sei das zunächst "harte" Kriterium des SLP 2221 trotz Tätigkeitsbezug nur noch als wünschenswert beschrieben worden. Hierdurch entstehe der Eindruck, dass das Anforderungsprofil auf die Person der ausgewählten Bewerberin zugeschnitten worden sei, um dem SGleiG Geltung zu verschaffen. Ein auf eine bestimmte Person zugeschnittenes Anforderungsprofil stelle kein rechtmäßiges Auswahlverfahren nach dem Grundsatz der Bestenauslese dar. Die Änderung des Anforderungsprofils hätte vielmehr zum Abbruch des Ausschreibungsverfahrens führen müssen. Die Dokumentationspflicht sei auch verletzt, weil die dokumentierte Auswahlentscheidung und deren Bekanntgabe keine Begründung enthielten. Lediglich in der Nominierung der Kandidaten durch das Bundesamt für das Personalmanagement finde sich ein Hinweis auf das SGleiG. Wie die Organisationsgrundentscheidung unterliege die Änderung des Anforderungsprofils einer Dokumentationspflicht. Eine solche Dokumentation oder ein Abbruchvermerk seien der Akte jedoch nicht zu entnehmen.
15Der Antragsteller beantragt,
unter Aufhebung der Auswahlentscheidung vom die Auswahlentscheidung für den Dienstposten ..., Bürosachbearbeiter Feldwebel, ..., neu zu treffen.
16Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
17Der Antrag sei unzulässig, weil der Antragsteller im Januar 2022 zum Oberstabsfeldwebel befördert worden sei und sich der Rechtsstreit dadurch erledigt habe. Zwar handele es sich um einen anderen Dienstposten als den angestrebten. Da diesem aber die Organisationsgrundentscheidung "Aufsteiger" zugrunde liege, wäre der Antragsteller in einem neuen Auswahlverfahren nicht mehr zu betrachten, so dass ihm das Rechtsschutzinteresse fehle. Darüber hinaus sei auch die materielle Entscheidung nicht zu beanstanden, weil aufgrund übereinstimmenden Leistungswerten in der aktuellen Beurteilung die Auswahl nach § 8 SGleiG zu Gunsten der Soldatin getroffen werden durfte. Die fehlende Sicherheitsüberprüfung sei nachholbar, weil diese nicht auf Vorrat, sondern nur im Zusammenhang mit einer konkret beabsichtigten Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit durchgeführt werde. Das vom Bundesministerium der Verteidigung übermittelte Anforderungsprofil sei durch das Bundesamt für das Personalmanagement noch vor der Auswahlentscheidung am zulässigerweise erweitert worden. Beide Kandidaten erfüllten hiernach ein weiches Kriterium nicht und stünden somit gleichauf. Nach § 8 SGleiG sei der Beigeladenen der Vorzug zu geben gewesen, weil bei 167 Dienstposten für Unteroffiziere mit Portepee im ... lediglich 10 Dienstposten, also ca. 6 Prozent, mit Soldatinnen besetzt seien und folglich eine Unterrepräsentanz im Sinne von § 4 Abs. 5 SGleiG vorliege.
18Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert.
19Mit Beschluss vom - 1 W-VR 8.21 - hat der Senat einen Antrag des Antragstellers abgelehnt, mit dem dieser begehrte, das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Versetzung der Beigeladenen auf den strittigen Dienstposten bis zu einer Entscheidung im vorliegenden Hauptsacheverfahren vorläufig rückgängig zu machen. Für eine solche Anordnung fehle ein Anordnungsgrund, weil der Antragsteller inzwischen selbst auf einen nach Besoldungsgruppe A 9 MZ dotierten Dienstposten versetzt und zum Oberstabsfeldwebel befördert worden sei; dies eröffne auch ihm die Möglichkeit, Erfahrungen bei der Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben zu sammeln und auf der A 9 MZ-Ebene beurteilt zu werden. Die weitere Verwendung der Beigeladenen auf dem strittigen Dienstposten könne deshalb ihm gegenüber keinen Vorsprung mehr begründen, der geeignet wäre, seinen Erfolg im Hauptsacheverfahren zu entwerten.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakten des Antragstellers und der Beigeladenen haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Gründe
21Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.
