BGH Beschluss v. - 4 StR 31/23

Gesetze: § 66 Abs 2 StGB, § 66 Abs 3 StGB

Instanzenzug: Az: 10 KLs 5/22

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und den Angeklagten Z.          zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und den Angeklagten M.        zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten Z.         hat es zudem die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet und ein Mobiltelefon eingezogen. Zudem hat es festgestellt, „dass die Angeklagten verpflichtet sind, dem Nebenkläger        K.  sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Nebenkläger aus der Straftat vom / in I.      bereits entstanden sind und noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.“ Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten erzielen den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet, § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die auf § 66 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 1a StGB gestützte Anordnung der Unterbringung des Angeklagten Z.        in der Sicherungsverwahrung kann keinen Bestand haben. Denn die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, dass die Strafkammer das ihr eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.

3a) Die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 und 3 StGB steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Dieser hat die Möglichkeit, sich trotz Vorliegens der formellen und materiellen Voraussetzungen gegen die Anordnung einer Sicherungsverwahrung zu entscheiden. Dieses Ermessen muss tatsächlich ausgeübt werden (vgl. ; Beschluss vom – 3 StR 235/19, NStZ-RR 2019, 386, 387 f. [zu § 7 Abs. 2 JGG]; Urteil vom – 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172; Beschluss vom ‒ 5 StR 351/09; Beschluss vom – 3 StR 251/03, NStZ-RR 2004, 12 [jeweils zu § 66 Abs. 2 und 3 StGB]; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 66b Rn. 24). Um dem Revisionsgericht eine Nachprüfung der Ermessensausübung zu ermöglichen, müssen die Urteilsgründe nicht nur erkennen lassen, dass sich der Tatrichter seiner Entscheidungsbefugnis insoweit bewusst war. Vielmehr muss auch nachvollziehbar dargelegt werden, aus welchen Gründen von diesem Ermessen in einer bestimmten Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. ‒ 4 StR 87/11 mwN).

4b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Eine Ermessensausübung durch die Strafkammer vermag der Senat den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

5Die Urteilsausführungen beschränken sich darauf, die formellen und materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung festzustellen. Ihnen ist, auch in ihrer Gesamtschau, nicht zu entnehmen, dass die Strafkammer ihr Ermessen auf Rechtsfolgenseite überhaupt betätigt hat.

6Soweit die Strafkammer im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Hanges i.S.d. § 66 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB ausführt, dass sie „im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens nach nochmaliger eigener kritischer Prüfung und Abwägung der für und gegen die Annahme eines Hangs zur Begehung gefährlicher Straftaten sprechenden Umstände (…)“ der Einordnung der Sachverständigen folge, liegt in dieser für sich genommen rechtlich bedenklichen Erwägung keine Ermessensausübung auf Rechtsfolgenseite i.S.d. § 66 Abs. 3 StGB.

7Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie den bestehenden nicht widersprechen.

82. Der Adhäsionsausspruch war bei beiden Angeklagten dahingehend zu berichtigen, dass die Ersatzpflicht auf zukünftig entstehende Schäden beschränkt ist. Dies entspricht sowohl dem Adhäsionsantrag, als auch dem darauf bezogenen Anerkenntnis der Angeklagten.

93. Die weitergehende Prüfung des Urteils auf die Revisionen der Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben. Insbesondere hat der Strafausspruch betreffend den Angeklagten Z.          bestand. Der Senat kann vorliegend angesichts des sich insgesamt über mindestens sechs Stunden hinziehenden Tatgeschehens, der tateinheitlichen Verwirklichung von § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 und 2, Abs. 6 Nr. 1 und 2, Abs. 8 Nr. 1 und 2a und von § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB sowie des festgestellten einschlägigen erheblichen kriminellen Vorlebens des Angeklagten Z.           jedenfalls ausschließen (vgl. , juris Rn. 4 ff.), dass die Strafkammer ohne die Anordnung der Sicherungsverwahrung auf eine mildere Strafe erkannt hätte (vgl. BGH, aaO Rn. 8).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:200623B4STR31.23.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-47733