Anwendbarkeit § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG auch bei verdeckter Einlage aus dem Privatvermögen natürlicher Personen sowie bei unterbliebener
Besteuerung beim einbringenden Gesellschafter nach § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG
Abgrenzung zwischen verdeckter oder offener Sacheinlage bei Einbringung von GmbH-Anteilen in eine Kapitalgesellschaft
Bilanzberichtigung bei unzutreffend als offene Sacheinlage behandelter Einlage von GmbH-Anteilen
Leitsatz
1. Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG ist nicht nur auf verdeckte Einlagen von Kapitalgesellschaften als Gesellschafter
anzuwenden, sondern auch, wenn es sich bei dem einbringenden Gesellschafter um eine natürliche Person handelt.
2. Gegenstand einer verdeckten Sacheinlage im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG können nicht nur Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens,
sondern auch Wirtschaftsgüter des Privatvermögens sein, die im Falle einer Veräußerung zu Einkünften führen würden (hier:
aus dem Privatvermögen des Gesellschafters eingelegte GmbH-Anteile).
3. Von der verdeckten Einlage ist die Einbringung von Wirtschaftsgütern gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten im Rahmen
einer offenen Sacheinlage abzugrenzen, deren Rechtsfolgen sich nach den vorrangigen §§ 20 ff. UmwStG bestimmen. Die verdeckte
Sacheinlage kann auch nicht mit Hilfe einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 41 AO) in den Anwendungsbereich des § 20
UmwStG einbezogen werden. Insbesondere ist es grundsätzlich nicht möglich, eine Bargründung und eine kurz danach beurkundete
Übertragung von Wirtschaftsgütern auf die neugegründete Gesellschaft wie eine Sacheinlage im Sinne des § 20 Abs. 1 UmwStG
zu behandeln.
4. Ob eine verdeckte oder eine offene Einlage vorliegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls durch Auslegung der Einlagevereinbarungen
zu ermitteln. Da es um gesellschaftsrechtliche Organisationsverträge geht, hat die Auslegung nach objektiven Gesichtspunkten
zu erfolgen. Umstände, für die sich im Gesellschaftsvertrag keine hinreichenden Anhaltspunkte finden, können nicht berücksichtigt
werden.
5. Eine verdeckte Einlage hat dann im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG „das Einkommen des Gesellschafters gemindert” wenn
sie sich bei dem Gesellschafter steuermindernd ausgewirkt hat, wenn also das zu versteuernde Einkommen des Gesellschafters
durch die verdeckte Einlage geringer ist, als es ohne sie gewesen wäre. Die Besteuerung auf der Ebene des Gesellschafters
muss unterblieben sein, und es darf aus formellen oder materiellen Gründen nicht mehr möglich sein, dies nachzuholen. Erfasst
werden somit nicht nur diejenigen Fälle, in denen eine Besteuerung auf der Ebene des Gesellschafters aus materiell-rechtlichen
Gründen nicht stattfinden konnte, sondern auch Fälle, in denen die Besteuerung auf der Ebene des Gesellschafters materiellrechtlich
hätte stattfinden müssen, aber nicht stattgefunden hat. § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG ist also auch dann anzuwenden, wenn der Gesellschafter
Geschäftsanteile an einer GmbH verdeckt in eine Kapitalgesellschaft eingelegt hat, anstatt sie offen zu veräußern und dafür
den ihrem Wert entsprechenden Geldbetrag einzunehmen, und wenn beim einbringenden Gesellschafter die eigentlich gebotene Besteuerung
nach § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG unterblieben ist und aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr nachgeholt werden kann.
7. Sind verdeckt eingelegte GmbH-Anteile bei einer Kapitalgesellschaft infolge der unrichtigen Annahme einer offenen Sacheinlage
im Jahr der verdeckten Einlage nicht mit dem richtigen Wert bilanziert worden und können die Steuerbescheide für das Einlagejahr
aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert worden, ist die Bilanzierung der GmbH-Anteile im Wege der Bilanzberichtigung
im ersten verfahrensrechtlich noch offenen Steuerjahr gewinnwirksam zu korrgieren.
Fundstelle(n): FR 2023 S. 1154 Nr. 24 FR 2023 S. 1160 Nr. 24 NAAAJ-45130
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FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 16.05.2023 - 1 K 330/18
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