221. Der Antrag ist zulässig.
23a) Insbesondere hat sich der Rechtsstreit nicht dadurch erledigt, dass der strittige Dienstposten inzwischen mit der Beigeladenen besetzt und diese zum Oberstabsbootsmann befördert wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung nicht dahin, dass die durch sie begünstigte Soldatin eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihr zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; sie müsste es vielmehr hinnehmen, von dem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihr gegenüber rechtswidrig übergangen worden wäre (stRspr, vgl. z. B. 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 39 m. w. N.).
24b) Eine Erledigung des Rechtsstreits ist auch nicht dadurch eingetreten, dass der Antragsteller ebenfalls inzwischen auf einen nach Besoldungsgruppe A 9 MZ dotierten Dienstposten versetzt und zum Oberstabsfeldwebel befördert wurde. Der Konkurrentenstreit bezieht sich im wehrdienstgerichtlichen Verfahren nicht auf eine höherwertige Verwendung als solche oder auf eine entsprechende Beförderung, sondern im Sinne von § 3 Abs. 1 Alt. 2 SG auf die Verwendung auf einem konkreten Dienstposten, den der Antragsteller noch nicht erlangt hat, aber weiterhin anstrebt (vgl. 6 C 70.82 - BVerwGE 69, 83 <86>).
25c) Der Antragsteller ist hierfür aus seinem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG antragsbefugt. Dies gilt nicht nur für die Aufhebung der angefochtenen Auswahlentscheidung, sondern auch für die von ihm begehrte erneute Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (siehe unten II. 2. c).
262. Der Antrag ist begründet.
27Die Entscheidung des Unterabteilungsleiters ... im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr vom , den nach Besoldungsgruppe A 9 MZ (Oberstabsfeldwebel/Oberstabsbootsmann) bewerteten Dienstposten Bürosachbearbeiter Feldwebel beim ... in ... (DP-ID ...) mit der Beigeladenen zu besetzen, ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG). Die Auswahlentscheidung ist deshalb aufzuheben (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 1 WBO). Das Bundesministerium der Verteidigung ist verpflichtet, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO).
28a) Zugunsten des Antragstellers ist davon auszugehen, dass er fristgerecht Beschwerde gegen die Auswahlentscheidung vom erhoben hat, so dass diese nicht in Bestandskraft erwachsen ist.
29Gemäß § 6 Abs. 1 WBO darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer Nacht und muss innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Kenntnis vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt sind, aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt ( 1 WB 61.13 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 91 Rn. 32 m. w. N.). Anders als § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO, der den Beginn der gerichtlichen Antragsfrist an die Zustellung des zurückweisenden Beschwerdebescheids knüpft, setzt § 6 Abs. 1 WBO für den Beginn der Beschwerdefrist nur die tatsächliche, positive Kenntnis vom Beschwerdeanlass voraus. Etwas anderes gilt nur, wenn für eine truppendienstliche Maßnahme eine bestimmte Art der Bekanntgabe durch eine spezielle gesetzliche Regelung oder durch eine Verwaltungsvorschrift vorgeschrieben ist oder in ständiger Verwaltungspraxis durchgeführt wird; dann beginnt die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs erst mit dieser förmlichen Bekanntgabe zu laufen ( 1 WB 43.12 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 87 Rn. 30). Eine solche besondere Form der Bekanntgabe ist für die Mitteilung einer Auswahlentscheidung weder normativ noch durch Verwaltungsvorschrift vorgeschrieben.
30Dem Antragsteller wurde die Mitteilung darüber, dass er nicht für den Dienstposten ausgewählt wurde, mit E-Mail vom an sein persönliches dienstliches Postfach übersandt. Nachweislich Kenntnis vom Inhalt dieser E-Mail hatte er am , weil er an diesem Tag eine Nachfrage wegen der Gründe für die Bewerberauswahl an das Bundesamt für das Personalmanagement gerichtet hat. Gemessen an diesem Datum ist die Beschwerde des Antragstellers vom , eingegangen per Fax am selben Tag bei seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 WBO), innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist erfolgt.
