Beschwer eines Beschuldigten durch Bestellung eines Pflichtverteidigers
Gesetze: § 140 Abs 1 StPO, § 142 Abs 5 S 1 StPO, § 142 Abs 5 S 3 StPO, § 144 Abs 1 StPO
Gründe
I.
1Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat jeweils mit Beschluss vom dem Beschuldigten gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 1 StPO Rechtsanwalt A. und einen weiteren Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Mit Schreiben vom hat der Beschuldigte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, da er andernfalls nicht in der Lage sei, fristgerecht zu dieser Entscheidung Stellung nehmen zu können. Weiter hat er vorgetragen, er habe seine Zustimmung zur Beiordnung von Rechtsanwalt A. in der irrigen Annahme erteilt, die Pflichtverteidigerkosten würden von der Staatskasse getragen.
II.
21. Das Begehr ist analog § 300 StPO dahin auszulegen, dass der Beschuldigte neben seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des eingelegt hat, weil dieses Rechtsmittel gemäß § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO statthaft und offensichtlich bezweckt ist (vgl. , juris Rn. 6).
32. Der Wiedereinsetzungsantrag ist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend dargelegten Gründen unzulässig, weil der Beschuldigte entgegen § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO das fehlende Verschulden an der Fristversäumnis nicht glaubhaft gemacht hat.
43. Die sofortige Beschwerde ist wegen Versäumung der Beschwerdefrist unzulässig. Das Rechtsmittel ist binnen einer Woche ab Bekanntmachung der Entscheidung einzulegen (§ 311 Abs. 2 StPO). Der angefochtene Beschluss ist Rechtsanwalt A. am und dem Beschuldigten am zugestellt worden. Somit endete gemäß § 37 Abs. 2, § 43 Abs. 1 StPO die Beschwerdefrist am . Die Beschwerdeschrift ist jedoch erst am und damit verspätet beim Bundesgerichtshof eingegangen.
5Ungeachtet dessen ist das Rechtsmittel auch mangels Beschwer unzulässig. Denn durch die Bestellung eines Pflichtverteidigers als solche ist ein Beschuldigter im Regelfall nicht beschwert; er kann diese daher grundsätzlich nicht anfechten (vgl. , NJW 1998, 2205; BGH, Beschlüsse vom - StB 51/22, NStZ 2023, 115 Rn. 4 mwN; vom - StB 21/23, juris Rn. 2). Das in Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK gewährleistete Recht auf Selbstverteidigung wird durch eine Pflichtverteidigerbestellung in den Fällen der notwendigen Verteidigung nicht berührt (vgl. EGMR, Urteil vom - 13611/88, EuGRZ 1992, 542 Rn. 29 ff.; BGH, Beschlüsse vom - StB 51/22, NStZ 2023, 115 Rn. 4 mwN; vom - StB 21/23, juris Rn. 2). Eine etwaige spätere Belastung des Beschuldigten mit den Kosten des Pflichtverteidigers nach einer rechtskräftigen Verurteilung begründet im Erkenntnisverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis (, juris Rn. 2; , MDR 1986, 604, 605; , NStZ-RR 2012, 317).
6Eine Beschwer durch eine Pflichtverteidigerbestellung kommt zwar ausnahmsweise in Betracht, wenn der bestellte Verteidiger wegen mangelnder Eignung oder Interessengegensatzes unfähig erscheint, die Verteidigung ordnungsgemäß zu führen, oder der Beschuldigte in seinem Recht auf Bezeichnung des zu bestellenden Verteidigers und dessen Beiordnung aus § 142 Abs. 5 Satz 1 und 3 StPO betroffen ist (BGH, Beschlüsse vom - StB 51/22, NStZ 2023, 115 Rn. 5 mwN; vom - StB 21/23, juris Rn. 3; OLG Celle, Beschluss vom - 3 Ws 239/87, NStZ 1988, 39; u.a., juris Rn. 6). Derartiges hat indes weder der Beschuldigte geltend gemacht, noch gibt es hierfür Anhaltspunkte. Der Beschuldigte hatte den bestellten Pflichtverteidiger zuvor nicht nur selbst bevollmächtigt, sondern auch seine Zustimmung zur beabsichtigten Beiordnung erteilt. Ferner hat er im Beschwerdeverfahren mitgeteilt, er wünsche die weitere Verteidigung durch beide bestellten Pflichtverteidiger.
Schäfer Berg Voigt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:150823BSTB28.23.0
Fundstelle(n):
LAAAJ-47452