Online-Nachricht - Donnerstag, 10.08.2023

Verfahrensrecht | Erlass der Einkommensteuer bei sachlicher Unbilligkeit (FG)

Die Erhebung von Einkommensteuern kann sachlich unbillig sein, wenn die festgesetzte Steuer bei Einbezug tatsächlich abgeflossener, aber aufgrund von Ausgleichsbeschränkungen steuerlich nicht zu berücksichtigender Aktienverluste das jährlich steuerfrei zu belassende Existenzminimum übersteigt (; Revision anhängig, BFH-Az. IX R 18/23).

Sachverhalt: Die Klägerin erlitt Verluste aus Stillhaltergeschäften. Wegen der Verlustausgleichsbeschränkung nach § 22 Nr. 3 Satz 3 und 4 EStG in der Fassung des Streitjahrs erfolgte in Höhe von rund 390.000 € keine Verrechnung mit den positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten. Dies führte zu einem entsprechend höheren Gesamtbetrag der Einkünfte. Unter Berücksichtigung des für 2002 geltenden Grundfreibetrags von 7.235 € begehrte die Klägerin eine Minderung ihrer Gesamtsteuerbelastung.

Die Klage hatte Erfolg:

  • Nach dem sog. subjektiven Nettoprinzip muss der Staat einem Steuerpflichtigen von seinem Erworbenen so viel steuerfrei belassen, wie zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts erforderlich ist (Existenzminimum).

  • Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungswegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer.

  • Hinsichtlich der Freistellung des Existenzminimums ist keine Gesamtbetrachtung über mehrere Jahre vorzunehmen.

  • Der für den Lebensunterhalt tatsächlich und unabweisbar benötigte Geldbetrag ist vielmehr in jedem Veranlagungsjahr von der Besteuerung auszunehmen.

Hinweis:

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Finanzamt hat gegen das Urteil Revision eingelegt, die unter dem Aktenzeichen IX R 18/23 beim BFH geführt wird. Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW veröffentlicht.

Quelle: FG Köln, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
UAAAJ-45949