31Eine frühere Kenntniserlangung, nach der die Einlegung der Beschwerde nicht mehr fristgemäß wäre, lässt sich nicht feststellen. Der Antragsteller hat zu der Frage, wann er die E-Mail vom tatsächlich geöffnet und deren Inhalt zur Kenntnis genommen habe, in einer dienstlichen Erklärung (vom ) ausgeführt, dass er sich hieran nicht mehr genau erinnern könne. Er habe sich vom 21. bis im Urlaub befunden. In der ersten Novemberwoche sei er wegen auswärtiger Geschäfte jeweils nur wenige Stunden im Büro gewesen. Er habe neben seinem persönlichen Postfach vier weitere elektronische Briefkästen für über 2 000 zu betreuende Kunden im Auge zu behalten. Nach einigen Tagen Urlaub sei der Posteingang sehr unübersichtlich, wobei er grundsätzlich erst die dienstlichen Belange abarbeite.
32Diese Erklärungen erscheinen nach dem ebenfalls vorgelegten Buchungsjournal für die Arbeitszeit plausibel. Danach war der Antragsteller am , dem ersten Werktag nach seinem Urlaub, tatsächlich nur für knapp drei Stunden an seinem Arbeitsplatz eingebucht; eine Kenntnisnahme bereits an diesem Tag kann ihm angesichts der geschilderten Umstände nicht unterstellt werden. Selbst wenn der Antragsteller bereits am folgenden Tag, dem , die E-Mail mit der Mitteilung der Auswahlentscheidung geöffnet hätte, hätte seine am eingelegte Beschwerde die Monatsfrist gewahrt (§ 188 Abs. 2 Alt. 1 i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB).
33b) Die Auswahlentscheidung vom ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch.
34aa) Nach der Rechtsprechung zu beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten um Beförderungsämter folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG ein Bewerbungsverfahrensanspruch, der Bewerbern um ein öffentliches Amt ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung in die Bewerberauswahl gibt; die Bewerbung darf nur aus Gründen abgelehnt werden, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (vgl. 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <102>). § 3 Abs. 1 SG übernimmt die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG in das Dienstverhältnis der Soldaten und erstreckt sie über Ernennungen hinaus auf Verwendungsentscheidungen. Der Senat hat deshalb einen dem Beamtenrecht entsprechenden Bewerbungsverfahrensanspruch auch für soldatenrechtliche Konkurrenzverhältnisse anerkannt (vgl. z. B. 1 WB 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 40 m. w. N.). Allerdings beschränkt sich die Geltung des Grundsatzes der Bestenauslese im Bereich der Verwendungsentscheidungen auf Entscheidungen über höherwertige, die Beförderung in einen höheren Dienstgrad oder die Einweisung in die Planstelle einer höheren Besoldungsgruppe vorprägende Verwendungen (vgl. klarstellend 1 WB 1.13 - Buchholz 449.2 § 6 SLV 2002 Nr. 6 Rn. 32).
35Bei einem freien und besetzbaren Dienstposten liegt es im Organisationsermessen des Dienstherrn, wie er die Art des Dienstpostens bestimmt (vgl. zum gesamten Folgenden BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 44.16 und 1 WB 45.16 - juris Rn. 29 und vom - 1 WB 3.18 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 92 Rn. 31). Der Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG wird nicht verletzt, wenn für die Besetzung des Dienstpostens bestimmte dienstrechtliche und/oder haushaltsrechtliche Voraussetzungen aufgestellt sind ( 1 WDS-VR 7.11 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 64 Rn. 31 m. w. N.). Der Dienstherr ist insbesondere berechtigt, im Einzelnen die Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung in Bezug auf den Aufgabenbereich des Dienstpostens im Vorfeld einer Auswahlentscheidung in einem Anforderungsprofil zu konkretisieren; insofern muss der Inhalt dieses Anforderungsprofils mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar sein (vgl. - NVwZ 2012, 368 Rn. 15; 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 19). Dabei fällt die Entscheidung darüber, welchen "Zuschnitt" ein Dienstposten haben soll, welche Zuständigkeiten ihm im Einzelnen zugewiesen sind und welche Fachkenntnisse zur Erfüllung der Aufgaben auf dem Dienstposten erforderlich sind, in das Organisationsermessen des Dienstherrn, das hinsichtlich der Maßgaben militärischer Zweckmäßigkeit nicht, im Übrigen nur auf sachfremde Erwägungen gerichtlich überprüfbar ist ( 2 A 9.07 - BVerwGE 132, 110 Rn. 54 sowie vom - 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 18 und Beschluss vom - 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 Rn. 42). Festlegungen des Anforderungsprofils oder einer Aufgabenbeschreibung für den Dienstposten entfalten Bindungswirkung für die Festlegung und Gewichtung der Leistungsmerkmale im Auswahlverfahren; ob die zuständige Stelle ihre Auswahlentscheidung an dem Anforderungsprofil bzw. an der Aufgabenbeschreibung ausgerichtet hat, ist gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar (stRspr, z. B. 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <61> und Beschluss vom - 1 WB 44.11 - juris Rn. 30).
