Veruntreuende Unterschlagung: Konkurrenzverhältnis bei Gewahrsamserlangung durch Betrug
Gesetze: § 246 Abs 2 StGB, § 263 Abs 1 StGB
Instanzenzug: Az: 527 KLs 5/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen veruntreuender Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der auf veruntreuende Unterschlagung lautende Schuldspruch war dahin zu berichtigen, dass der Angeklagte des Betruges schuldig ist.
3a) Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4Am traf sich der Angeklagte in Begleitung eines unbekannt gebliebenen Begleiters mit dem Geschädigten vor einem Juwelierladen. Sie begaben sich gemeinsam zu einem nahe gelegenen Spätkauf. Dort nahm der Angeklagte in Umsetzung seines auf rechtswidrige Bereicherung ausgerichteten Tatplanes unter dem Vorwand, sie beim Juwelier mit einem Spezialschlüssel öffnen lassen zu wollen, eine von dem Geschädigten zum Verkauf angebotene Armbanduhr im Wert von 9.000 Euro an sich und entfernte sich mit der Uhr. Dabei ließ der Angeklagte den Geschädigten in dem Glauben, dass zwischen ihnen Einvernehmen darüber bestünde, dass der Angeklagte die Uhr nur zur vorübergehenden Ansicht und zur Öffnung durch den Juwelier an sich nehmen würde und dass er sie – sollte das Geschäft daraufhin nicht zustande kommen – umgehend zurückgeben würde. Wie von Anfang an beabsichtigt, brachte er die Uhr nicht zurück, sondern verwendete sie für seine Zwecke. Der Begleiter des Angeklagten blieb zunächst beim Geschädigten sitzen, entfernte sich dann aber ebenfalls.
5b) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen rechtfertigen eine Verurteilung wegen Betruges, denn sie belegen, dass der Geschädigte aufgrund einer freien, nur durch täuschungsbedingten Irrtum beeinflussten Entschließung seinen Gewahrsam an der Uhr auf den Angeklagten übertrug (vgl. , BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensverfügung 1). Der Angeklagte nahm die Uhr des Geschädigten an sich und entfernte sich damit, nachdem er ihn über seinen Willen und seine Bereitschaft getäuscht hatte, die Uhr nach Öffnung des Gehäuses durch den benachbarten Juwelier sofort zurückzugeben. Da der Geschädigte willentlich duldete, dass sich der Angeklagte mit der Uhr außer Sichtweite begab, geschah der hierin liegende Gewahrsamswechsel vollständig im Einverständnis des Geschädigten, der auf diese Weise bewusst und unmittelbar vermögensmindernd verfügte (zum Erfordernis eines Verfügungsbewusstseins beim Sachbetrug vgl. nur Fischer, StGB, 70. Aufl., § 263 Rn. 74 mwN). Auch der entsprechende Vorsatz des Angeklagten sowie die durch § 263 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Absicht rechtswidriger Bereicherung gehen aus den getroffenen Feststellungen hervor.
6Entgegen der Revision decken die Feststellungen zwar auch die tatbestandlichen Voraussetzungen einer veruntreuenden Unterschlagung ab (vgl. Zuschrift des Generalbundesanwalts). Da der Angeklagte den Gewahrsam an der Uhr aber bereits durch die Betrugstat erlangt hatte, tritt die in der Manifestation der Zueignung liegende nachfolgende Unterschlagung dahinter zurück (vgl. LK/Brodowski, StGB, 13. Aufl., § 246 Rn. 76; Fischer, aaO, § 246 Rn. 24). Ein Schuldspruch auch wegen veruntreuender Unterschlagung scheidet daher aus.
7c) Der Senat kann den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst ändern. Insbesondere hat das Landgericht vollständige und tragfähige Urteilsfeststellungen getroffen (vgl. ; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 354 Rn.15). Die Regelung des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der Angeklagte auch gegen den modifizierten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
8d) Der Strafausspruch bleibt von der Änderung unberührt. Denn der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung der Tat eine niedrigere Strafe verhängt hätte. Der vom Landgericht zugrunde gelegte Strafrahmen des § 246 Abs. 2 StGB entspricht demjenigen des § 263 Abs. 1 StGB; auch das zugrunde gelegte Tatbild bleibt unverändert (vgl. , NStZ 1996, 507, 508; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 354 Rn. 18; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO Rn. 18, 19). Infrage gestellt wird die Zumessungsentscheidung auch nicht dadurch, dass die Strafkammer die „trickreiche und planvolle Vorgehensweise“ des Angeklagten strafschärfend gewertet hat. Denn damit wurde nicht etwa die durch § 263 StGB bereits als Tathandlung vorausgesetzte Täuschung als solche gesondert berücksichtigt. Die Erwägung zielt vielmehr auf das Maß der dabei aufgewandten kriminellen Energie, welches im gut vorbereiteten und koordinierten Vorgehen des Angeklagten und des weiteren Tatbeteiligten zum Ausdruck kommt.
92. Zum Zweck der Kompensation ist festzustellen, dass nach Erlass des angefochtenen Urteils eine der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung eingetreten ist.
10Nach Eingang der Revisionsbegründung am verfügte der Vorsitzende der Strafkammer am die Versendung der Akten an die Staatsanwaltschaft zur Übermittlung an den Generalbundesanwalt. Ausweislich seines Vermerks vom wurden die Akten aber erst an diesem Tag dem für die Fertigung der Revisionsvorlage zuständigen Staatsanwalt vorgelegt, nachdem sie dank einer Sachstandsanfrage des Vorsitzenden in einem Geschäftsstellenzimmer der Staatsanwaltschaft aufgefunden worden waren. Ein sachlicher Grund für diese Verzögerung ist den Akten nicht zu entnehmen und auch sonst nicht erkennbar. Die Akten wurden sodann noch am selben Tag mit der Revisionsvorlage an den Generalbundesanwalt versandt, wo sie am eingingen. Dort wurde am der Vorprüfungsbericht erstellt. Die Akten wurden bereits drei Tage später mit der gefertigten Zuschrift an den Senat versandt, wo sie am folgenden Tag eintrafen.
11Die nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetretene Verfahrensverzögerung von zehn Monaten ist auf die Sachrüge hin von Amts wegen zu berücksichtigen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 617/16; vom – 4 StR 391/14, wistra 2015, 241, 242). Zur Kompensation genügt hier deren Anerkennung durch eine entsprechende Feststellung (vgl. Rn. 38, 56, BGHSt 52, 124; EGMR, Urteil vom – 64387/01 Rn. 39, StV 2005, 475). Denn angesichts der Umstände (vgl. zu den maßgeblichen Kriterien nur ), insbesondere der Dauer der Verzögerung und der anzunehmenden Auswirkungen für einen keinem Haftbefehl unterliegenden und durch die angefochtene Entscheidung zu einer Bewährungsstrafe verurteilten Angeklagten ist ein Vollstreckungsabschlag nicht geboten. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass das Ausmaß der Verzögerung durch die ausgesprochen zügige Bearbeitung der Revisionssache beim Generalbundesanwalt deutlich gemildert worden ist.
123. Angesichts des geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:170823B5STR349.23.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-47737