BGH Urteil v. - IV ZR 118/22

Hausratversicherung: Wirksamkeit der sog. erweiterten Schlüsselklausel

Leitsatz

Die sogenannte "erweiterte Schlüsselklausel" in der Hausratversicherung (hier: § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich GWW 2014), wonach ein Einbruchdiebstahl auch dann vorliegt, wenn der Täter in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat, unterfällt als primäre Leistungsbeschreibung gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle und verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Gesetze: § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 307 Abs 3 S 1 BGB, § 28 VVG, § 32 S 1 VVG, § 81 VVG, § 28 Nr 4 Buchst a Ss 4 VHB 2014

Instanzenzug: Az: 6 U 125/19 Urteilvorgehend Az: 24 O 194/18

Tatbestand

1Der Kläger verlangt Leistungen aus einer beim beklagten Versicherungsverein gehaltenen Hausratversicherung, der die "G                                       (G    2014)" zugrunde liegen. Diese bestimmen in ihrem Teil B Abschnitt I auszugsweise:

"§ 27

Welche Gefahren und Schäden sind versichert?

Wir leisten Entschädigung für versicherte Sachen, die durch

2. Einbruchdiebstahl, …

zerstört oder beschädigt werden oder infolge eines solchen Ereignisses abhanden kommen (Sachschutz).

§ 28

Wie sind die versicherten Gefahren definiert, und wie weit geht der Versicherungsschutz?

4. Einbruchdiebstahl, Raub und Vandalismus

a) Einbruchdiebstahl liegt vor, wenn der Täter

- in einen Raum eines Gebäudes einbricht, einsteigt oder mittels falscher Schlüssel oder anderer Werkzeuge eindringt. Ein Schlüssel ist falsch, wenn seine Anfertigung nicht von einer dazu berechtigten Person veranlasst oder gebilligt worden ist. Der Gebrauch falscher Schlüssel ist nicht schon dann bewiesen, wenn feststeht, dass versicherte Sachen abhanden gekommen sind;

- in einem Raum eines Gebäudes ein Behältnis aufbricht oder falsche Schlüssel oder andere Werkzeuge benutzt, um es zu öffnen;

- in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt oder dort ein Behältnis mittels richtiger Schlüssel öffnet, die er durch Einbruchdiebstahl oder Raub an sich gebracht hat;

- in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat;

- aus einem verschlossenen Raum eines Gebäudes Sachen entwendet, nachdem er sich in das Gebäude eingeschlichen oder dort verborgen gehalten hatte.

…"

2Der Kläger behauptet, ihm sei am aus seinem Firmenfahrzeug eine Aktentasche entwendet worden, in der sich unter anderem Rechnungen mit seiner Wohnanschrift und ein Schlüsselbund mit Wohnungs- und Tresorschlüssel befunden hätten. Nur kurze Zeit später hätten unbekannte Täter damit seine Wohnung betreten, den dort befindlichen Tresor geöffnet und diverse Wertgegenstände sowie Bargeld entwendet. Der Gesamtwert der entwendeten Sachen belaufe sich auf 64.413,25 €. Mit seiner Klage verlangt der Kläger diesen Betrag abzüglich einer vereinbarten Selbstbeteiligung. Zudem begehrt er den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie Zinsen auf die Haupt- und die Nebenforderung. Der Beklagte hält einen versicherten Einbruchdiebstahl nicht für gegeben und beruft sich zudem auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles und der Verletzung von Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag.

3In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe

4Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

5I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in r+s 2022, 259 veröffentlicht ist, hat einen Versicherungsfall gemäß § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G    2014 verneint. Das Belassen des Wohnungsschlüssels in einer geschlossenen, aber von außen sichtbaren Aktentasche auf dem Sitz eines Fahrzeugs stelle ein fahrlässiges Verhalten im Sinne dieser Klausel dar. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Fahrzeug unverschlossen sei. Die Tatsachenfeststellung des Landgerichts, wonach der Kläger den Beweis nicht habe führen können, dass er das Fahrzeug tatsächlich ordnungsgemäß verschlossen habe, sei nicht zu beanstanden und werde auch in der Berufungsbegründung nicht weiter angegriffen.