36Aus Art. 33 Abs. 2 i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt schließlich die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle durch den unterlegenen Bewerber und ggf. durch das Gericht zu ermöglichen (vgl. - NVwZ 2007, 1178 <1179>). Dem folgend hat der Senat eine entsprechende Verpflichtung zur Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen auch für Entscheidungen angenommen, die ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige militärische Verwendung betreffen (vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 50 und vom - 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 36). Zur Dokumentation verpflichtet ist dabei primär die Stelle, die für die zu treffende Auswahlentscheidung zuständig ist (vgl. 1 WB 36.09 - beck-online Rn. 27). Im Hinblick auf die in § 13 WBO verankerte umfassende Kontroll- und Abänderungskompetenz kann die gemäß § 9 Abs. 1 WBO zuständige Beschwerdestelle eine fehlende Dokumentation der Auswahlerwägungen nachholen oder eine vorhandene Dokumentation der Ausgangsentscheidung ändern, ergänzen oder inhaltlich fortschreiben (BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 41.16 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 87 Rn. 31, vom - 1 WB 1.17 - juris Rn. 23 und vom - 1 WDS-VR 4.19 - juris Rn. 29). Eine erst im gerichtlichen Verfahren nachträglich gegebene Begründung der Auswahlentscheidung kann jedoch nicht berücksichtigt werden (vgl. insb. 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 45 f. m. w. N.).
37bb) Die Dokumentationspflicht ist mit den folgenden Maßgaben erfüllt.
38Das Bundesamt für das Personalmanagement hat für die Besetzung des hier gegenständlichen Dienstpostens unter dem eine in den Akten nachgewiesene Organisationsgrundentscheidung für einen Leistungswettbewerb unter Förderungsbewerbern getroffen.
39Der für die Auswahlentscheidung zuständige und damit primär dokumentationspflichtige Unterabteilungsleiter ... des Bundesamts für das Personalmanagement hat sich mit der digitalen Unterzeichnung des Dokumentationsbogens vom dessen Inhalt zu eigen gemacht und damit diejenigen Erwägungen fixiert, die der gerichtlichen Kontrolle der Auswahlentscheidung zugrunde zu legen sind. In die gerichtliche Kontrolle einbezogen werden können auch der Dokumentationsbogen vom und das zwischengeschaltete "Akzeptanzverfahren" mit dem Bundesministerium der Verteidigung (...), weil die Dokumentation vom sich hierauf bezieht und die entsprechenden Unterlagen in der Verfahrensakte enthalten sind. Keine Berücksichtigung können dagegen die erst im gerichtlichen Verfahren nachgeschobenen Erwägungen finden.
40cc) Danach ist zunächst die Fassung des Anforderungsprofils und die Einschätzung, dass sowohl der Antragsteller als auch die Beigeladene - ebenso wie fünf weitere Bewerber - dessen zwingende Voraussetzungen erfüllen, nicht zu beanstanden.
