Anhörungsrüge: Keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei teilweisem Verzicht auf Begründung der Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz
NV: Sieht der Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung davon ab, seine Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision (weiter) zu begründen, gibt dies keinen Anlass zu der Annahme, der BFH habe das Vorbringen der Beteiligten nicht erwogen und deshalb den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt.
Gesetze: FGO § 133a; FGO § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2; GG Art. 103 Abs. 1;
Gründe
1 Die Anhörungsrüge ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Satz 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
2 1. Nach § 133a Abs. 1 FGO ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
3 a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 96 Abs. 2 FGO verpflichtet das Gericht unter anderem, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen. Dabei ist das Gericht naturgemäß nicht verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. , Deutsches Verwaltungsblatt 2008, 1056). Das Gericht ist nach Art. 103 Abs. 1 GG auch nicht verpflichtet, sich mit jedwedem Vorbringen des Beteiligten in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen (Entscheidungen des , BVerfGE 28, 378; vom - 2 BvR 1086/74, BVerfGE 40, 101; vom - 2 BvR 558/75, BVerfGE 42, 364 und vom - 2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86). Dies bedeutet, dass im Einzelfall eine Begründung ganz entfallen oder sich das Gericht lediglich mit den seiner Ansicht nach wesentlichen Gesichtspunkten der Begründungsschrift auseinandersetzen kann. Vor diesem Hintergrund ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten tatsächlich auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (, BVerfGE 54, 43); der Umstand allein, dass sich die Entscheidungsgründe mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt deshalb auch nicht die Annahme, das Gericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen.
4 Der Bundesfinanzhof (BFH) ist bei der Entscheidung über eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision nach Maßgabe der Voraussetzungen des § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO befugt, von einer Begründung des Beschlusses abzusehen. Eine hierauf gestützte Handhabung gibt keinen Anlass zu der Annahme, der BFH habe das Vorbringen der Beteiligten nicht erwogen. Daher vermag ein Absehen von einer Begründung auch nicht den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG zu verletzen (vgl. BFH-Beschlüsse vom - I S 8/14, Rz 5, m.w.N. und vom - I S 7/15, Rz 3).
5 b) Daran gemessen liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers, Beschwerdeführers und Rügeführers (Kläger) nicht vor. Der erkennende Senat hat den Vortrag des Klägers in der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen das zur Kenntnis genommen und über das Vorbringen des Klägers entschieden. Aus dem Umstand, dass die Beschlussgründe keine detaillierte Befassung mit sämtlichen Erwägungen der Beschwerdebegründung enthalten (so zum Beispiel die vom Kläger angeführte Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren, des Willkürverbots und des Anspruchs auf rechtliches Gehör), kann nicht darauf geschlossen werden, der Senat habe diese nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen (vgl. auch , Rz 8).
6 Soweit sich die Ausführungen des Klägers auf die Voraussetzungen für die Annahme eines qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers beziehen, legt er zudem nur seine abweichende Rechtsansicht dar. Dass der BFH in diesem Punkt der Auffassung des Klägers nicht gefolgt ist, kann keine Gehörsverletzung begründen.
7 2. Von einer weiteren Begründung wird mit Blick auf § 133a Abs. 4 Satz 4 FGO abgesehen.
8 3. Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 66 € erhoben (Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2023:B.080823.IXS5.23.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2023 S. 1219 Nr. 10
NAAAJ-46783