6Die Klausel in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G   2014 sei wirksam. Sie stelle schon deshalb keine Abweichung von den Grundsätzen des § 81 VVG dar, weil es sich nicht um die (nachträgliche) Einschränkung eines grundsätzlich zugesagten Versicherungsschutzes handele, sondern um eine inhaltlich von Anfang an klar beschränkte Erweiterung in einen Bereich, der über die reine Einbruchversicherung hinausgehe und damit um eine primäre Risikobeschreibung. Handele es sich danach bei dem Tatbestandsmerkmal der fehlenden Fahrlässigkeit um eine Tatbestandsvoraussetzung für das Bestehen des Versicherungsschutzes, sei es nur folgerichtig, dass den Versicherungsnehmer für die fehlende Fahrlässigkeit die Beweislast treffe. Die Schlüsselklausel widerspreche wegen der Verwendung des Begriffs des "fahrlässigen Verhaltens" auch nicht dem Transparenz- beziehungsweise Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Es handele sich bei ihr auch nicht um eine sogenannte "verhüllte" oder "versteckte" Obliegenheit, mit der Folge, dass sie gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen den Grundgedanken des § 28 VVG bzw. die dort geregelten zusätzlichen Voraussetzungen unwirksam wäre.

7II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

81. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die sogenannte "erweiterte Schlüsselklausel" in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G    2014, die den Versicherungsschutz bei einem Eindringen des Täters in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel davon abhängig macht, dass die Schlüsselvortat "ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers" erfolgt ist, nicht unwirksam ist.

9a) Die Frage der Wirksamkeit einer Klausel wie in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G    2014 wird allerdings in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt.

10Die überwiegende Auffassung hält - wie das Berufungsgericht - Klauseln, nach denen der mittels eines durch Diebstahl erlangten richtigen Schlüssels begangene Diebstahl versichert ist, der Versicherungsschutz aber davon abhängig gemacht wird, dass der Täter den Schlüssel ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers - oder Gewahrsamsinhabers - an sich gebracht hat, für wirksam (OLG Braunschweig r+s 2013, 498 [juris Rn. 28]; OLG Köln r+s 2013, 175 [juris Rn. 11]; OLG Koblenz VersR 2002, 1146 unter 2; OLG Frankfurt VersR 1989, 623, 624; LG Münster ZfS 2017, 696 [juris Rn. 41 ff.]; LG Hamburg VersR 1996, 95, 96; LG München I VersR 1986, 754 unter 2; LG Karlsruhe VersR 1978, 1154 unter e; AG Nürnberg VersR 2008, 486 [juris Rn. 37]; AG Münster r+s 1999, 338; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. Einl. Rn. 117, § 1 AERB 2010 Rn. 28; Gal in Martin/Reusch/Schimikowski/Wandt, Sachversicherung 4. Aufl. § 13 Rn. 272; Halbach in HK-VVG, 4. Aufl. A.4 VHB 2016 (QM) Rn. 21; Jula in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. A. § 3 VHB 2010 Rn. 45 f.; Knöpper in MAH VersR 5. Aufl. § 8 Rn. 34; Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. D VIII Rn. 13 f.; MünchKomm-VVG/Spielmann, 2. Aufl. 200. Sachversicherung Rn. 111; ders., Deckungsfragen in der Sachversicherung, 4. Aufl. S. 125 f.; ders., VersR 2004, 964, 969), wobei teilweise danach unterschieden wird, ob der Versicherungsnehmer oder ein sonstiger - berechtigter - Gewahrsamsinhaber den Diebstahl des Schlüssels ermöglicht hat (OLG Hamm VersR 2005, 220 [juris Rn. 28]; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. A. § 3 VHB 2010 Rn. 11 f.; Rüffer in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 33 Rn. 45 f.).

11Die Gegenauffassung nimmt demgegenüber an, dass der Teil der Klausel, der den Versicherungsschutz auf ein schuldloses Verhalten des berechtigten Besitzers an der Ermöglichung des Schlüsseldiebstahls beschränkt, wegen der Abweichung vom Verschuldens- und Beweismaßstab des § 81 VVG und einer Ausdehnung der Haftung des Versicherungsnehmers für das Verhalten Dritter, die nicht zugleich Repräsentanten des Versicherungsnehmers sind, unwirksam ist (OLG Karlsruhe VersR 1997, 1230 f.; Baumann in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 81 Rn. 188, 209; Johannsen/Johannsen in Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. Band III Anm. H 78; Klimke in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. A. § 3 VHB 2016 Rn. 13 f.; Präve in Graf von Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Allgemeine Versicherungsbedingungen Rn. 142 [48. EL März 2022]; ders. in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 1. Aufl. § 10 Rn. 411; J. Prölss in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. Vorbem. I Rn. 80, § 81 Rn. 37; Reusch in Martin/Reusch/Schimikowski/Wandt, Sachversicherung 4. Aufl., § 4 Rn. 289 ff.; Wälder, r+s 2013, 176 f.; ders., r+s 1997, 165; Winter in Festschrift E. Lorenz, 1994, S. 723, 738 f.; zweifelnd S. Schneider in MAH VersR 5. Aufl. § 7 Rn. 77; offenlassend OLG Saarbrücken VersR 1996, 1494).