41(1) Für die Festlegung der Anforderungskriterien war die Personalführung zuständig. Sie hatte sich dabei an den Aufgaben des Dienstpostens zu orientieren, war jedoch nicht verpflichtet, die Qualifikationserfordernisse, die in dem vom Bundesministerium der Verteidigung übermittelten "Dienstpostenanforderungsprofil ..." aufgelistet sind, unverändert zu übernehmen. Die Herabstufung des geforderten Standardisierten Leistungsprofils (SLP) Englisch 2221 von einem zwingenden ("harten") zu einem wünschenswerten Kriterium überschreitet nicht das Organisationsermessen bei der Festlegung der Anforderungen für Bewerber um den hier strittigen Bürosachbearbeiter-Dienstposten. Dass die Beigeladene dieses nur wünschenswerte Kriterium nicht erfüllt, steht ihrer grundsätzlichen Eignung für den Dienstposten deshalb nicht entgegen.
42(2) Ebenso ist unschädlich, dass die Beigeladene - anders als der Antragsteller - im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung noch nicht über die zwingend geforderte erweiterte Sicherheitsüberprüfung Ü 2/erweiterter Sabotageschutz verfügte. Das Bundesamt für das Personalmanagement durfte diese Voraussetzung als nachholbar behandeln (vgl. 1 WB 71.19 - juris Rn. 37). Sicherheitsüberprüfungen werden nicht "auf Vorrat", sondern nur im Zusammenhang mit der konkret beabsichtigten Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit durchgeführt (vgl. 1 WB 35.15 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 30 Rn. 25). Nur wenn von vornherein absehbar ist, dass die Überprüfung mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos in der Person des auszuwählenden Bewerbers abgeschlossen würde, wäre dies bereits bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen; ein solcher Fall lag hier jedoch nicht vor.
43(3) Beide Bewerber erfüllen schließlich - unstrittig - das Anforderungskriterium einer Vorverwendung im Bereich Stabsdienst.
44dd) Der Unterabteilungsleiter durfte ferner den Antragsteller und die Beigeladene als im Wesentlichen gleich leistungsstark einschätzen.
45(1) Werden - wie hier - mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht, so haben - in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeutung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 55 und vom - 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 Rn. 42; für das Beamtenrecht Urteil vom - 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <61>). Zur Ermittlung des Leistungsstands konkurrierender Bewerber ist dabei in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen abzustellen, weshalb der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt; zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität ist es darüber hinaus zulässig, in die Auswahlentscheidung auch frühere Beurteilungen bis zu den beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen.
46(2) Nicht zu beanstanden ist danach die in einem ersten Schritt vorgenommene Leistungsreihung nach den zum Auswahlzeitpunkt aktuellsten planmäßigen Beurteilungen 2018, in der der Antragsteller und die Beigeladene - nach der erstplatzierten Stabsfeldwebel E. ("8,78") - mit gleichen Durchschnittswerten der Aufgabenerfüllung von jeweils "8,57" auf den zweiten und dritten Rang platziert wurden.
47(3) Nicht geboten, aber zulässig war es ferner, die vier Erstplatzierten (die Genannten sowie Stabsfeldwebel P. mit einem Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von "8,50") als im Wesentlichen gleich leistungsstark einzuschätzen und die übrigen Bewerber aus der weiteren Betrachtung auszuklammern.
48Nach der Rechtsprechung des Senats können beim Vergleich der dienstlichen Beurteilungen Leistungsbewertungen als "im Wesentlichen gleich" eingestuft werden, wenn sie im selben Wertungsbereich (§ 2 Abs. 5 und 6 SLV in der hier maßgeblichen Fassung vom <BGBl. I S. 2011, 1813>, zuletzt geändert durch Gesetz vom <BGBl. I S. 1147> sowie Nr. 610 Buchst. b ZDv A-1340/50) liegen und sich der Unterschied der Bewertungen (Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung) in einem begrenzten Rahmen hält, was der Senat für eine Differenz von 0,3 Punkten auf der neunstufigen Punkteskala bejaht hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 60.11 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 65 LS 1 und Rn. 49 ff. und vom - 1 WB 77.19 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 103 Rn. 25). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
49(4) Soweit in einem "weiteren Vergleich" auch die Leistungswerte der planmäßigen Beurteilungen 2016 und 2014 berücksichtigt wurden, ist dies nach dem Gesagten ebenfalls zulässig. Die Bewertung, dass es danach bei der Einschätzung als "im Wesentlichen gleich leistungsstark" verbleibt, überschreitet nicht den Beurteilungsspielraum.
50ee) Rechtlich fehlerhaft ist jedoch das weitere Vorgehen und die auf diese Weise getroffene materielle Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen.
51(1) Zu beanstanden ist zunächst, dass der Eignungs- und Leistungsvergleich unter den verbliebenen vier Bewerbern nicht in der nach dem Leistungsprinzip gebotenen Weise weitergeführt und abgeschlossen wurde.
52Sind mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann im Rahmen sachgerechter Erwägungen auch sonstigen sachlichen Gesichtspunkten ein (gegebenenfalls) entscheidendes Gewicht für die Auswahl beigemessen werden, sofern dadurch das Gebot der Auswahl nach Eignung, Befähigung und Leistung nicht in Frage gestellt wird (stRspr, vgl. 1 WB 59.10 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 60 Rn. 31 m. w. N.). In diesem Rahmen kommt nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 77.19 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 103 Rn. 33 f. und vom - 1 WB 34.21 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 114 Rn. 38 f.) den im Anforderungsprofil als "erwünscht" oder "wünschenswert" bezeichneten Kriterien eine besondere Bedeutung zu. Auch bei ihnen handelt es sich um Festlegungen, die das Auswahlverfahren durch die Personalführung verbindlich steuern sollen und nicht zu deren Disposition stehen. Ob ein Bewerber über eine (nur) "erwünschte" oder "wünschenswerte" Qualifikation verfügt oder nicht, ist zwar für den ersten Schritt des Auswahlverfahrens - der Eingrenzung des Felds grundsätzlich geeigneter Bewerber anhand der zwingenden Anforderungskriterien - irrelevant. Von Bedeutung sind "erwünschte" bzw. "wünschenswerte" Qualifikationen jedoch auf der hier in Rede stehenden Ebene des Vergleichs zwischen zwei oder mehreren grundsätzlich geeigneten und (im Wesentlichen) gleichermaßen leistungsstarken Bewerbern. Hier folgt aus der entsprechenden Festlegung im Anforderungsprofil, dass den "erwünschten" oder "wünschenswerten" Qualifikationen gegenüber anderen Gesichtspunkten ein deutlich gesteigertes Gewicht bei der Bestimmung des am besten geeigneten Bewerbers zukommt. "Erwünscht" oder "wünschenswert" bedeutet zwar auch auf dieser Ebene des Eignungsvergleichs nicht in einem schematischen Sinne "zwingend" oder "unmittelbar ausschlaggebend". Jedoch bedarf es triftiger Gründe, wenn ein Bewerber, der ein oder ggf. mehrere "erwünschte" oder "wünschenswerte" Kriterien erfüllt, übergangen und stattdessen ein Bewerber ausgewählt werden soll, der über keine oder über weniger der "erwünschten" oder "wünschenswerten" Qualifikationen verfügt ( 1 WB 77.19 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 103 Rn. 33 f.).
53Das der Auswahlentscheidung zugrunde gelegte Anforderungsprofil nennt als wünschenswerte Kriterien die "Erfahrung auf Ebene höhere Kommandobehörde/Amt" und ein "Englisch SLP 2221". Diese wünschenswerten Kriterien haben indes in den dokumentierten Auswahlerwägungen keinerlei Berücksichtigung gefunden. Erst im gerichtlichen Verfahren hat das Bundesministerium der Verteidigung geltend gemacht, dass sowohl der Antragsteller als auch die Beigeladene zwar nicht beide, aber jeweils ein "weiches Kriterium" erfüllten und insoweit gleichauf stünden; diese nachträglich gegebene Begründung kann nach dem Gesagten jedoch nicht berücksichtigt werden. Unabhängig davon hätte sich die Prüfung der wünschenswerten Kriterien schon im Auswahlverfahren auf alle im Wesentlichen gleich leistungsstarken Bewerber, also auch auf die Stabsfeldwebel E. und P., erstrecken müssen; sofern dabei ein Bewerber beide wünschenswerten Kriterien erfüllt hätte, wäre dies mit deutlichem Gewicht in die Auswahlerwägungen einzustellen gewesen.
54(2) Die Ausschöpfung des Eignungs- und Leistungsvergleichs unter Einbezug der wünschenswerten Kriterien war auch nicht im Hinblick auf Gesichtspunkte der Förderung von Soldatinnen nach dem Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz entbehrlich.