12b) Die erstgenannte Ansicht trifft zu. Die Klausel in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G   2014 ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Sie ist gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen.

13aa) § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle auf Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Kontrollfrei bleiben bloße Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistungen festlegen. Es ist nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen; mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es insoweit regelmäßig auch an einem Kontrollmaßstab (st. Rspr., vgl. , VersR 2018, 685 Rn. 15 m.w.N.). Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 185/20, r+s 2022, 695 Rn. 15 m.w.N.).

14bb) Ob die vom Beklagten verwendete Klausel das Hauptleistungsversprechen unmittelbar regelt oder dieses nur einschränkt, verändert, ausgestaltet oder modifiziert, kann der Senat selbst feststellen. Die formularmäßig gestalteten Vertragsbedingungen des Beklagten unterliegen der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung und können vom Revisionsgericht selbst ausgelegt werden (Senatsurteil vom - IV ZR 185/20, r+s 2022, 695 Rn. 17 m.w.N.). Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom - IV ZR 144/21, BGHZ 232, 344 Rn. 10; st. Rspr.).

15cc) Die Auslegung auf der Grundlage dieses Maßstabs ergibt, dass die Klausel in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G    2014, soweit sie den Versicherungsschutz davon abhängig macht, dass der Täter den zur Begehung des Diebstahls verwendeten Schlüssel "ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers" an sich gebracht hat, die vom Beklagten geschuldete Leistung unmittelbar festlegt.

16Nach § 27 Nr. 2 G    2014 leistet der Versicherer Entschädigung für versicherte Sachen, die unter anderem durch Einbruchdiebstahl zerstört oder beschädigt werden oder abhandenkommen. Ob der Beklagte mit dieser Regelung - wie die Revision meint - das Hauptleistungsversprechen bereits so beschrieben hat, dass der wesentliche Vertragsinhalt bestimmt werden kann und ein wirksamer Vertrag anzunehmen ist, oder ob erst die nachfolgende Bestimmung des § 28 Nr. 4 Buchst. a) G    2014 mit ihrer Definition versicherter Erscheinungsformen eines Einbruchdiebstahls im Zusammenspiel mit § 27 Nr. 2 G    2014 den Inhalt der geschuldeten Leistung festlegt, muss nicht entschieden werden. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, der bei der Beurteilung der Frage nach der Reichweite des vom Versicherer gegebenen Leistungsversprechens die Bestimmung in § 27 Nr. 2 G    2014 zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen nimmt, wird vom Wortlaut des dort verwendeten Begriffs "Einbruchdiebstahl" jedenfalls nicht den mittels eines zuvor entwendeten echten Schlüssels verübten Diebstahl als umfasst ansehen. Der Ausdruck "Einbruchdiebstahl" verweist den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht auf den Bereich der Rechtssprache. Zwar ist der Begriff des "Diebstahls" ein Rechtsbegriff des Strafrechts, der seine nähere Ausformung durch die dort geregelten tatbestandlichen Voraussetzungen (§ 242 StGB) erhält (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 129/93, VersR 1994, 1185 [juris Rn. 13]). Einen in seinen Konturen eindeutig festgelegten Begriff des "Einbruchdiebstahls", der in den §§ 242, 243 StGB nicht verwendet wird, gibt es aber nicht. Nach allgemeinem Sprachgebrauch umschreibt der Begriff den nach Einbrechen in ein Haus oder einen Raum verübten Diebstahl (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Band 2 Stichwort "Einbruchdiebstahl"), wobei mit dem Begriff des "Einbrechens" das gewaltsame Eindringen in ein Gebäude oder einen Raum, besonders um etwas zu stehlen, vorausgesetzt wird (aaO, Stichwort "einbrechen"). Dementsprechend wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer unabhängig davon, ob er allein mit dem Begriff "Einbruchdiebstahl" eine hinreichend bestimmte Vorstellung von der Reichweite des zugesagten Versicherungsschutzes verbindet, Leistungen jedenfalls nur für solche Begehungsweisen erwarten, bei denen der Täter gewaltsam und widerrechtlich unter Überwindung eines Hindernisses in das versicherte Gebäude eindringt, worunter der Zutritt mit einem zuvor entwendeten Schlüssel nicht fällt (vgl. OLG Hamm VersR 2005, 220 [juris Rn. 27 f.]; OLG Koblenz VersR 2002, 1146 unter 2; OLG Frankfurt VersR 1989, 623, 624; MünchKomm-VVG/Spielmann, 2. Aufl. 200. Sachversicherung Rn. 111).