55Gemäß § 8 Satz 1 SGleiG sind Frauen, soweit sie in einzelnen Bereichen unterrepräsentiert sind (§ 4 Abs. 2 und 5 SGleiG), beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei förderlichen Verwendungsentscheidungen (§ 8 Satz 2 SGleiG), bei gleicher Qualifikation bevorzugt zu berücksichtigen. Der Begriff der Qualifikation im Sinne des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes ist dabei gemäß § 4 Abs. 4 SGleiG gleichbedeutend mit den Begriffen der Eignung, Befähigung und Leistung im Sinne des Grundsatzes der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG). Das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer "gleichen Qualifikation" kann deshalb erst nach der vollständigen Durchführung des Eignungs- und Leistungsvergleichs anhand der vorstehend dargelegten Grundsätze, das heißt ggf. einschließlich eines dokumentierten Vergleichs der (im Wesentlichen) gleich leistungsstarken Bewerber anhand der "erwünschten" bzw. "wünschenswerten" Kriterien des Anforderungsprofils, festgestellt werden. Erst nach der Ausschöpfung des nach dem Grundsatz der Bestenauslese Gebotenen können im Verhältnis von gleich qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern die gesetzlichen Instrumente der Frauenförderung zur Anwendung kommen.
56(3) Rechtlich fehlerhaft ist schließlich, dass die Auswahl der Beigeladenen ausschlaggebend auf die "Akzeptanz" dieser Bewerberin durch das Bundesministerium der Verteidigung (...) gestützt wurde.
57Nach dem eben Gesagten ist bereits im Ausgangspunkt zu beanstanden, dass das Bundesamt für das Personalmanagement - anstatt den Eignungs- und Leistungsvergleich nach dem Grundsatz der Bestenauslese abzuschließen - die vier in die engere Wahl gezogenen Kandidaten gegenüber dem Bundesministerium der Verteidigung "nominiert" und dabei unter Gleichstellungsgesichtspunkten die beiden weiblichen Bewerber, die Beigeladene und StFw E., "für die Besetzung priorisiert" hat.
58Fehlerhaft ist weiter, dass das Bundesamt für das Personalmanagement im Zuge dieser Nominierung - ausweislich des Dokumentationsbogens vom - die "Akzeptanz seitens des Bundesministeriums der Verteidigung" als "ein entscheidendes Kriterium" im weiteren Vergleich eingeführt hat. Dieses Kriterium findet sich nicht in den zwingenden oder wünschenswerten Kriterien des Anforderungsprofils. Die "Akzeptanz" durch die übergeordnete Personalführung als solche stellt darüber hinaus grundsätzlich kein Eignungs- und Leistungskriterium dar. Soweit im Einzelfall, etwa bei der Besetzung besonderer Vertrauensstellungen, die künftige Dienststelle an der Auswahl nach Eignung, Befähigung und Leistung beteiligt werden soll, besteht die Möglichkeit, deren Vertreter bei einem den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Vorstellungsgespräch zu beteiligen. Die dabei gewonnenen Eindrücke können, sofern sie ordnungsgemäß dokumentiert sind, bei der Bestenauslese berücksichtigt werden (vgl. 2 A 1.02 - Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 55). Dem steht ein intransparentes und nicht dokumentiertes Akzeptanzverfahren nicht gleich.
59Materiell rechtswidrig ist deshalb schließlich die Entscheidung des zuständigen Unterabteilungsleiters, dass die Beigeladene "in der Gesamtbetrachtung" für die Besetzung des Dienstpostens ausgewählt werde. Diese "Gesamtbetrachtung" stützt sich nach dem Dokumentationsbogen allein auf die Rückmeldung des Bundesministeriums der Verteidigung, dass die Beigeladene für die Besetzung des Dienstpostens akzeptiert werde. Der Unterabteilungsleiter hat sich damit - ohne weitere dokumentierte Auswahlerwägungen - den fehlerhaften, weil nicht dem Grundsatz der Bestenauslese entsprechenden Vorschlag des Bundesministeriums der Verteidigung zu eigen gemacht.
60c) Das Bundesministerium der Verteidigung ist daher verpflichtet, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der obigen Grundsätze neu zu entscheiden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO). Dabei kann dem Antragsteller in einem erneuten Auswahlverfahren nach dem Grundsatz der Bestenauslese nicht entgegengehalten werden, dass er bereits auf einem Dienstposten der Ebene A 9 MZ (Oberstabsfeldwebel) verwendet wird und es deshalb für ihn nicht mehr um eine höherwertige Verwendung geht. Der Antragsteller hat unter dem Blickwinkel der Folgenbeseitigung einen Anspruch auf Teilnahme an dem erneuten Auswahlverfahren.
61aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (grdl. 1 WB 124.70 - BVerwGE 46, 283 <286>; vgl. ferner z. B. Beschlüsse vom - 1 WB 54.05 - Buchholz 450.1 § 13 WBO Nr. 1 Rn. 24 und vom - 1 WB 47.12 - juris Rn. 44, jeweils m. w. N.) kann auch im Wehrbeschwerdeverfahren in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO ein Folgenbeseitigungsanspruch geltend gemacht werden. Die analoge Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Antragsverfahren nach § 17 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) korrespondiert mit der für das vorgerichtliche Wehrbeschwerdeverfahren ausdrücklich in § 13 Abs. 1 Satz 1 WBO vorgesehenen Möglichkeit der Folgenbeseitigung; diese Norm bestimmt, dass einer begründeten Beschwerde nicht nur stattzugeben, sondern zusätzlich "für Abhilfe zu sorgen" ist, dass also eine Folgenbeseitigung über die Aufhebung der belastenden Maßnahme hinaus stattfinden soll.
62bb) Für den Antragsteller bedeutet dies, dass - über die Aufhebung der rechtswidrigen Auswahlentscheidung vom hinaus - soweit wie möglich diejenigen Hindernisse zu beseitigen sind, die seiner Teilnahme an einem erneuten Auswahlverfahren entgegenstehen könnten, damit sein Erfolg im vorliegenden Konkurrentenstreit für ihn nicht letztlich nutzlos bleibt.
63Eine solche Abhilfe kommt hier auch rechtlich in Betracht. Denn der Dienstherr ist nicht darauf beschränkt, einen Dienstposten entweder im Wege des Leistungswettbewerbs zwischen Aufstiegsbewerbern oder aber im Wege der sog. Querversetzung zu besetzen. Der Dienstherr kann sein Ermessen bei der das Auswahlverfahren steuernden Organisationsgrundentscheidung auch dahin ausüben, sowohl Bewerber, für die der Dienstposten eine höherwertige Verwendung bedeuten würde, als auch Bewerber, die bereits einen entsprechend bewerteten Dienstposten innehaben, in das Auswahlverfahren einzubeziehen, wobei er dann verpflichtet ist, alle Bewerber gleichermaßen nach dem Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG) zu beurteilen (vgl. 1 WB 40.21 - BVerwGE 175, 53 Rn. 23 m. w. N.). Ein "gemischtes" Feld von Förderungs- und Versetzungsbewerbern bei der Dienstpostenbesetzung ist also dem Soldatenrecht nicht fremd.
64Als weitere Rechtsfolge seines erfolgreichen Antrags auf Aufhebung der ursprünglichen Auswahlentscheidung ist der Antragsteller deshalb berechtigt, im Wege der Folgenbeseitigung auch als Versetzungsbewerber an der erneuten Durchführung des Auswahlverfahrens nach dem Grundsatz der Bestenauslese teilzunehmen. Das gleiche gilt für die Beigeladene als weitere Beteiligte des vorliegenden Konkurrentenstreits (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 63 Nr. 3, § 65 Abs. 2 und § 121 Nr. 1 VwGO). Zu einer darüberhinausgehenden Öffnung des Bewerberfelds ist das Bundesministerium der Verteidigung aus diesem Beschluss nicht verpflichtet.
653. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO. Die Beigeladene, die keinen eigenen Antrag gestellt hat, trägt die ihr in diesem Verfahren entstandenen Aufwendungen selbst.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:250523B1WB25.22.0
Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 10 Nr. 43
OAAAJ-48410