17dd) Unter Zugrundelegung dieses Auslegungsergebnisses stellt die Klausel in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G    2014 mit ihrer eigenständigen Regelung einer versicherten qualifizierten Begehungsform des Diebstahls - entgegen der Auffassung der Revision - keine der Inhaltskontrolle unterliegende Modifizierung oder Änderung einer bestehenden Hauptleistungspflicht dar, sondern deren erstmalige kontrollfreie Bestimmung. Als Definition des Versicherungsfalles gehört sie zum Kern der Leistungsbeschreibung, weshalb sie sich einer inhaltlichen AGB-Kontrolle entzieht (vgl. , r+s 2022, 695 Rn. 15-19; vom - IV ZR 422/12, VersR 2014, 625 Rn. 34).

18Der Schutzzweck der Inhaltskontrolle spricht - wie die Revisionserwiderung zu Recht hervorhebt - ebenfalls für eine Kontrollfreiheit der Klausel. Durch die Inhaltskontrolle soll der Vertragspartner des Verwenders Allgemeiner Geschäftsbedingungen vor einer einseitig ausbedungenen, inhaltlich unangemessenen Verkürzung der vollwertigen Leistung, wie er sie nach Gegenstand und Zweck des Vertrages erwarten darf, geschützt werden (vgl. , BGHZ 100, 157, 173 [juris Rn. 55]; siehe auch Roloff/Looschelders in Erman, BGB 16. Aufl. § 307 Rn. 42). Zu diesem innersten Kern der Leistungsbeschreibung einer Hausratversicherung, die Versicherungsschutz auch für durch Einbruchdiebstahl verursachte Schäden verspricht, zählt die von der sogenannten "erweiterten Schlüsselklausel" erfasste Tatmodalität nicht. Schutzwürdige Erwartungen des Versicherungsnehmers auf einen bestehenden Versicherungsschutz können durch die in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G    2014 enthaltenen Einschränkungen nicht verletzt werden, weil der mittels eines zuvor entwendeten richtigen Schlüssels verübte Diebstahl - wie ausgeführt - nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht unter die in § 27 Nr. 2 G    2014 nur schlagwortartig umschriebene Gefahr des Einbruchdiebstahls fällt (vgl. OLG Braunschweig r+s 2013, 498 [juris Rn. 28]; OLG Köln r+s 2013, 175 [juris Rn. 11]; OLG Koblenz VersR 2002, 1146 unter 2).

19c) Das so verstandene Leistungsversprechen des Beklagten weicht nicht im Sinne von § 32 Satz 1 VVG von § 28 VVG ab. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass es sich bei der Klausel nicht um eine sogenannte verhüllte Obliegenheit handelt. Die Abgrenzung einer verhüllten Obliegenheit von einer Risikobegrenzung richtet sich entscheidend nicht nach dem Wortlaut und der Stellung der Klausel innerhalb eines Bedingungswerkes. Ausschlaggebend ist vielmehr ihr materieller Gehalt; es kommt darauf an, ob sie die individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der Versicherer keinen Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder verliert (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 288/12, VersR 2014, 869 Rn. 18 m.w.N.). Für die danach vorzunehmende Abgrenzung kommt es auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers an (Senatsurteil vom - IV ZR 87/07, VersR 2008, 1107 Rn. 9). Dieser entnimmt der Klausel in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G    2014, dass der Beklagte von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und ihm nicht ein bereits gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens des berechtigten (Schlüssel-)Besitzers wieder entzogen werden soll (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. § 1 AERB 2010 Rn. 28).

20d) Die Klausel in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G   2014 verstößt nicht gegen das - sich gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB auch auf das Hauptleistungsversprechen erstreckende (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 185/20, r+s 2022, 695 Rn. 23 m.w.N.) - Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

21aa) Hiernach ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht (Senatsurteil vom - IV ZR 465/21, r+s 2023, 206 Rn. 44 m.w.N.). Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist (Senatsurteil vom - IV ZR 185/20, r+s 2022, 695 Rn. 24 m.w.N.).

22bb) Diesen Erfordernissen wird § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G    2014 gerecht. Soweit die Revision geltend macht, die Klausel vergegenwärtige dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer durch die Verwendung abstrakter und nicht durch typische Beispielsfälle konkretisierter Begriffe nicht, welches Verhalten von ihm gefordert werde, vermag sie hiermit nicht durchzudringen. Die Klausel ist, auch soweit sie den Versicherungsschutz davon abhängig macht, dass die Schlüsselvortat "ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers" erfolgt ist, für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer hinreichend verständlich. Sie verweist ihn mit der Wendung "fahrlässiges Verhalten" hinsichtlich der Schuldform mit dem Begriff der "Fahrlässigkeit" auf einen fest umrissenen - in § 276 Abs. 2 BGB definierten - Begriff der Rechtssprache, bei dem nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Zweifel anzunehmen ist, dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 200/16, r+s 2018, 425 Rn. 29 m.w.N.). Zwar mag für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer im Einzelfall nicht immer vorhersehbar sein, ob eine bestimmte Verhaltensweise als fahrlässig eingestuft werden kann. Das ist aber - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - nicht Folge eines unklaren Begriffsverständnisses, sondern beruht auf tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Feststellung des für die Subsumtion maßgeblichen Sachverhalts (vgl. , BGHZ 194, 121 Rn. 47).

23Soweit die Klausel auf das Verhalten eines "berechtigten Besitzers" abstellt, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer, der den Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen zusätzlich in den Blick nimmt, davon ausgehen, dass es auf die Person ankommt, welcher er den Schlüssel bewusst und zur befugten Verwendung überlassen hat. Angesichts der hinreichenden Bestimmtheit der verwendeten Begriffe war der Beklagte - anders als die Revision meint - auch nicht gehalten, diese durch typische Beispielsfälle zu konkretisieren. Eine beispielhafte Aufzählung, welche Verhaltensweisen als fahrlässig einzustufen sind und welche Person als berechtigter Besitzer anzusehen ist, würde nicht zu zusätzlicher Klarheit beitragen, sondern Abgrenzungsfragen nur verlagern und unter Umständen sogar erschweren, weil derartige Aufzählungen in der Gewichtung der Beispiele zusätzlichen Wertungen Raum geben können, die dem an sich geläufigen Verständnis der verwendeten abstrakten Umschreibungen zuwiderlaufen (vgl. aaO Rn. 45). Ohnehin ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot - wie die Revision selbst einräumt - nicht schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 465/21, r+s 2023, 206 Rn. 45).

242. Vergeblich wendet sich die Revision ferner gegen die Annahme des Berufungsgerichts, es sei für ein fahrlässiges Verhalten des Klägers ausreichend, dass sich der Schlüssel in einer geschlossenen und von außen gut sichtbaren Aktentasche auf dem Sitz seines Fahrzeugs befunden habe. Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, eine von außen sichtbare Aktentasche berge die erhebliche Gefahr, dass ein potentieller Täter diese in der Hoffnung auf darin befindliche Wertgegenstände entwende, auch wenn der konkrete Inhalt von außen nicht erkennbar sei. Diese tatrichterliche Würdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und schließt den von der Revision beanstandeten falschen Anknüpfungspunkt für die Fahrlässigkeit, die sich - was das Berufungsgericht nicht verkannt hat - auf das Ansichbringen des später zum unbefugten Eindringen in die Wohnung verwendeten Schlüssels beziehen muss, aus.

253. Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe übersehen, dass sich der Versicherungsfall auch aus § 28 Nr. 4 Buchst. a), 3. Spiegelstrich G    2014 ergebe. Dass der Täter den Schlüssel durch einen Einbruchdiebstahl an sich gebracht hat, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Im Gegenteil hat es - wie bereits das Landgericht - den Kläger für seine Behauptung, ihm sei die Aktentasche mit seinem Wohnungsschlüssel aus dem ordnungsgemäß verschlossenen Fahrzeug entwendet worden, als beweisfällig angesehen.

Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 2583 Nr. 35
NJW 2023 S. 8 Nr. 32
NJW-RR 2023 S. 1073 Nr. 16
WM 2023 S. 1460 Nr. 31
OAAAJ-45001